IOC weiter in der Kritik Klitschko warnt Bach - "Nicht zum Komplizen des Krieges" machen

Stand: 31.01.2023 21:53 Uhr

Das IOC steht international wegen der möglichen Wiederzulassung russischer und belarusischer Sportler in der Kritik. Während Russland die Zulassung fordert, widerspricht Wladimir Klitschko. Auch aus Deutschland gibt es Stimmen.

Wladimir Klitschko - früherer Boxweltmeister und Olympiasieger von 1996 - nahm in einer Videobotschaft Stellung zu den Plänen des Internationalen Olympischen Komitees und dessen Präsidenten Thomas Bach, russischen und belarusischen Sportlern die Rückkehr in den Weltsport als "Neutrale Athleten" zu ermöglichen.

Appell an Bach

Gefilmt vor einem zerstörten Haus sagte der Ukrainer: "Heute sind Russen Olympiasieger in Verbrechen gegen Zivilisten. Sie gewinnen die Goldmedaille in der Verschleppung von Kindern und der Vergewaltigung von Frauen." Bach solle diese Verbrechen nicht mit dem "olympischen Abzeichen" versehen, da er sich sonst zum "Komplizen dieses abscheulichen Krieges" mache und "den olympischen Geist" verrate, sagte Klitschko: "Ein Land, das die Grundprinzipien des Völkerrechts mit Füßen tritt", könne vom IOC nicht "legitimiert und unterstützt werden".

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine Ende Februar 2022 hatte das IOC den internationalen Weltverbänden den Ausschluss russischer und belarusischer Athleten empfohlen. Nun soll die Wiedereingliederung erfolgen - als "neutrale Athleten", die nach einer Prüfung den Krieg Russlands gegen die Ukraine "nicht aktiv unterstützen" dürfen.

Russland fordert Aufhebung aller Sanktionen - IOC lehnt ab

Das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) forderte dagegen die Aufhebung aller Sanktionen für seine Athleten im Hinblick auf die Sommerspiele 2024 in Paris. "Russen müssen genau zu den gleichen Bedingungen teilnehmen wie alle anderen Athleten", sagte der Vorsitzende Stanislaw Posdnjakow laut nationaler Nachrichtenagenturen. Alle zusätzlichen Bedingungen seien "unerwünscht, vor allem die mit politischen Untertönen, die für die olympische Bewegung völlig inakzeptabel sind".

Dem erteilte das IOC am Abend eine Absage: "Die Sanktionen gegen die russischen und belarusischen Staaten und Regierungen sind nicht verhandelbar". Weiterhin sollten keine internationalen Sportereignisse in den beiden Ländern stattfinden, keine nationalen Symbole bei Wettkämpfen gezeigt und keine Vertreter der beiden Regierungen und Staaten eingeladen werden.

Bach: "Man darf niemanden aufgrund seines Passes ausschließen"

Der Plan zur Wiedereingliederung der Sportlerinnen und Sportler bleibt jedoch. Bach argumentiert mit den Menschenrechtsanforderungen der Olympischen Charta wie auch der Vereinten Nationen. Athleten "aufgrund ihres Passes auszuschließen", verstoße dagegen. Darauf habe auch der UN-Menschenrechtsrat verwiesen. Bei den Asienspielen im kommenden Herbst, die als Qualifikation für Paris 2024 gelten, dürfen voraussichtlich neutrale Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus teilnehmen.

IOC-Präsident Thomas Bach

–IOC-Präsident Thomas Bach

Russlands Staatspräsident nutzte Sport immer wieder als Propagandainstrument. 2014 fanden in Sotschi die Olympischen Winterspiele statt, 2018 wurde die Fußball-WM der Männer in Russland ausgetragen, trotz der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim. Wegen des Dopingskandals musste Russland auch 2022 zu den Winterspielen in Peking "neutrale Athleten" schicken. Einige von ihnen zeigten sich später wenig neutral mit ihren Medaillen bei einer Propaganda-Veranstaltung Putins im Moskauer Luschnikistadion, einige mit dem Kriegssymbol "Z" auf der Jacke.

Mehrere Außenminister wenden sich gegen das IOC

Die Außenminister aus Lettland, Estland, Litauen und Polen sprachen sich gegen eine Wiederzulassung aus. "Wir sind uns alle einig, dass ein solcher Schritt nicht unterstützt werden sollte und inakzeptabel ist, solange Russland, unterstützt von Belarus, seine unprovozierte direkte Aggression gegen die Ukraine fortsetzt", sagte der lettische Gastgeber Edgars Rinkevics am Dienstag nach einem Treffen mit seinen Kollegen Urmas Reinsalu (Estland), Gabrielius Landsbergis (Litauen) und Zbigniew Rau (Polen) in Riga.

Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser hatte zuvor ähnliche Worte gewählt. "Dass das IOC russischen Sportlerinnen und Sportlern offenbar wieder die Tür öffnet und die Teilnahme an den Olympischen Spielen ermöglichen will, ist der völlig falsche Weg", teilte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit. Auch die unabhängige Athletenvertretung Athleten Deutschland erteilte dem Plan eine klare Absage.

Das sehen der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und der Deutsche Handballbund (DHB) anders. Der DOSB sagte, dass man unter "strengen Voraussetzungen" den Weg des IOC trage. Verständnis für das IOC äußerte DHB-Präsident Andreas Michelmann. "Wenn ich es ernst nehme, dass es im Kern um die Athleten geht, muss ich die Athleten trennen von den Staaten", sagte Michelmann im Deutschlandfunk.

Selenskyj: "Neutralität existiert nicht"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich enttäuscht vom Vorgehen des IOC. "Ich lade Herrn Bach nach Bachmut ein, dort kann er mit eigenen Augen sehen, dass Neutralität nicht existiert", verkündete der ukrainische Präsident in einem Videobeitrag bei Twitter: "Es ist offensichtlich, dass jedes neutrale Banner russischer Athleten mit Blut befleckt ist." Im Raum steht nun im Ernstfall ein Boykott der Olympischen Spiele durch die Ukraine, den der Sportminister ausdrücklich nicht ausschloss.