Cybersicherheit in China Cybersicherheit in China: Olympia bei potenziellen Angreifern

Stand: 08.02.2022 03:40 Uhr

Lange vor den Winterspielen warnten Experten vor Überwachung und Datenklau. Doch DOSB-Präsident Weikert geht bemerkenswert sorglos mit dem Problem um.

Von ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, Jörg Winterfeldt, Sebastian Krause

So recht raus mit der Sprache wollte Deutschlands oberster Chef für Cybersicherheit nicht, als er vor einigen Tagen zur bevorstehenden China-Reise der deutschen Olympia-Delegation befragt wurde.

Sicher, sein Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) habe den Deutschen Olympischen Sportbund wegen der bevorstehenden Reise beraten, sagte Arne Schönbohm, der BSI-Präsident, aber man möge verstehen, dass er weder spezifisch zu China noch zu der Beratung Auskunft geben wolle: "Was immer wir sagen würden und öffentlich kommunizieren, dient natürlich auch den Angreifern.“

Bloß keine sensiblen Daten mitnehmen

Und davon gibt es offenkundig reichlich in China. Deswegen haben neben Deutschland viele weitere Nationen ihren Olympiafahrern geraten, bloß keine sensiblen Daten mitzunehmen und möglichst auf Wegwerfhandys und ausrangierte Laptops zurückzugreifen. Zahlreiche Medienvertreter meiden vor Ort ihre Redaktionsnetzwerke und arbeiten auf Hardware, die nach dem China-Trip entsorgt wird.

Ein führender Vertreter der maßgeblichen US-Sicherheitsbehörde nimmt im Gegensatz zu seinem deutschen Kollegen kein Blatt vor den Mund: "China ist unübertroffen“, sagt Rob Joyce, Direktor für Cybersecurity der National Security Agency: "Was die Zahl der Cyber-Akteure angeht, übertrifft China den gesamten Rest der Welt zusammen."

Schweigen, wenn es um China geht

Weil eine Interviewanfrage bis heute unbeantwortet ist, mussten dem BSI-Präsidenten Schönbohm die Fragen in einer Pressekonferenz eines IT-Sicherheitskongresses gestellt werden. Schönbohm untersteht dem Bundesinnenministerium.

Und die deutsche Regierung hat in allen öffentlichen Stellungnahmen zu Pekings Propagandaspielen bemerkenswert herumgeeiert, sodass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, die Tatsache, dass China inzwischen fünf Jahre in Folge wichtigster Handelspartner Deutschlands war, mache viele deutsche Politiker schweigsam.

Olympia-App mit Späh-Funktionen

Dabei müsste Schönbohms Behörde eine Schlüsselposition zukommen beim Schutz des deutschen Olympia-Teams, denn neben den pandemischen Bedrohungen stellen auch Datenangriffe ein großes Risiko in China dar.

Das flog schon vor den Spielen auf, als sich die Olympiareisenden aus aller Welt eine chinesische App herunterladen mussten, die offiziell durch die Erfassung von Gesundheitsdaten angeblich der virologischen Vorsorge dienen sollte.

App "My2022" könne auch Chinas Gesetze verletzen

Doch die Olympia-App My2022 kann laut ihrer Programmierung weitaus mehr. Sie hat auch eine Chat-Funktion zum Kommunizieren. Die Überwachung der Chats kann bei Bedarf aktiviert werden.

Experten vom renommierten Citizen Lab der Universität Toronto haben bei der Analyse der App entdeckt, dass dann für China sensible Begriffe wie "Tibet", "uigurisch" oder "Platz des himmlischen Friedens" gefunden und geblockt werden können.

Im Citizen-Lab-Gutachten steht zudem, die App könne "nicht nur die Software-Regeln von Google und Apple verletzen, sondern auch Chinas eigene Gesetze". Und ihre Sicherheitsmaßnahmen seien "völlig unzureichend, um zu verhindern, dass sensible Daten unberechtigten Dritten zugänglich gemacht werden".

Absaugen von E-Mails und Nachrichten

Athleten und Athleten-Vertreter waren schon lange vor der Anreise alarmiert. Und besorgt. "Es ist verantwortungslos, alle Teilnehmenden zu der Nutzung einer solchen App zu verpflichten, wenn diese App so gravierende Sicherheitsmängel hat“, sagte Maximilian Klein von Athleten Deutschland der ARD.

DOSB-Präsident Thomas Weikert ist da wesentlich sorgloser. Der neue Boss des deutschen Dachverbandes, der in seinem vorherigen Job als Präsident des Tischtennis-Weltverbandes regelmäßig in China weilte, nutzt wie bei allen Reisen zuvor auch diesmal sein privates Handy. Das betonte Christian Sachs, beim DOSB der Verbindungsmann zu den Sicherheitsbehörden. Wie viele Athletinnen und Athleten es wie Weikert halten, könne er nicht sagen: "Wir geben nur Empfehlungen, mehr nicht.“

"Dorn im Auge"

Deutsche Sicherheitskreise haben der ARD noch vor wenigen Tagen bestätigt: Es sei damit zu rechnen, dass sämtliche elektronische Kommunikation abgesaugt werde. "Wenn ich mich dort bewege, ist es ja so, dass die E-Mails, die ich verschicke, die Anrufe, die ich tätige und die Nachrichten, die ich verschicke, alle über das chinesische Kommunikationsnetz laufen. Dort können sie gespeichert werden. Dort können sie, vor allem wenn sie unverschlüsselt sind, auch eingesehen werden. Und dass die Betreiber dieser Kommunikationsnetze die Daten im Zweifelsfall an die Sicherheitsbehörden geben, ist auch klar“, sagt Sven Herpig vom Think Tank Stiftung Neue Verantwortung.

Ein Gefühl von Totalüberwachung durch den chinesischen Staat bekommen auch die Olympia-Reisenden, die sich nur in einer streng abgeschotteten Olympia-Blase bewegen dürfen: Kameras überall. "Ich denke, sicher kann hier kein Sportjournalist sein, weil es erwiesen ist, dass Journalisten der Regierung hier ein Dorn im Auge sind", sagt Tamara Anthony, Korrespondentin der ARD in Peking. "Und wenn die Regierung es will, dann haben sie die Mittel und können es - und teilweise wollen sie es eben auch: alle Journalisten ausforschen.“