Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl

VfL Wolfsburg im Abstiegskampf Schneller Realitätscheck für Hasenhüttl

Stand: 08.04.2024 11:29 Uhr

Mit dem 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach ist Wolfsburg endgültig im Abstiegskampf der Bundesliga angekommen. Trainer Ralph Hasenhüttl bemängelte bei seinem neuen Team den Mangel an Intensität und das Vergessen von Automatismen. Das Besorgniserregende: Was für den VfL spricht, hat wenig mit eigener Stärke zu tun.

Von Tobias Knaack

Der neue Wolfsburger Coach hatte es bei seiner Vorstellung am Mittellandkanal klar formuliert: Es gehe gegen den Abstieg. Einen Mangel an Einschätzungsvermögen kann man dem 56-Jährigen nicht vorwerfen, er war sich der Schwere der Aufgabe durchaus bewusst. Und dürfte es nach dem Sonntag umso mehr sein.

Denn nach dem zumindest in Teilen mutmachenden Sieg bei seinem Debüt in Bremen vor einer Woche bekam er am Sonntag beim 1:3 gegen Borussia Mönchengladbach einen ziemlich herben Realitätscheck zum Zustand seiner Mannschaft im April 2024. Als Europacup-Aspirant gestartet, ist Wolfsburg nach verheißungsvollem Saisonbeginn mit der Niederlage gegen die "Fohlen" am vorläufigen Tiefpunkt angekommen: endgültig im Abstiegskampf.

Wolfsburgs Abstand zu den Abstiegsrängen schmilzt

Am Wochenende trat das ein, was jeder, der es mit den Wolfsburgern hält, nur zu gerne verhindert hätte: Mainz siegte klar gegen Darmstadt und die Niedersachsen verspielten eine 1:0-Führung und unterlagen dem bis zum Sonntag direkten Tabellennachbarn vom Niederrhein. So hat das Hasenhüttl-Team im Bundesliga-Tableau sechs Spieltage vor Schluss nur noch fünf Zähler Vorsprung auf die 05er auf Rang 16 - und lediglich sechs Punkte auf den 1. FC Köln auf dem ersten direkten Abstiegsplatz.

Nach seiner verpatzten Heimpremiere hatte der sichtlich bediente Hasenhüttl denn auch keine Lust, lange um den heißen Brei herumzureden: "Wir sind noch nicht in der Lage, einen Gegner nach einer Führung zu dominieren", sagte er. "Die Möglichkeiten hätten wir fußballerisch eigentlich, aber ich muss noch beobachten, warum uns das nicht gelingt", sagte der Österreicher.

"Es wartet noch sehr, sehr viel Arbeit auf uns."
— Wolfsburgs Trainer Ralph Hasenhüttl

Die Mannschaft sei "noch nicht stabil genug, um ein Spiel auch über 90 Minuten zu dominieren." Kurzum: "Es wartet noch sehr, sehr viel Arbeit auf uns." Arbeit für die der 56-Jährige, der erst Mitte März in Wolfsburg die Nachfolge von Niko Kovac angetreten hatte, angesichts der prekären Tabellensituation nicht viel Zeit hat.

Einem Traumstart in die Partie mit Ridle Bakus sehenswert herausgespieltem Treffer und einer zumindest soliden ersten Hälfte folgte am Sonntag nach dem unglücklichen - weil abgefälschten - Ausgleich durch Ko Itakura ein schlimmer Einbruch. Gegen eine Mannschaft, die zuvor seit Februar nicht gewonnen hatte und selbst merklich mit sich zu kämpfen hatte.

Wolfsburg kann Gladbachs Intensität nicht kontern

Bedenklich ist, dass vor allem auch die Hoffnungs- (Lovro Majer) und jahrelangen Leistungsträger (Maximilian Arnold) nicht nur keine Stabilität verliehen, sondern auch noch an der Niederlage beteiligt waren. Vor dem entscheidenden 1:3 durch Rocco Reitz spielte Majer einen schlimmen Fehlpass, in der Folge legte Arnold bei seinem Klärungsversuch Reitz den Ball auf. Der blieb cool, versenkte den Ball im Winkel und machte den Deckel drauf.

Es war nur der Tiefpunkt eines schwachen zweiten Durchgangs, in dem die "Wölfe" der verbesserten Raumaufteilung und der gesteigerten Energie der Gäste nur wenig entgegenzusetzen hatten. Entsprechend ernüchtert - und entlarvend ehrlich - war Hasenhüttls Resümee nach der Partie: "Wir waren in der zweiten Hälfte weit davon entfernt, was wir in der ersten Hälfte angedeutet haben."

Hasenhüttl bemängelt fehlende Robustheit und Kompaktheit

Denn auch das gehört trotz der Halbzeitführung zur Wahrheit des ersten Durchgangs dazu: Auch in diesem gingen der Mannschaft nach gutem Beginn bereits Stabilität und Selbstverständnis zunehmend verloren. Hasenhüttl bemängelte insgesamt bei seinem Team über den Verlauf des Spiels hinweg eine fehlende Robustheit und Kompaktheit - und "dass wir unsere Automatismen vergessen haben".

Die über zu weite Teile der Partie gezeigte Intensität reiche "so für die Bundesliga nicht", da müsse man "über zwei Drittel der Partie, am besten über die gesamte Spieldauer hinweg in der Lage sein, dagegen zu halten".

Droht dem VfL nach 2017 und 2018 die nächste Relegation?

Es gelang nicht - und so ist der VfL statt im Kampf um Europa, endgültig im Krampf um den Klassenerhalt angekommen. Etwas, das Kapitän Arnold "wirklich nicht braucht". Bereits 2017 und 2018 hatte er erst in der Relegation den Klassenverbleib mit den Niedersachsen geschafft.

Das Bittere an der Bestandsaufnahme zum jetzigen Zeitpunkt: Was für den VfL spricht, hat nichts mit eigener Stärke zu tun. Es ist zum einen die Tatsache, dass Clubs, die noch hinter den Wolfsburgern stehen, vielleicht zu spät angefangen haben könnten, zu punkten (Köln und Mainz). Oder noch heftiger außer Form sind als die "Wölfe" (Bochum). Und zum anderen kommt der Spielplan den Wolfsburgern entgegen.

Der Spielplan kommt den "Wölfen" entgegen

Gegen eben jene Bochumer, die am Montag ihren Trainer Thomas Letsch entließen, geht es in zwei Wochen im nächsten Heimspiel (20. April, 15.30 Uhr). Zudem empfangen die "Wölfe" auch das abgeschlagene Tabellenschlusslicht Darmstadt (4. Mai, 15.30 Uhr) und am letzten Spieltag Mainz 05 (18. Mai, 15.30 Uhr) zu Hause.

Damit die Partie gegen die Rheinhessen nicht zum ultimativen Showdown um den Klassenerhalt wird, müssen der neue Coach und sein Team im besten Fall vorher zu Punkten kommen. Und das wird am kommenden Sonnabend (15.30 Uhr, im NDR Livecenter) schwer genug.

Dann geht es zu Hasenhüttls ehemaligem Arbeitgeber - den formstarken Leipzigern. Die mit vergleichbaren strukturellen Voraussetzungen wie der VfL tatsächlich Saison für Saison um die Europacup-Teilnahme kämpfen. Und nicht gegen den Abstieg. Auch das ist ein Realitätscheck.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 07.04.2024 | 22:50 Uhr