Der Japan-Reiseblog von Julia Linn Olympia-Tagebuch - Nach der Quarantäne ist vor dem Notstand

Stand: 08.07.2021 16:37 Uhr

Tokio ruft wieder den Notstand aus. Und bei uns Quarantäne-Insassen wächst die Sorge: Wie wird das, wenn auf die Olympia-Quarantäne der Notstand folgt?

Von Julia Linn (Tokio)

Alle hatten mit dieser Entscheidung gerechnet, jetzt ist es offiziell: Wenn am Sonntag der Quasi-Notstand in Tokio endet, beginnt ein neuer, strengerer Notstand. Für die Olympia-Stadt schon der vierte.

Der Grund: In Tokio steigen die Corona-Zahlen besorgniserregend – heute wurden 896 neue Fälle gemeldet. So viele wie seit Mitte Mai nicht mehr. Und: Der Anteil der Delta-Variante steigt, aktuell liegt er bei 30 Prozent.

Was wir von der Corona-Lage mitbekommen

Am anderen Ende der Welt und die Corona-Lage spitzt sich zu. Das ist kein gutes Gefühl. Und so ganz real fühlt es sich sowieso nicht an, denn in unserer kleinen Quarantäne-Welt bekommen wir von der aktuellen Lage draußen relativ wenig mit. Wir lesen japanische Nachrichten, beobachten die Corona-Zahlen - aber selbst erleben ist kaum möglich.

Im Hotel-Fahrstuhl hängen Schilder: Wir sollen Hände waschen, Maske tragen und überfüllte Plätze meiden. Klar - das kennen wir. Überall stehen Desinfektionsmittel-Spender bereit. Im Supermarkt nutzen das auch fast alle Kunden. Alle tragen Maske - auch draußen. Aber das haben viele hier auch schon vor der Pandemie gemacht. So ist Corona für uns hier spürbar, wenn wir kurz unser Zimmer verlassen dürfen. Am deutlichsten wird es für uns aber wohl durch die ewige Quarantäne.

Werden es für mich Olympische Spiele ohne Olympische Spiele?

Jetzt wissen wir: Wenn wir hier am Samstag rauskommen, folgt bald darauf der nächste Notstand - keine Ausgangsperren, aber der Appell, möglichst zu Hause zu bleiben. Welch Aussicht! Was uns sowieso schon bewusst war, wird immer klarer: Über diese Olympischen Spiele zu berichten, wird eine besondere Aufgabe.

Zuschauer wird es in Tokio nicht geben - das gab es noch nie in der Geschichte der Olympischen Spiele. Und auch für uns Journalisten wird es gar nicht so einfach, die Wettkämpfe zu besuchen. Gut möglich, dass ich kein Stadion von innen sehen werde - wegen Corona gibt es nur wenige Plätze auf den Tribünen. Sumimasen, Verzeihung, heißt es von den Organisatoren. Olympische Spiele ohne Olympische Spiele - ein schräger Gedanke.

Übrigens: Ein Feierabendbier mit dem Team wird es wohl auch nie geben. Denn Notstand bedeutet auch Alkoholverbot in allen Bars und Restaurants. Und für viele Japaner ein echter Einschnitt: Karaokeverbot.

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.