Martin Kind

Fußball | Bundesligen FCM-Fans fordern juristische Prüfung nach Investoren-Abstimmung

Stand: 13.12.2023 14:19 Uhr

Kippt der DFL-Milliarden-Deal doch noch? Weil die Stimme von Hannovers Geschäftsführer Martin Kind womöglich regelwidrig abgegeben wurde, bestehen gravierende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des DFL-Votums für einen Investor.

Von Alexander Küpper

Die Fans des 1. FC Magdeburg fordern jetzt eine juristische Aufarbeitung der Abstimmung und sehen dabei auch ihren Klub in der Pflicht: "Wir erwarten, dass der Verein das in jeglicher Form rechtlich prüfen lässt, welche Maßnahmen er treffen kann und dass er auch öffentlich Druck auf Hannover 96 und Martin Kind ausübt", sagt Kevin Oder, Fanvertreter von Block U.  

War Kinds Stimme irregulär?

Am Montag (11.12.2023) hatten die 36 Klubs der ersten und zweiten Liga den Weg für einen Investor frei gemacht. Und zwar exakt mit der nötigen Zweidrittelmehrheit – 24 Ja-Stimmen bei zehn Ablehnungen, unter anderem vom FCM, und zwei Enthaltungen. Eine Ja-Stimme weniger und der Plan wäre gescheitert. Und hier wird es haarig. 

Seit Dienstag sind die 12 Vereine, die ihre Zustimmung verwehrt haben, öffentlich bekannt, wenn auch noch nicht in Gänze offiziell bestätigt. Hannover 96 ist nicht darunter und gehört demnach zu den Clubs, die offensichtlich zugestimmt haben. Auf fragwürdige Art und Weise. Denn der Stammverein, der e.V., hatte genau das Gegenteil befohlen. In einem Schreiben, das der "Sportschau" vorliegt, heißt es: "Der Vorstand des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. hat in diesem Zusammenhang Herrn Martin Kind angewiesen, das Rede- und Stimmrecht für Hannover 96 ausschließlich dahingehend auszuüben, dass der Abschluss grundsätzlich abgelehnt wird." 

FCM-Fanvertreter Kevin Oder erläutert ablehnende Haltung

Martin Kind hingegen, über Jahrzehnte mächtigster Mann bei 96 und Geschäftsführer der ausgegliederten Hannover 96 GmbH & Co.KGaA, ist bekennender Befürworter von Investoren im Fußball. Deshalb hatte der Hannover 96 e.V. die DFL im Vorfeld informiert und eine Verschiebung der Abstimmung gefordert, sollte nicht sicher gestellt werden können, dass Kind dem klaren "Nein-Auftrag" Folge leistet. Eine Reaktion seitens des Verbandes blieb aus. Am Montag wurde in geheimer Wahl abgestimmt, mit Stift, Papier und Urne, nicht wie sonst üblich mittels eines elektronischen Systems. Bezeichnend, sagt Block U-Vertreter Oder: "Das zeigt wieder mal genau das, was wir schon vorher befürchtet haben: dass man sich nicht auf die DFL verlassen kann, dass es der DFL nur ums Geld geht, nur um Gewinnmaximierung, nur um die Kommerzialisierung des Fußballs und dass sie natürlich alles dafür getan haben, dass diese Abstimmung in ihre Richtung geht." 

Verstoß gegen 50+1?

Dieser Vorgang ist deshalb so brisant und für die DFL potentiell gefährlich, weil er womöglich einen Verstoß gegen die in Deutschland geltende 50+1-Regel darstellt. Der Ligaverband hatte 2022 noch einmal festgestellt, dass der Hannover 96 e.V. ein "uneingeschränktes Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsführung der Hannover 96 Management GmbH hat". Martin Kind war also weisungsgebunden. Fußballfans bundesweit reagieren mit Wut und Fassungslosigkeit, auch Block U in Magdeburg. Kevin Oder: "Diese Stimme war irregulär, anders kann man es nicht sagen. Dass diese Abstimmung von einer narzisstischen Einzelperson torpediert wird, die sich immer wieder für die Kommerzialisierung und gegen die Traditionen und die basisdemokratische Form des mitgliedergeführten Fußballs eingesetzt hat, ist aus meiner Sicht ein absoluter Skandal! Das kann die DFL nicht akzeptieren." 

FCM-Fanvertreter Kevin Oder reagiert auf DFL-Beschluss

DFL im Dilemma: Geld oder Glaubwürdigkeit

Der Ligaverband wurde bereits am Montag auf dieses drohende Szenario angesprochen. "In dem Fall ist Herr Kind als Geschäftsführer erst mal außenvertretungsberechtigt auf Mitgliederversammlungen der DFL. Was dann etwaige Weisungen im Innenverhältnis betrifft, sofern sie denn vorliegen, das betrifft aus unserer Sicht das Binnenverhältnis eines Klubs", sagte DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel. 

Aber auch die DFL steht in Verantwortung und im Wort. Nicht nur der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Aki Watzke hatte sich in seiner Funktion als BVB-Geschäftsführer immer wieder für 50+1 ausgesprochen. Nach der Abstimmung am Montag lobpreiste auch DFL-Geschäftsführer Marc Lenz die Bedeutung der Regel: "Im Hinblick auf die 50+1-Regel sind wir beide (Lenz und Merkel, Anmerkung der Redaktion) sehr klare Befürworter, weil wir die Vorteile für erheblich erachten und da insbesondere in Abwägung international, wenn wir uns da die eine oder andere Eigentümerentwicklung anschauen, ganz klar pro 50+1 agieren."  

Wenn vor dem Hintergrund dieser Worte jetzt der umstrittenste Deal in der Geschichte der Bundesliga nur durch einen eklatanten Bruch mit 50+1 zustande kommt, ohne dass die DFL reagiert, wäre die Glaubwürdigkeit der Liga und ihrer Funktionäre massiv beschädigt.  

Wie weiter?

Wie es in der Frage weiter geht, ist derzeit offen. Vermutlich soll Martin Kind im Laufe des Mittwochs in Hannover zum Rapport, hat allerdings schon angedeutet, sein Stimmverhalten nicht preisgeben zu wollen. Der eingetragene Verein von Hannover 96 ist nicht klageberechtigt. Gut möglich aber, dass einer der 10 Vereine, die den Deal ablehnen und deren Stimme durch Martin Kinds vermeintlich unrechtmäßiges Abstimmungsverhalten wertlos geworden ist, die Gültigkeit der Abstimmung anzweifeln, womöglich auch vor Gericht. Der 1. FC Magdeburg wollte sich auf "Sport im Osten"-Anfrage vorerst nicht äußern. Allerdings wird die Thematik auch beim FCM in den Gremien diskutiert. Und auch die aktive Fanszene hat ihre Erwartungen beim Club bereits hinterlegt.