Corona-Notstand in Tokio Verständnis bis Verwunderung: So reagieren die Sportler auf olympische Geisterspiele

Stand: 09.07.2021 11:33 Uhr

Die Olympischen Spiele in Tokio werden vor leeren Rängen stattfinden. Der dort ausgerufene Corona-Notstand lässt keinen Spielraum. Bei den Sportlern herrscht vor allem Enttäuschung über die Entscheidung vor. Einige fühlen sich im Vergleich zum Fußball auch ungerecht behandelt.

Australiens Tennisstar Nick Kyrgios scheut sich nicht vor unpopulären Entscheidungen. Der 26-Jährige hat seine ganz eigenen Vorstellungen, deshalb reist er - anders als die anderen Tennis-Profis - meistens auch ohne Trainer durch die (Tennis-) Welt. Und auch sonst ist er eigenwillig.

Nun hat Kyrgios seine Teilnahme an den Olympischen Spielen abgesagt. Der von der japanischen Regierung am Donnerstag (08.07.2021) verhängte Corona-Notstand lässt für das Internationale Olympische Komitee (IOC) keine andere Möglichkeit als Geisterspiele zu. Dieses Zuschauerverbot sei bei seiner Entscheidung ein wichtiger Faktor gewesen, sagte der Australier am Freitag (09.07.2021).

Zuletzt hatte Kyrgios, der sich in der vergangenen Woche während des Wimbledon-Turniers verletzt hatte, bereits Zweifel geäußert. "Der Gedanke, vor leeren Stadien zu spielen, passt einfach nicht zu mir. Das hat er nie", schrieb er in den sozialen Medien: "Ich möchte einem gesunden australischen Athleten, der bereit ist, das Land zu repräsentieren, die Gelegenheit nicht nehmen."

Schwanitz: "Ärgerlich aber nachvollziehbar"

Bei den deutschen Athletinnen und Athleten, die sich für Tokio qualifiziert haben, gibt es derartig begründete Absagen bislang hingegen nicht. Es herrscht zwar Enttäuschung ob der leeren Ränge in den Stadien vor, aber auch Verständnis. "Das ist total schade. Mal sehen, ob sich die Sportler jetzt gegenseitig anfeuern, damit man wenigstens ein bisschen Stimmung bekommt", sagte Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz bei "Sport im Osten" im MDR.

"Es war von vorne herein klar, dass es nicht solche Olympischen Spiele werden, wie sie es mal waren. Dass jetzt auch noch die Zuschauer fehlen, ist ein bisschen ärgerlich, aber man kann es nachvollziehen", sagte Schwimmer Marek Ulrich bei "Sport im Osten".

Seitz: "Geisterspiele die richtige Entscheidung"

So ist die große Mehrheit erst einmal froh, dass die Olympischen Spiele mit einem Jahr Verspätung stattfinden werden. Für viele Athletinnen und Athleten wäre eine Absage "ein Riesenschock" gewesen, sagte Kunstturnerin Elisabeth Seitz im "ZDF heute-journal".

Sie sei "sehr dankbar", dass die Spiele tatsächlich stattfinden. "Und das ist für uns Sportler schon einmal ein Riesen-Geschenk. Und wir versuchen trotzdem, einfach unser Bestes zu geben und alles bestmöglich zu genießen, selbst wenn es andere Spiele sind als sonst", sagte die 27-Jährige. Geisterspiele seien die richtige Entscheidung: "Denn Sicherheit geht am Ende immer vor."

Für die amerikanische 100-Meter-Hürden-Weltrekordhalterin Kendra Harrison macht das Fernbleiben der Zuschauer kaum einen Unterschied. "Wenn man mit den Besten der Welt in einer Reihe steht, macht man sich nicht wirklich Gedanken darüber, wer auf der Tribüne sitzt", sagte Harrison gegenüber Kentuckys Spectrum News 1.

Deutsche Sportler beklagen Ungleichbehandlung

Auf etwas mehr Unverständnis trifft bei einigen allerdings der Umstand, dass beim Finale der EURO 2020 im Londoner Wembley-Stadion zwischen England und Italien am Sonntag 60.000 Zuschauer zugelassen sind - und sie selber vor leeren Rängen ihre Wettkämpfe abhalten müssen. Die britische Regierung um Premierminister Boris Johnson hat die Freigabe für diese Stadionauslastung erteilt.

"Olympia ohne wenigstens ein paar Zuschauer ist verdammt schade. Beim Allvater Fußball zeigt sich wieder, dass andere Gesetze gelten", sagte Speerwerfer Johannes Vetter bei Sport1. "Trotzdem sind und bleiben es Olympische Spiele und wir sind alle professionell genug, um mit der Situation umgehen zu können."

"Über Fairness brauchen wir da nicht zu sprechen, aber dennoch ist es eine vernünftige Entscheidung. Fußball ist uns einfach noch eine Nummer voraus. Ich bin gespannt, wie es vor Ort ist. Ich freue mich trotzdem darauf. Wir haben noch ein Jahr länger warten müssen. Jetzt geht es endlich los", sagte Schwimmer Marco Koch im Deutschlandfunk.