Corona-Notstand Olympia in Tokio vor leeren Rängen

Stand: 08.07.2021 19:25 Uhr

Nach der erneuten Verhängung des Corona-Notstands für Tokio haben die Olympia-Organisatoren den Ausschluss aller Zuschauer von den Wettbewerben in Japans Hauptstadt beschlossen. Das gilt auch für drei Nachbarpräfekturen.

Die historische Entscheidung fiel innerhalb weniger Stunden, ihre Auswirkung wird weltweit unübersehbar sein: Erstmals in der Olympia-Geschichte werden in Tokio und drei Nachbarpräfekturen alle Zuschauer aus den Stadien ausgeschlossen. Der kurz zuvor von der japanischen Regierung verhängte Corona-Notstand ließ keine andere Wahl als Geister-Spiele. Das gigantische Sport-Highlight, das am 23. Juli beginnen soll, wird zu einem TV-Event - die Athletinnen und Athleten müssen sich auf freudlose Wettkämpfe ohne Stimmung von den Tribünen einstellen.

Gouverneurin empfindet "herzzerreißenden Kummer"

"Wir haben eine Einigung erzielt, keine Zuschauer zu den Sportstätten in Tokio zuzulassen", sagte Olympiaministerin Tamayo Marukawa nach den Gesprächen zwischen Japans Regierung, dem Olympia-OK, der Stadtverwaltung von Tokio und dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) am Donnerstagabend (08.07.2021). "Ich empfinde herzzerreißenden Kummer über diese Entscheidung", erklärte Tokios Gouverneurin Yuriko Koike.

IOC-Präsident Thomas Bach, der am Mittag auf dem internationalen Flughafen Haneda gelandet war, hatte zuvor angekündigt, "alle Maßnahmen zu unterstützen, die erforderlich sind, um sichere Olympische und Paralympische Spiele für die Japaner und alle Teilnehmer zu gewährleisten".

Entscheidung ohne Alternative

Organisationschefin Seiko Hashimoto sprach von einer "sehr schwierigen Entscheidung", die letztlich ohne Alternative war. Das sieht auch die deutsche Delegation so, die nach und nach in Tokio ankommt. Für DOSB-Präsident Alfons Hörmann ist der Beschluss zwar "schmerzvoll", doch "so gerne wir alle Zuschauer in den Stadien hätten, muss die Sicherheit für die Athleten und die Bürger in Japan an erster Stelle stehen", sagte er in einer ersten Reaktion: "Besser Olympische Spiele ohne Zuschauer als die aktuellen Szenarien mit voll besetzten Stadien und hohem Infektionsrisiko."

Ausrufung des Notstands unvermeidlich

In Tokio und den umliegenden Präfekturen steigen die Infektionen, der nächste Notstand - von Montag bis zum 22. August - war unvermeidlich. "Angesichts der Auswirkungen der neuen Varianten müssen wir die Maßnahmen verstärken, um Infektionen nicht erneut in Japan zu verbreiten", sagte Premierminister Yoshihide Suga, der wegen seines Pandemie-Managements in der Kritik steht.

Eventuell Zuschauer in anderen Landesteilen

Tatsächlich zeigt die Kurve in die falsche Richtung: Am Donnerstag wurden in der Hauptstadt 896 neue Fälle registriert, ein Drittel mehr als eine Woche zuvor. In Tokio finden die meisten Wettbewerbe statt, wenige sind auf den Rest des Landes verteilt. Ob wenigstens dort Zuschauer zugelassen werden, müssen die Organisatoren mit den lokalen Behörden vor Ort abstimmen.

Organisatoren klammerten sich ans Prinzip Hoffnung

Der finale Beschluss ist der vorläufige Gipfel einer Entwicklung, die das IOC um Bach und die japanischen Ausrichter lange kleingeredet hatten. Die Spiele sollten nach der Verlegung um ein Jahr das "Licht am Ende des Corona-Tunnels" sein, doch schon der Fackellauf war kaum öffentlich zugänglich. Im März wurden ausländische Fans ausgeschlossen, und doch klammerten sich die Organisatoren an das Prinzip Hoffnung. Erst im Juni war vor dem Hintergrund sinkender Fallzahlen ein Limit von 10.000 Fans oder der Hälfte der Kapazität jedes Austragungsortes festgelegt worden.

Nun sind die Fans vor die Fernseher verbannt. Völlig verwaiste Tribünen werden sie dort dennoch nicht sehen, spezielle Gäste dürfen voraussichtlich in die Stadien und Hallen: hochrangige Funktionäre, deren Gäste und Sponsorenvertreter. Das Geschäft muss schließlich weiterlaufen, Stimmung wird aber nicht aufkommen.

Athleten fordern Nachbesserungen

Unterdessen äußerte der Verein Athleten Deutschland Verständnis für die Entscheidung, die Olympischen Sommerspiele in Tokio unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Zugleich forderte die Athletenvertretung die Organisatoren zu Nachbesserungen bei Hygiene- und Sicherheitsvorschriften auf.

"Grundsätzlich dürfen die Organisatoren im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht keine Kosten und Mühen scheuen, um mit allen Mitteln und Maßnahmen das Infektionsrisiko für alle Beteiligten zu reduzieren. Dies gilt auch für die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften."

Diese seien zwar Stück für Stück verschärft worden, entsprächen aber immer noch nicht internationalen Standards aus professionellen Ligen. Die vorgetragenen Bedenken seitens Wissenschaft und Athletenvertretungen müssten dringend ernst genommen werden.