Olympische Winterspiele Olympia in China - Angst vor Lauschangriff, bizarre Anweisung

Stand: 14.01.2022 13:59 Uhr

Aus Angst vor Ausspähung wird immer mehr Akkreditierten der Olympischen Winterspiele empfohlen, auf das private Handy in China zu verzichten. Die Coronastrategie des Regimes in Peking führt zudem zu einer bizarren Aufforderung zur Hilfeverweigerung.

"My2022" heißt die App, die in allen Stores kostenfrei zur Verfügung steht. Jeder kann sich das "Dienstprogramm" auf sein Mobiltelefon laden. Wer eine Akkreditierung für die Olympischen Winterspiele in Peking bekommen hat, muss es sogar.

Die Ergebnisse von Coronatests müssen dort dokumentiert werden, genau wie die tägliche Körpertemperatur. In der Theorie könnten Sportlerinnen und Sportler die App auf ihren privaten Telefonen installieren, aber davon raten immer mehr Nationale Olympische Komitees ab.

Nach den Verbänden in Großbritannien und den Niederlanden empfiehlt nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) seinen Athletinnen und Athleten, nicht mit privaten Handys in China online zu gehen. Der DOSB bietet dem Kader stattdessen Mobiltelefone an, die nach den Spielen verschrottet werden.

Für den ARD-Korrespondenten Benjamin Eyssel ist das ratsam: "Es ist immer eine reelle Gefahr, in China überwacht zu werden. Kein Staat der Welt überwacht mehr."

Selbst bei verschlüsstelten Messengerdiensten wie Signal oder Threema ist der in Peking stationierte Eyssel nicht sicher, ob auch sie von den chinesischen Überwachern nicht geknackt werden können: "Das ist schwierig einzuschätzen."

Eyssel berichtete in den vergangenen Monaten mehrfach über die Vorbereitungen auf die Winterspiele, die am 4. Februar beginnen. "Journalisten unerwünscht", überschrieb er einen Beitrag, in dem über zahlreiche Eingriffe in die Pressefreiheit berichtet wird.

Auch Christoph Netzel, Sportchef des Bayrischen Rundfunks und Teamchef für die ARD bei den Olympischen Winterspielen sagt: "Es ist nicht gewünscht, dass wir uns frei bewegen können."

Hilfe bei Unfällen untersagt

Zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit trägt auch die Pandemie bei. Alle Akkreditierten, die schon in China sind oder noch einreisen, müssen sich seit Beginn des Jahres in eine Blase begeben.

China ist bekannt für seine Null-Covid-Politik. Diese treibt aber befremdliche Blüten, wie Benjam Eyssel aus Peking berichtet. Auf Anweisung der Regierung sei es Chinesinnen und Chinesen etwa verboten, bei einem möglichen Unfall eines gekennzeichneten Olympia-Shuttlebusses zur Hilfe zu kommen. Grund: Angst vor Ansteckungen.

Plädoyers für diplomatischen Boykott

Immer mehr Sportlerinnen und Sportler drückten in den vergangenen Wochen ihr Unbehagen mit der Wahl des Gastgebers aus, auch wegen der Menschenrechtsverletzungen, beispielsweise gegen die Minderheit der muslimischen Uiguren.

Der Rodler Felix Loch sagte am Donnerstag (13.01.2022) in den Tagesthemen, dass die 2015 erfolgte Vergabe an China ein Fehler gewesen sei. Dafür könnten aber nicht Sportlerinnen und Sportler verantwortlich gemacht werden. Loch plädierte daher für einen diplomatischen Boykott. Heißt: Hochrangige Politikerinnen und Politiker sollen den Spielen fernbleiben, um das chinesische Regime nicht mit ihrer Anwesenheit aufzuwerten.

Unterstützung erhält der Rodler von Kenneth Roth, dem Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Die Führung in Peking nutze die Spiele "eindeutig, um ihre schreckliche Unterdrückung reinzuwaschen oder unter sportlichen Erfolgen zu verbergen", sagte Roth im Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP.