Der Japan-Reiseblog von Julia Linn Bye bye Olympia-Quarantäne: Der Countdown läuft

Stand: 09.07.2021 16:37 Uhr

Es ist der letzte Tag meiner Quarantäne. Den letzten PCR-Test habe ich gemacht – wenn der nicht unerwartet positiv ausfällt, darf ich morgen raus. Über Quarantäne-Erkenntnisse und Vorfreude.

Von Julia Linn (Tokio)

Fahr' nach Tokio, haben sie gesagt. Es wird eine einmalige Erfahrung, haben sie gesagt. Jetzt sitze ich hier seit 14 Tagen in Quarantäne, Tag 15 in Japan wird mein erster Tag in Freiheit sein. Es stimmt: Dieser Start als Olympia-Reporterin war wirklich eine einmalige Erfahrung.

Vor allem die erste Woche fühlt sich an wie Knast - nur ohne Hofgang. Kein Tageslicht, keine anderen Menschen, wenig Essen. Sumimasen - Verzeihung, sagen die Hotelangestellten jedes Mal, wenn sie eine neue Wasserflasche bringen. Es ist so ziemlich die einzig echte zwischenmenschliche Kommunikation.

Eine Askese-Erfahrung, die ich so nicht geplant hatte

Mehrmals in der Stunde der Blick auf die achteckige Uhr aus Fake-Holz, dabei will ich eigentlich gar nicht die Stunden und Minuten zählen. Was hilft: Arbeit - Recherche und Vorbereitungen für die Zeit nach der Quarantäne, was eben vom Schreibtisch aus möglich ist. Der größte Lichtblick: Sport mit meinen Mitinsassen per Videokonferenz.

Trotzdem: Die Decke kommt gefühlt immer näher, die Tage nehmen kein Ende. Irgendwann erwische ich mich selbst beim handlungsbegleitenden Sprechen: "So, jetzt geh' ich mal an meinen Koffer. Ach Mensch, welchen Müsliriegel esse ich denn heute?" Oh Gott, drehe ich jetzt durch? Ich schwöre mir selbst, sofort damit aufzuhören.

Den Fokus nicht verlieren

Selbstdisziplin, das ist es wohl, was ich am meisten in den vergangenen zwei Wochen gelernt habe: Sich selbst jeden Morgen aufraffen, um Sport zu machen. Jeden Tag mehrere Stunden an den Schreibtisch setzen, obwohl das, worauf man hinarbeitet, noch so weit entfernt scheint. Eine eigene Tagesstruktur schaffen, obwohl man vom Tag da draußen so wenig mitbekommt. Bloß den Fokus nicht verlieren, sonst dreht man durch.

"Ich kann nicht aufhören zu lachen"

Aber jetzt ist es soweit: Der letzte Quarantäne-Tag ist angebrochen. Ich spüre schon, wie die Last von mir abfällt und ich langsam hibbelig werde. Es fühlt sich fast an wie der Tag vor Weihnachten - nur dass ich mein größtes Geschenk schon kenne.

Übrigens: Auch unser Quarantäne-Freund Walter darf morgen raus, einen Tag früher als erwartet. Warum das jetzt plötzlich möglich ist, weiß er auch nicht. "Ich kann nicht aufhören zu lachen", sagt Walter mir am Telefon. Ich weiß ganz genau, was er meint. Wir sind zwar nicht mehr im selben Quarantäne-Knast, aber teilen unsere Vorfreude - endlich Freiheit, endlich das Olympia-Land erkunden.

Zur Person: Julia Linn arbeitet für den WDR und im ARD-Studio Tokio und berichtet hier täglich von ihren Erfahrungen bei den Olympischen Spielen in Tokio.