Olympia | Skispringen Nach Skandal im Mixed-Team: Entsetzen und eine Hüttel-Forderung

Stand: 08.02.2022 11:55 Uhr

Das olympische Skisprung-Mixed wurde ein unrühmlicher Wettbewerb für die Geschichtsbücher. Aus dem Deutschen Skiverband wird nun eine Aufarbeitung der Disqualifikationen gefordert.

Ein historischer Wettkampf war das erste Skisprung-Mixed am Montag (07.02.2022): nicht nur, weil es der erste Olympia-Team-Wettbewerb für die Frauen war. Sondern auch, weil die Veranstaltung als erster Skisprung-Wettkampf mit fünf Disqualifikationen in die Geschichte eingegangen ist.

Fünf Weltklasse-Athletinnen waren nicht durch die Materialkontrolle gekommen. Auch nach dem Wettkampf auf der neuen Schanze in Zhanjiakou reißen die Diskussionen und die Kritik nicht ab.

Hüttel: "Lege meine Hand ins Feuer"

"So etwas darf nie wieder passieren", sagte Horst Hüttel, Sportdirektor für Skisprung und Nordische Kombination am Dienstagmorgen (08.02.2022), in der Sportschau. Zur Frage, ob er eine bewusste Manipulation der Skispringerinnen ausschließen könne, erklärte Hüttel:

"Es wurde nicht getrickst. Die Mädels sind ja nicht bescheuert. Wir wissen, es wird kontrolliert. Wir wissen, das ist das größte Schaufenster, das die Mädchen haben. Das Risiko geht keine ein. Da lege ich die Hand ins Feuer."

Fünf Sportlerinnen disqualifiziert

Bei der Oberstdorferin Katharina Althaus und vier weiteren Sportlerinnen waren nicht eng genug anliegende Hüftbänder oder zu große Abstände am Oberschenkel festgestellt worden.

Althaus: "Sportart wurde beschädigt"

In der Nacht zu Dienstag (MEZ) machte Althaus ihrem Ärger auf Instagram Luft. "Unsere Sportart wurde dadurch beschädigt. Es wurden Sportler und ihre Träume kaputt gemacht. Es tut mir leid aber ich wurde in 11 Jahren noch NIE!!! disqualifiziert", schimpfte die Silbermedaillengewinnerin im Einzel von der Normalschanze.

Stecher: "Wie bei einem Zeltverleih"

Nicht nur im deutschen Team sorgten die von Hüttel als "skandalös" und von Bundestrainer Stefan Horngacher als "Kasperletheater" bezeichneten Disqualifikationen für großen Ärger.

Österreichs Skisprung-Direktor Mario Stecher sprach von einem "enormen Imageschaden für den Skisprungsport" und zog im österreichischen TV-Sender ORF folgenden Vergleich: "Im Weltcup sind die Anzüge manchmal so groß wie bei einem Tiroler Zeltverleih, und auf einmal wird hier streng kontrolliert."

Im norwegischen TV NRK bezeichnete es Manager Clas Brede Brathen als "surreal", dass gleich fünf international profilierte Athletinnen rausgefischt wurden. Brathen kritisierte wie bereits Stecher die offensichtliche Verschärfung der Kontrollen während Olympia. "Wir sollten vor den Olympischen Spielen aufräumen. Das Skispringen erlebt heute einen seiner dunkelsten Tage."

"Hoffe, das passiert nie wieder"

Die disqualifizierte Opseth sagte in einer ersten Reaktion, sie sei "einfach nur schockiert. Ich verstehe nichts von dem, was heute passiert.“ Auch Teamkollege Robert Johansson reagierte schockiert: "Ich hoffe, das passiert nie wieder jemandem. Das ist völlig verrückt."

Der für die Materialkontrolle zuständige Finne Mika Jukkara hatte die Regeln, wonach der Anzug eng anliegen muss, offenbar sehr streng ausgelegt. Bei Männern darf beispielsweise das Hüftband nur 1 bis 3 Zentimeter abstehen, bei den Frauen 2 bis 4 Zentimeter.

Während die Anzüge der Skispringerinnen im Frauen-Einzel am Samstag für die Polin Aga Baczkowska noch regelkonform waren, monierte Jukkura dieselben Anzüge offenbar als zu locker anliegend. So reklamierte es zumindest das disqualifizierte Quintett.

Inspekteurin Baczkoswka: "Keine angenehme Situation"

Baczkoswka, die auch beim Mixed-Wettkampf zur Materialkommission gehörte, erklärte, dass sich die Jury vorbehalte, bei verschiedenen Wettkämpfen an unterschiedlichen Stellen des Anzugs zu kontrollieren. Zudem sagte die Polin, dass alle Teams bereits zuvor Verwarnungen erhalten hatten.

"Die Kontrollen und Disqualifikationen waren unsere Reaktion darauf", sagte die Beauftragte des Weltverbandes FIS dem polnischen Portal "skokipolska.pl". Im Gespräch mit dem norwegischen TV-Sender NRK ergänzte sie: "Es ist keine angenehme Situation, und es tut mir sehr leid für all die Athleten, die disqualifiziert wurden. Aber Regeln sind Regeln für alle."

Hüttel: "Darf nie wieder passieren"

Hüttel forderte in der Sportschau eine Aufarbeitung des vielfach als "Skandal" bezeichneten Wettkampfes "So etwas darf nie wieder passieren", sagte der Funktionär des Deutschen Skiverbandes: "Ich sehe Renndirektor Sandro Pertile in der Pflicht. Ich hoffe, dass man das aufbereitet und dass er den Weg zu den Mädchen findet."

Für Althaus, Takanashi und Co. enden die Olympischen Spiele von Peking und die Mixed-Premiere trotzdem mit einigem Frust. Die bereits 38-jährige Iraschko-Stolz reist statt mit einer Medaille mit einer Disqualifikation von ihren letzten Winterspielen ab. Und Althaus? "Ihr geht es nicht gut. Sie hat versucht, sich heute abzulenken", berichtet Hüttel. "Katha ist heute im olympischen Dorf, um auf andere Gedanken zu kommen. Sie ist natürlich noch frustriert. Der Schmerz sitzt tief."