Der Japan-Reiseblog von Julia Linn Gestatten: Unsere persönliche Quarantäne-Polizei

Stand: 06.07.2021 09:55 Uhr

In der Olympia-Quarantäne sind die sozialen Kontakte überschaubar. Die eigene kleine Reise-Gruppe, der Supermarkt-Verkäufer – und dann sind da unsere Aufpasser, die langsam zu Freunden werden.

Von Julia Linn (Tokio)

Quarantäne bedeutet vor allem Kontrolle. Nicht nur unsere Gesundheit wird getrackt, sondern auch, wann wir für kurze Supermarkt-Ausflüge das Haus verlassen. Ken und Seiya haben uns dafür immer im Blick. Die beiden sind unsere Aufpasser.

Als wir Ken und Seiya bei unserer Ankunft in diesem Hotel das erste Mal sehen, werden sie gerade dem Personal in der Lobby vorgestellt. Sie tragen Uniformen mit der Aufschrift "Security". Wir haben da so eine Ahnung: Sind die jetzt etwa nur für uns hier?

"I try to be Security"

Später sitzt Ken neben einem großen Schild: "Regeln fürs Verlassen des Hotels, Tokyo 2020".  Während unserer 14-tägigen Quarantäne müssen wir uns mit Namen und Zimmer-Nummer eintragen, wenn wir kurz rausgehen. Ken streckt uns ein Klemmbrett entgegen. Sumimasen, sagt er dazu, Verzeihung. Wir fragen, ob er und sein Kollege unsere Aufpasser sind: "I try to be Security" – er versucht es.

Für den Job versucht Ken, überhöflich und übergenau zu sein, hat die Uhr dabei immer im Blick. Uns ist klar: Die 15 Minuten Ausgang überziehen wir nicht um eine Sekunde. Sein Kollege Seiya vermeidet die Kommunikation mit uns, abgesehen von "Sumimasen". Mehrmals am Tag tragen wir uns in ihre Liste ein – Zimmer, Name, Uhrzeit. Wir sind wirklich die Einzigen.

Zwölf Stunden warten – nur wegen uns

Nach und nach taut Ken auf: Seine Freunde nennen ihn Kentee, erfahren wir – wir dann jetzt auch. Kentee studiert Wirtschaft, Seiya Französisch. Die beiden sind Unifreunde, haben sich z,usammen auf den Job beworben. Im Security-Dienst hat zuvor keiner von ihnen gearbeitet.

Zwölf Stunden lang dauert eine Aufpasser-Schicht. Kenntee und Seiya wechseln sich ab, manchmal sitzen sie auch zu zweit in der Lobby. Zwischendurch dürfen sie sich hinlegen, jeder hat ein kleines Zimmer. Zwölf Stunden sitzen und warten, ob wir zwischendurch rausgehen. Kentee und Seiya vertreiben sich die Zeit mit Filmen und Büchern.

Ihre Tage und Nächte müssen wahnsinnig lang sein. Mittlerweile freuen sie sich richtig, wenn einer von uns aus dem Aufzug steigt, zumindest eine kleine Abwechslung. Seiya winkt fröhlich – Englisch kann er nicht so gut. Aus Kentees "Sumimasen - Verzeihung" ist ein "Hey Leute, genießt eure 15 Minuten" geworden. Auch ein Foto mit meiner Kollegin Katharina und mir ist drin. Schließlich sind wir auch irgendwie Verbündete.

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.