Der Fall Peng Shuai Öffentlicher Auftritt: IOC-Präsident Bach zeigt sich mit Tennisspielerin Peng Shuai

Stand: 08.02.2022 18:10 Uhr

IOC-Präsident Thomas Bach hat sich nach seinem Treffen mit Peng Shuai noch einmal mit der Tennisspielerin gezeigt - öffentlichkeitswirksam beim Big-Air-Finale mit Chinas Superstar Eileen Ailing Gu. Für Irritationen sorgt zuvor ein Interview mit der "L'Équipe".

IOC-Präsident Bach und die Tennisspielerin Peng Shuai, deren Fall vor den Winterspielen weltweit für Aufregung gesorgt hatte, haben sich bei den Olympischen Spielen gemeinsam gezeigt. Und das äußerst öffentlichkeitswirksam: Peng Shuai und Bach besuchten als Zuschauer das Freestyle-Big-Air-Finale der Athletin Eileen Ailing Gu, die in drei Wettbewerben Chancen auf Olympiagold hat und zum chinesischen Superstar dieser Spiele werden soll.

Der Auftritt bei den Olympischen Winterspielen ist bereits die zweite öffentliche Inszenierung zwischen Thomas Bach und Peng Shuai, nachdem Bach sich Anfang Dezember in einer Videoschalte nach dem Wohlergehen der 36-Jährigen erkundigt hatte. Schon dieses virtuelle Treffen hatte für öffentliche Kritik gesorgt, weil sich das IOC vor Chinas PR-Karren spannen lasse.

Am Montag (07.02.2022) hatte Peng Shuai nach Angaben des IOC bei einem privaten Treffen mit dessen Präsident, Thomas Bach, einen Besuch am Sitz des Internationalen Olympischen Komitees in Lausanne angekündigt.

Europa-Reise geplant

Peng Shuai kündigte demnach an, nach Europa reisen zu wollen, wenn es die Corona-Pandemie wieder möglich mache. Das IOC bestätigte in der Mitteilung das Treffen zwischen Bach, der früheren Athletensprecherin Kirsty Coventry und Peng Shuai am Samstag in einem Hotel in Peking.

Während des Abendessens haben die drei über ihre gemeinsamen Erfahrungen als Athleten bei Olympischen Spielen gesprochen, und Peng Shuai hat über ihre Enttäuschung geredet, dass sie sich nicht für die Olympischen Spiele in Tokio qualifizieren konnte, hieß es weiter.

Coventry und Peng Shuai hätten vereinbart, in Kontakt zu bleiben, schrieb das IOC und betonte, dass über weitere Inhalte des Gesprächs zwischen den drei Beteiligten Vertraulichkeit vereinbart worden sei.

Sorge um ihr Wohlergehen

Der Fall Peng Shuai bewegt seit einigen Monaten die Welt, nachdem die frühere Weltranglisten-Erste im Doppel im November im sozialen Netzwerk Weibo Vorwürfe wegen eines sexuellen Übergriffs durch einen chinesischen Spitzenpolitiker veröffentlicht hatte.

Danach war sie zunächst nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Der Post wurde bald danach gelöscht. Seither äußerten Sportler, Politiker und Menschenrechtler Sorge um ihr Wohlergehen.

Zweifel an der Aussagekraft des Interviews

Peng Shuai hatte später bestritten, die Vorwürfe erhoben zu haben. Ihre Aussagen wirkten jedoch gestellt. In einem am Montag veröffentlichten Interview der französischen Sporttageszeitung "L'Équipe" sagte sie: "Ich habe niemals gesagt, dass irgendwer mich irgendwie sexuell belästigt hat." Erneut sprach sie von einem "enormen Missverständnis". Den Post habe sie selber gelöscht.

Auch verstehe sie nicht die Angst um sie. "Ich hätte nicht gedacht, dass es eine solche Besorgnis geben würde, und ich würde gern wissen: warum diese Besorgnis?" Bei dem Interview in einem Pekinger Hotelzimmer war Peng von einem Offiziellen des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) Chinas begleitet worden. Der NOK-Mann habe sich vorab mit den Journalisten in dem Hotelzimmer getroffen und dann Peng Shuai dazugeholt. Dafür habe er mehr als 20 Minuten gebraucht, schrieb "L'Equipe" und deutete damit an, sie sei vor dem Interview womöglich noch einmal gebrieft worden.

Die Zeitung selbst zweifelte im Anschluss aber an der Aussagekraft des Interviews, obwohl sie die Tennisspielerin persönlich treffen konnten. "L'Equipe" teilte mit, man habe die Fragen im Voraus einreichen müssen. Beim Interview seien dann doch weitere Fragen gestattet worden. Peng Shuai antwortete auf Chinesisch, obwohl die langjährige WTA-Spielerin des Englischen mächtig sei. Ihre Antworten seien von dem NOK-Offiziellen aus dem Chinesischen übersetzt worden, zur Kontrolle sei in Paris ein Dolmetscher zugeschaltet gewesen.

WTA: "Bedenken nicht gelindert"

Die Spielerinnen-Vereinigung WTA konnte die neuesten Äußerungen der früheren Doppel-Weltranglistenersten keineswegs beruhigen. "Das jüngste Interview von Angesicht zu Angesicht lindert nicht unsere Bedenken, was ihren ursprünglichen Social-Media-Post vom 2. November angeht", sagte der WTA-Vorsitzende Steve Simon am Montag.

Simon wiederholte seine Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung der Vorwürfe und die Möglichkeit, Peng Shuai "privat" treffen zu können. Es sei zwar "immer schön, sie zu sehen, sei es in einem Interview oder als Zuschauerin bei den Olympischen Spielen", sagte Simon. "Doch, um unsere Ansicht zu wiederholen: Peng Shuai hat einen mutigen Schritt gemacht, indem sie mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit ging, von einem führenden Mitglied der chinesischen Regierung sexuell missbraucht worden zu sein."

Karriereende im Tennis

Im "L'Équipe"-Interview spricht Peng Shuai außerdem über das Ende ihrer Profi-Laufbahn. Die 36-Jährige rechnet nicht mehr mit einer Rückkehr auf die Tennis-Tour. Mit Blick auf ihr Alter, ihre zahlreichen Operationen und die Coronavirus-Pandemie sei es nur sehr schwer vorstellbar, dass sie noch einmal ihr gewohntes Niveau erreiche. Sie habe zuletzt auch schon nicht mehr trainiert, bleibe "im Herzen aber immer eine professionelle Tennisspielerin", sagte Peng.

Zuletzt trat sie im Februar 2020 in Katar im Einzel und Doppel an. Im Doppel gewann sie insgesamt 23 Turniere, darunter 2014 die French Open und 2013 Wimbledon. Im Februar 2014 erreichte Peng Platz eins der Weltrangliste im Doppel.