Olympia | Bob Bob-Favorit Friedrich mit "Krokodiltaktik" im Olympia-Drachen

Stand: 12.02.2022 17:40 Uhr

Im Zweierbob-Training bei Olympia in Peking hat Rekord-Weltcupsieger Friedrich seine sonst übliche Dominanz noch nicht zeigen können. Goldfavorit bleibt er trozdem. Das liegt auch an einer speziellen Taktik.

Bob-Olympiasieger Francesco Friedrich ist ein selbstkritischer Geist. Auch nach Siegen ist er selten vollends zufrieden. Der Sachse hat immer den Blick für die Verbesserungen, tüftelt, optimiert, ruht nie. Vermutlich ist diese Eigenschaft ein Grund für seine Dominanz im Bobsport, für seine 66 Weltcupsiege, die mehr als 100 Podestplätze, die 13 WM-Goldmedaillen und die zwei Olympiasiege.

In diesen Tagen auf der neu gebauten Bobbahn nördlich von Peking winken dem 31-Jährigen, Spitzname "Franz", die Olympiasiege drei und vier. Die ganze Saison hat der auf diesen Höhepunkt ausgerichtet, jeden Weltcupsieg mit dem großen Ziel Olympia begründet. Auf der neu gebauten Olympiabahn in Yanqing hat Friedrich sechs Trainingsläufe absolviert.

Friedrich: "Haben noch Baustellen"

Und selbstverständlich blickt er selbstkritisch auf seine bisherigen Fahrten im Olympia-Eiskanal: "Wir haben immer noch ein paar Baustellen", sagt Friedrich. Und: "Oben hat die Bahn ihre Schwierigkeiten. Wir müssen die Probleme abstellen." Anders als nach manchem Weltcupsieg klingt es diesmal aber nicht nach Understatement.

Mit seinen Training-Platzierungen sechs, drei, eins, sechs, acht und vier strahlt Friedrich noch nicht die ihm sonst übliche Dominanz aus. Im Gegensatz zu Teamkollege Johannes Lochner, der in allen Trainings in die Top-Plätze fuhr, hat Friedrich den "Fliegenden Drachen" von Yanqing noch nicht gezähmt.

Bundestrainer Spies: "Franz hat sich schwergetan"

Auch Bundestrainer Rene Spies sagt skeptisch: "Die Bahn ist technisch sehr anspruchsvoll. Franz hat sich etwas schwergetan. Gerade der obere Bahnteil von Kurve zwei bis zu sechs ist der Wichtigste, um ganz nach vorn zu kommen."

Anschieber Thorsten Margis macht sich trotzdem keine Sorgen. "Ich bin relativ entspannt", sagt die 32-jährige Stammkraft im Friedrich-Schlitten. Die eher durchschnittlichen Trainingsergebnisse erklärt Margis mit einer Friedrich'schen Besonderheit: "Franz braucht auf einer neuen Bahn immer ein bisschen länger als die anderen. Aber wenn es Klick gemacht hat, dann macht ihm keiner etwas vor."

Margis: "Im Vergleich zu Pyeongchang Kindergarten"

Wird es bei den vier Wettkampfläufen am Montag (14.02.2022) und Dienstag (15.02.2022) "Klick" machen? Gut möglich. Denn, so erklärt Margis: "Oben gibt es Probleme. Das ist aber alles im Vergleich zu Pyeongchang Kindergarten." Auch auf der schweren Bahn bei Olympia 2018 hatte Friedrich zu Beginn Probleme, fuhr dann aber trotzdem zu Doppel-Gold.

Mit dem Selbstbewusstsein des Jahres 2022 verspricht Friedrich für die in Yanqing anstehenden Wettkämpfe: "Wir kriegen das in den Griff." Seine Trainingsläufe ordnet er so ein: "Jeder weiß, dass meine Konzentration in den Wettkämpfen viel höher ist als im Training."

Der entscheidende Faktor, erklärt Spies, wird bei Olympia ohnehin die mentale Verfassung sein. "Wir stehen vor einem olympischen Rennen, da kommt der Kopf hinzu." Dass Friedrich unter Druck abliefern kann, hat er bei zahlreichen Großveranstaltungen bewiesen.

Die Erfolgstaktik verrät Anschieber und Bremser Margis: "Vor den wichtigen Wettkämpfen ist Füße hochlegen angesagt. Das ist im Weltcup nicht so, da hat man immer noch ein bisschen zu tun und muss das Training steigern", sagt er.

"Beim Höhepunkt macht man Krokodiltaktik"

Dazu gehört auch, dass Friedrich im Zweier auch mal ohne seinen Stamm-Anschieber die Bahn hinunterrast. Dafür hat Margis sogar eine eigene Metapher: "Beim Höhepunkt macht man Krokodiltaktik: Sich hinlegen und auf die Form warten. Und zuschnappen, wenn sie da ist."

Zuschnappen will Friedrich am Montag und Dienstag im Zweier sowie Samstag (19.02.2022) und Sonntag (20.02.2022) im Vierer. Mit zwei weiteren Goldmedaillen könnte "Friedrich der Große" eine weitere Marke von Bob-Legende Andre Lange einstellen. Wetten, dass Friedrich dann trotz Bestzeiten selbstkritisch auf seine Läufe blicken wird?