Der Präsident des Internationalen Verbandes für Modernen Fünfkampf: Klaus Schormann

Wahlstimmen gekauft? Neue Vorwürfe im Deutschen Verband für Modernen Fünfkampf

Stand: 15.06.2022 20:49 Uhr

Es rumort im deutschen Fünfkampf-Verband: Nach dem Reit-Skandal bei Olympia in Tokio wird der Sport nur als Vierkampf ausgetragen. Gegen die Wahl des Präsidenten ist eine Klage anhängig.

Der Moderne Fünfkampf ist es gewohnt, unter dem öffentlichen Radar zu operieren. Die Kombination aus Schwimmen, Fechten, Reiten, Laufen und Schießen gerät für gewöhnlich nur alle vier Jahre zu den olympischen Sommerspielen in Deutschland in den Fokus größerer Scharen von Sportfans.

Und so kam die revolutionär anmutende Neuerung des Sports bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften auch eher im Kleingedruckten daher: In Berlin wird laut der offiziellen Ausschreibung der Moderne Fünfkampf im Rahmen des Multisportevents „Die Finals“ am letzten Juni-Wochenende nur mit vier Disziplinen ausgetragen. Reiten fehlt.

Im weitesten Sinne hängt das mit dem Skandal bei den Olympischen Spielen in Tokio zusammen. Als ihr Pferd wiederholt verweigerte, setzte die zu dem Zeitpunkt in Führung liegende Deutsche Annika Schleu die Gerte ein, ihre Trainerin boxte das Pferd. Es folgten ein internationaler Shitstorm und inzwischen eingestellte Strafverfahren.

"Drohungen mit Gewalttaten bis Mord“

"Wir machen einen Vierkampf, um keine Angriffsfläche zu geben und die Athleten auch zu schützen, da nach den Olympischen Spielen die Tierschützer relativ radikal waren", sagt Patrick Dogue, der Athletensprecher im Deutschen Verband für Modernen Fünfkampf (DVMF), "da sind Drohungen mit Gewalttaten bis Mord in verschiedensten sozialen Medien bei fast allen deutschen Fünfkämpfern in den Postfächern gelandet."

Der Fünfkampf-Weltverband hat sogar beschlossen, die Disziplin Reiten nach Olympia 2024 zu ersetzen. Getestet wird Hindernislauf. Die Krise legt für ein größeres Publikum schonungslos viele strukturelle Schwächen bloß.

Auch die deutsche Szene ist in Aufruhr. Den größten Aufreger bildet national derzeit die Erkenntnis, dass Wahlstimmen im Verband käuflich zu erwerben sind. Nicht zufällig finden die meisten Merkwürdigkeiten ihren Ursprung in einer Person: Der frühere Darmstädter Lehrer Klaus Schormann hatte ab 1984 Jahrzehnte den Deutschen Verband geführt, seit 1993 steht er dem Weltverband vor.

Wissenschaftliche Arbeit der Uni Aarhus

Nachdem er lange den Verbleib des Sports im olympischen Programm gerettet hat, verhärtet sich nun der Eindruck, Schormann habe die von ihm geführten Verbände in eine Art gelenkte Demokratie überführt. Gewählt werden durfte zuvorderst, was dem Präsidenten vorschwebte. Ein Sportschau-Beitrag im Mai hatte enthüllt, wie er sich mit Tricks und Kniffen seit fast 30 Jahren international an der Macht hält, den Verband intransparent, autokratisch führt. Und wie er mit dem Armee-nahen Putin-Freund und Oligarchen Wjatscheslaw Aminow paktiert.

Mit den Auffälligkeiten in Schormanns Amtszeit haben sich sogar Wissenschaftler der Universität im dänischen Aarhus befasst und die Arbeit mit dem Titel „Athleten klagen an: Kampf um die Zukunft des Modernen Fünfkampfs“ veröffentlicht.

Geplatzte Wahl

Neue Erkenntnisse zeigen, dass Schormann in Deutschland auch noch als Ehrenpräsident nach der Abgabe seiner offiziellen Führungsposition 2014 im Hintergrund weiterhin viele Fäden gezogen hat: Sei es, dass er in Findungskommissionen seine Nachfolger mitausgesucht oder ihnen den Weg ins Amt geebnet hat. Die Wahl des amtierenden deutschen Präsidenten Michael Dörr beschäftigt inzwischen sogar ein deutsches Gericht.

Als der deutsche Verband im vergangenen September einen neuen Präsidenten wählen sollte, wurde der frühere Bundestrainer Michael Dörr vom Berliner Landesverbandspräsidenten Jan Langrehr herausgefordert, einem Klinik-Chefarzt, dessen Tochter an Olympia in Tokio teilgenommen hat. Dörr sagt, eine Findungskommission habe "letztlich eine Empfehlung an den Verbandstag“ abgegeben, "die mich als den geeigneteren der beiden Kandidaten einschätzte. Dieser Einschätzung hat sich dann auch Klaus Schormann angeschlossen."

Doch beim eigentlichen Wahltermin im September schritt laut Versammlungsprotokoll Ehrenpräsident Schormann ein. Plötzlich wollte er die Stimmenverhältnisse der wählenden Landesverbände anders festsetzen als noch in der Einladung zur Versammlung vermerkt. Bei einigen Teilnehmern entstand der Eindruck, dass er fürchtete, der Herausforderer aus Berlin könnte eine Stimmenmehrheit erhalten.

Klage in Darmstadt

Die Wahlen platzten und mussten verschoben werden. Die Zeit bis zur Durchführung der Wahlen im Januar sollen vor allem Schormann nahestehende Landesverbände zur Organisation von Stimmen genutzt haben. Im deutschen Verband ist dieses Vorgehen durch die Satzung gedeckt: Landesverbände erhalten je mehr Wahlstimmen, desto mehr Sportler sie beim Bundesverband anmelden und mit einer Startlizenz ausstatten lassen. Kinder, Jugendliche, egal wen.

Einen ARD-Fragenkatalog zu seiner Vorgehensweise auf nationalem und internationalem Parkett ließ Schormann unbeantwortet. Beim Landgericht in Darmstadt ist nun eine Klage des Berliner Landesverbandes anhängig, die auf ungewöhnlich viele lizenzierte Athleten in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Hessen hinweist, die zusätzliche Wahlstimmen beschert hätten. Ziel der Klage ist, das Prozedere als unrechtmäßig und die Wahlen für nichtig erklären zu lassen. Michael Dörr, der neue Mann an der Spitze, sieht seine Wahl als rechtmäßig an. Doch sogar er räumt Änderungsbedarf bei der Satzung ein. Der Moderne Fünfkampf kommt einfach nicht zur Ruhe.