Radsport Rad-WM 2025 in Ruanda - Aufwind für Afrika

Stand: 25.09.2021 14:55 Uhr

Die Vergabe der Rad-Weltmeisterschaften 2025 nach Ruanda hat für Verblüffung gesorgt. "Normalerweise werden die Weltmeisterschaften ja in traditionelle Radsportländer vergeben. Das hat mich schon überrascht", meinte Bundestrainer Jens Zemke am Rande der aktuell in Flandern stattfindenden Straßen-WM.

Von Tom Mustroph

Ganz aus heiterem Himmel kam die Entscheidung aber nicht. Sie ist ein weiterer Baustein in der schon länger von der UCI verfolgten Strategie der Globalisierung des Radsports. "Wir wollen ein internationaler Sport sein, sind aber in Asien kaum vertreten, in Nordamerika weniger als wir sein könnten und auch sehr wenig in Afrika. In diesem Sinne ist die Vergabe an Ruanda sehr logisch", sagte Tomas van den Spiegel, selbst Ausrichter des Klassikermonuments Flandern-Rundfahrt und aktuell im Organisationskomitee der WM in Flandern tätig, der Sportschau.

Auf die Frage, ob er das afrikanische Land bereit sieht für die WM, erwiderte van den Spiegel nur lachend: "Das ist die Frage nach dem Ei und der Henne. Die Vergabe des Rennens kann sie dafür bereit machen, es auszurichten." Der erfahrene Rennorganisator, der mit seinem Team neben der Flandern-Rundfahrt nach eigenen Angaben pro Jahr 70 bis 80 weitere Radsportevents verantwortet, betonte aber, dass es jetzt auf enge Kooperation ankomme. "Alle Stakeholder müssen gut zusammenarbeiten", forderte er.

Große Freude in Afrika

In der afrikanischen Radsport-Community löste die Entscheidung große Freude aus. "Das ist schön für unser Land, das wird den Radsport bei uns auch voranbringen", meinte Rnus Byiza Uhiriwe. Der 21-Jährige war einziger Starter Ruandas beim WM-Straßenrennen der U23 in Flandern. Er kam mit der zweiten großen Gruppe des Feldes mit knapp eineinhalb Minuten Rückstand auf den Sieger ins Ziel. Gegenüber der Sportschau haderte er ein wenig mit seinem Schicksal. "Ich bin gestürzt, mir fiel auch noch die Kette vom Rad. Ich konnte mich zwischenzeitlich aber wieder nach vorn kämpfen", meinte er. Am Ende fehlten ihm allerdings die Kräfte. "Es war auch meine allererste Nominierung", setzte er seine Leistung ins Verhältnis.

Für 2025 nimmt er sich schon jetzt eine Menge vor: "Ich will meine Nation gut vertreten und möchte gern gewinnen", sagte er der Sportschau. Das zeugt zumindest von Selbstbewusstsein. Gegenwärtig hat Uhiriwe einen Vertrag beim Continental-Ableger des afrikanischen Rennstalls Qhubeka. Er will in der nächsten Saison vor allem Erfahrung bei Rennen in Europa sammeln.

Vom Verband seines Landes wünscht er sich auch im Hinblick auf die WM 2025 "mehr Rennen bei uns, damit sich viele Fahrer entwickeln können".

Tour de Rwanda bereits großes Event

Der Bitte will Verbandspräsident Murenzi Abdallah Ferwacy auch entsprechen. "Wir wollen die Zeit bis 2025 nutzen. Schon jetzt haben wir als großes Event die Tour de Rwanda. Zwei Mal im Monat finden auch die lokalen Rennen des Rwanda Cups statt. Wir wollen aber auch noch mehr Rennen ins Leben rufen", sagte er in Leuven der Sportschau.

Infrastrukturell sieht er sein Land gerüstet. "Wir haben ausreichend Kapazitäten, um alle Sportler und Betreuer unterzubringen. Wir haben auch die Unterstützung der Regierung", versicherte er. Ferwacy sieht im Sport, und insbesondere im Radsport, auch ein wichtiges Instrument im Aufbau der ruandischen Gesellschaft nach den schrecklichen Ereignissen des Völkermords 1994 an. "Radsport verbindet die Menschen", betonte Ferwacy.

Diesen Aspekt streicht auch WM-Co-Organisator und Chef der Flandern-Rundfahrt van den Spiegel heraus. "Fußball polarisiert. Radsportfans sind aber in erster Linie Liebhaber des Radsports, erst danach kommen die Teams", meinte er. Seinen Nachfolgern für 2025 empfiehlt er, möglichst früh mit den Vorbereitungen zu beginnen. "Es ist eine sehr komplexe Aufgabe. Für uns war es, als ob wir acht Flandern-Rundfahrten hintereinander veranstalten. Man darf sich als Organisator auch nie sicher fühlen. Vor einem Jahr hätte ich noch gesagt, dass wir vor unserem Zeitplan liegen. Am Ende kommen aber noch so viele Dinge, dass der Druck sehr groß wird", meinte der erfahrene Rennveranstalter.

Ungewissheiten wegen Corona

Viele Teilnehmer dieser WM mochten sich allerdings noch nicht so recht mit den Titelkämpfen in vier Jahren beschäftigen. "Ich konzentriere mich erst einmal auf das Straßenrennen jetzt", meinte Deutschlands Kapitän für das Straßenrennen der Männer am Sonntag, Nils Politt. "Das sind erst einmal tolle Pläne", wagte WM-Starterin Lisa Klein immerhin einen Ausblick. Sie warnte aber auch: "Man muss sehen, was sich davon verwirklichen lässt, was auch die Corona-Situation im nächsten Jahr für die WM in Australien bedeutet.

In Afrika hat der Radsport seine Pandemie-Pause zumindest beendet. Im Frühjahr diesen Jahres fand die Tour de Rwanda statt. Am Start war da auch das World-Tour-Team Israel Start Up Nation. Und in Burkina Faso wird Ende Oktober nach einjähriger Pause wieder die Tour du Faso veranstaltet. Sie gilt als "Tour de France Afrikas".

Der Kontinent ist wahrlich kein unbeschriebenes Blatt mehr in Sachen Radsport. Am Westen liegt es nun, diese Entwicklungen zu entdecken. Für Ruanda als Ausrichter spricht auch, dass der Frauenradsport dort entwickelt ist. Zwei Athletinnen nahmen am Straßenrennen der Frauen teil. Und dass afrikanische Sportlerinnen und Sportler auf Rädern nicht nur mit- oder hinterherfahren, sondern auch Siegpotenzial haben, zeigte der Vizeweltmeistertitel von Biniam Ghirmay aus Eritrea im U23-Rennen am Freitag. Bester deustcher Starter war da Niklas Märkl auf Rang 15.