Olympia | Peking Die olympische Goldrinne geplant von zwei Deutschen

Stand: 06.02.2022 08:38 Uhr

Der fliegende Drachen speit zwar kein Feuer, ist aber trotzdem ein bisschen furchteinflößend. Die olympische Bob- und Rodelbahn schlängelt sich in Form eines Urzeitwesens über fast zwei Kilometer Richtung Tal.

So was gab es noch nie im Kufensport. So groß, so komfortabel, so teuer. Aber die Meinungen darüber gehen auseinander. "Eine Bahn der Superlative, absolut beeindruckend", sagt Francesco Friedrich, der Olympiasieger im Bob. "Alles viel zu protzig, das muss nun wirklich nicht sein", kontert Felix Loch, der Rekordweltmeister im Rennrodeln.

Einer der Mitplaner des Ungetüms ist Thomas Schwab. Im Hauptberuf Vorstandschef des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland, Nebenbei ist er auch bei jedem olympischen Neubau in beratender Funktion mit dabei. 2016 war er zum ersten Mal in Yanqing. Damals wurde noch nach einem geeigneten Ort für die olympische Eisrinne gesucht.

"Da ist bei 32 Grad und extremer Luftfeuchtigkeit einer mit einer Machete vor uns her gelaufen. Da hast Du gedacht, Du bist im Dschungel", erinnert sich Schwab. Der Wald war danach schnell weg und die weitere Ausgestaltung übernahm das Planungs-Büro von Uwe Deyle in Stuttgart, einer von zwei Experten weltweit.

500 Millionen Euro kostet die Olympiabahn in China

Deyle konzipierte nach den Vorgaben der Kommission der internationalen Verbände, aber auch nach denen der Bauherren in China. Durchschnittlich kostet eine Olympiabahn zwischen 80 und 100 Millionen Euro. Den Bau in China schätzt Thomas Schwab auf 500 Millionen. Bei Wikipedia sind allerdings 2,5 Milliarden Dollar Baukosten vermerkt. "Die Zahlen sind frei aus der Luft gegriffen. Vielleicht wollten die das in Yuan angeben", amüsiert sich Schwab.

Sein Verband hätte sich alles auch deutlich kleiner vorgestellt, aber die Chinesen bestanden auf neuen Straßen, einem Megahotel über der Kurve 13 und einem üppigen Sessellift: "Wenn unsere sportlichen Anforderungen erfüllt sind, haben wir keinen Einfluss mehr auf die Wünsche des Bauherrn. Die Chinesen wollen hier ein riesiges Touristikzentrum errichten, mit Hobbyrodeln, Taxibob-Fahrten und Ice-Tube-Fun“, erklärt der deutsche Verbandsboss.

"Keine Zeit zum Überlegen"

Vielleicht wurde auch deshalb alles ganz genau genommen beim Bau. Die Bahn steht auf 1.000 Betonpfählen, die bis zu 17 Meter in die Erde gehen. Ausgegraben von Hand. "Immer einen Meter pro Tag und möglichst mit zwei Familienmitgliedern. Denn am Ende mussten die Arbeiter unten mit Sauerstoff versorgt werden. Ein Vertrauensjob", so Schwab.

Herausgekommen ist eine extrem abwechslungsreiches Geschlängel, 16 Kurven eine Bergaufpassage, der längste 360 Grad-Kreisel der Welt und eine knifflige Startkombination. "Du hast immer eine neue Aufgabe, keine Zeit zum Überlegen. Da kommt keine Langeweile auf", sagt Felix Loch.

Das Yanqing Sliding Center soll auch im Weltcup genutzt werden

Genau so soll es nach den Vorstellungen der Verantwortlichen auch sein. "Wenn Du alle Wünsche der Trainer und Athleten erfüllen willst, wird es am Ende potteinfach", bestätigt Thomas Schwab, der sich freut, dass in den vergangenen Jahren alle Olympiastrecken auch danach im Weltcup genutzt wurden. So soll es auch mit dem Yanqing Sliding Center passieren. Und schließlich muss sich der Deutsche auch noch um die Sicherheit kümmern.

Nach der gefährlichen Hochgeschwindigkeit-Bahn in Whistler vor zwölf Jahren und dem tödlichen Unfall des georgischen Rennrodlers Nodar Kumaritaschwili, wurde das Tempolimit eingefroren auf 135 km/h. Schneller darf keine Bahn mehr sein. Auch nicht die in Cortina bei den nächsten Spielen in vier Jahren. Auch die wird wieder mit geplant von Thomas Schwab und konzipiert vom Büro Deyle. Aber alles deutlich kleiner und günstiger als in China.