Radsport | Women’s WorldTour Frauenradsport: Mehr Rennen, mehr Teams, mehr Gleichberechtigung?

Stand: 04.03.2022 09:42 Uhr

Am Samstag (05.03.2022) feiert die UCI Women’s WorldTour beim Strade Bianche in Siena ihren Saisonauftakt. Die diesjährige Ausgabe setzt neue Maßstäbe im Frauenradsport. Aber bedeutet dies gleichzeitig auch mehr Gleichberechtigung?

Von Katarina Schubert

Eigentlich ist der Piazza del Campo in Siena weltweit für sein berühmt-berüchtigtes Pferderennen "Palio di Siena" bekannt. Nicht aber am Samstag, denn an diesem Tag wird das Herzstück der Stadt zur Zielankunft des Strade Bianche - einem Eintagesrennen, welches seit 2015 ebenfalls die Frauen bestreiten. Auch in diesem Jahr bildet das 136 Kilometer lange Rennen durch die Toskana den Auftakt für die UCI Women’s WorldTour.

Paris - Roubaix, Tour de France: Neue Saison voller Highlights

Es ist erst die siebte Ausgabe der Frauen-Rennserie, doch seit der Einführung 2016 durch den Radsport-Weltverband UCI ist viel passiert. Das spiegelt sich vor allem im Wettkampf-Kalender wider: Noch nie gab es so viele Rennen wie in diesem Jahr, nämlich 25. Etliche neue Etappenrennen haben den Sprung in die UCI Women’s WorldTour geschafft.

Über allem thront die Premieren-Ausgabe der Tour de France Femmes Avec Zwift im Juli. Darauf freue sie sich am meisten, sagt Lisa Klein, Olympiasiegerin im Bahnrad-Vierer, gegenüber der Sportschau. "Das wertet den Frauenradsport extrem auf." Für Tanja Erath, Fahrerin im Team EF Education-Tibco-SVB, findet dagegen das Highlight der Saison bereits im April statt. "Paris - Roubaix. Die Einfahrt in das altehrwürdige Velodrom war schon im vergangenen Jahr ein Gänsehautmoment."

Dank Regeländerung: Sechs neue WorldTeams gehen an den Start

Lisa Klein fährt für das Team Canyon-SRAM Racing, eines von zwei deutschen WorldTeams in dieser Saison. Insgesamt nehmen 2022 14 WorldTeams an der Frauen-Rennserie teil - das sind sechs mehr als zwei Jahre zuvor, als die UCI das zweistufige System von World- und Continental-Teams auch bei den Frauen einführte.

Dass nun so viele neue Teams die begehrte Lizenz bekamen, machte allerdings erst eine Regeländerung möglich. Demnach mussten Teams für den Erhalt der WorldTeam-Lizenz mindestens ein Jahr als Continental-Team im Peloton verbringen. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Profiteure sind komplett neu gegründete Teams wie UAE Team ADQ aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder das norwegische Uno-X Pro Cycling Team, denen der direkte Weg in die erste Liga des Frauenradsports ansonsten versperrt geblieben wäre.

Tanja Erath sieht diese Entwicklung im Grunde positiv. "Das ist ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung, da nun mehr Fahrerinnen die Chance bekommen, unter bestmöglichen Bedingungen ihren Sport auszuüben." Gleichzeitig gehe dadurch aber auch die Schere zwischen World- und Continental-Teams weiter auseinander. Für letztere stehen aufgrund der Aufstockung nun weniger Startplätze in der UCI Women’s WorldTour zur Verfügung.

Der Gesamtsieg geht nur über die Niederlande

Das Peloton ist nun mit mindestens 140 Fahrerinnen pro WorldTour-Rennen so groß wie noch nie. "Trotzdem wird der Gesamtsieg nur über Annemiek van Vleuten gehen. Sie ist nach wie vor die stärkste und kompletteste Fahrerin", ist sich Klein sicher. Die größte Konkurrenz der 39-jährigen Niederländerin kommt in Gestalt von Demi Vollering, Ellen van Dijk oder Lorena Wiebes wohl aus dem eigenen Land.

Den deutschen Fahrerinnen ist ebenfalls eine Menge zuzutrauen - allen voran Lisa Brennauer, der mit dem vierten Platz bei Paris - Roubaix im vergangenen Jahr ein Achtungserfolg gelang. Doch auch mit Lisa Klein, Liane Lippert, Franziska Koch oder Tanja Erath ist durchaus zu rechnen.

Positive Entwicklung dank UCI-Reformen

Dass der Frauenradsport solch eine positive Entwicklung nimmt, liegt nicht zuletzt an der UCI, welche den Sport in den vergangenen Jahren nach und nach umkrempelte. Im Zuge dieser Reformen nahm der Radsport-Weltverband Rennveranstalter sowie die Teams in die Pflicht.

So müssen die WorldTeams nun eine Reihe von Bedingungen erfüllen, die vor allem die Trainings- und Lebensbedingungen der Fahrerinnen betrifft. Dazu zählt die Auszahlung eines Mindestgehalts sowie Kranken- und Urlaubsgeld. Hinzukommen Lohnfortzahlungen während des Mutterschutzes.

Preisgeld: Es ist noch viel Luft nach oben

Trotz aller Verbesserungen ist es bis zur Gleichstellung zwischen Frauen und Männern noch ein weiter Weg. So fahren die Frauen auch in dieser Saison nur drei der fünf Radsport-Monumente. Über Pläne, die fehlenden beiden Monumente Mailand - Sanremo sowie die Lombardei-Rundfahrt für die Frauen zu öffnen, ist nichts bekannt.

Luft nach oben gibt es auch beim Thema Preisgeld. Noch immer gewinnen die Fahrerinnen einen Bruchteil dessen, was die Männer für einen Sieg einfahren. Es gibt jedoch erste Bemühungen, diese Lücke zu schließen. Erst im Februar verkündete der Veranstalter der Flandern-Rundfahrt, als erstes WorldTour-Event Frauen und Männern das gleiche Preisgeld auszuschütten. "Das motiviert vielleicht andere Veranstalter und die UCI, den positiven Weg weiterzugehen", hofft Olympiasiegerin Lisa Brennauer. "Aber grundsätzlich sind wir noch nicht da, wo wir im Frauenradsport hinmöchten."