Moderner Fünfkampf | Weltverband Moderner Fünfkampf: Schormanns Tricks und Kniffe für den Machterhalt

Stand: 22.05.2022 13:16 Uhr

Der deutsche Präsident des Weltverbandes der Modernen Fünfkämpfer, Klaus Schormann, gerät durch Enthüllungen über seinen autokratisch anmutenden Führungsstil unter Druck. Und das ausgerechnet, während die olympische Sportart ums Überleben kämpft.

Von Hajo Seppelt, Peter Wozny, Jörg Winterfeld

Wenn Klaus Schormann ins Erzählen kommt, kennt er keinen Punkt und kein Komma. Die Sätze fließen nur so heraus, denn es gibt viel zu erzählen: Seit 1993 führt der frühere Lehrer aus Darmstadt den Weltverband der Modernen Fünfkämpfer (UIPM) an. Und ginge es nach ihm, so dürfte das wohl noch ewig so weitergehen.

Da ist nur ein Problem: Viele prominente Athletinnen und Athleten des Traditionssports aus Schwimmen, Fechten, Reiten, Schießen und Laufen haben die Nase voll von ihm und seinen Vorstandskollegen. Sie haben den Eindruck, als diene ihr reisefreudiger Präsident längst mehr eigenen Interessen als den ihren. Sie rebellieren. Offen und lautstark.

"Die Athleten fühlen sich überhaupt nicht vom Weltverband repräsentiert", sagt der Olympiasieger Joe Choong aus England der Sportschau, "es ist ganz offensichtlich, dass sie die Athleten einfach ignorieren. Jede Behauptung, sie hörten den Athleten zu, ist nur vorgetäuscht."

Der Olympia-Skandal

Schormanns kleiner Verband, der es gewohnt war, abseits der großen Aufmerksamkeit vor sich hin zu wirtschaften, sieht sich mittlerweile mit einer langen Liste von Vorwürfen konfrontiert: Von autokratischem Führungsstil über systematische Verletzung eigener Regeln aus dem Wahl- und Ethikkodex bis hin zu Wahlstimmenkauf.

Es wird eng: In einem Fall befasst sich nun das Weltschiedsgericht für Sport damit, ob Klaus Schormann mit seinem Vorstand die Kompetenzen überschritten hat. Schormann selbst gewährt Audienzen entgegen früherer Gepflogenheiten nur noch sehr selektiv: Mehrere Interview-Anfragen der Sportschau ließ er in den vergangenen Wochen ablehnen.

Der Ausbruch der Athleten-Revolte lässt sich ziemlich genau terminieren: Bei den Olympischen Spielen in Tokio sorgte der Fünfkampf für einen Skandal. Souverän auf Goldkurs liegend, peitschte die Deutsche Annika Schleu tränenüberströmt und voller Verzweiflung über die Weigerungshaltung des ihr zugelosten Pferdes auf das Tier ein. Der Präsident fiel anschließend seiner Athletin in den Rücken, die Öffentlichkeit war entsetzt. Fachleute schimpften, die Schuld liege eher bei den Funktionären, die die Reit-Sparte sehenden Auges in die Krise manövriert hätten.

Klaus Schormann lenkt Modernen Fünfkampf

Seither zeigt sich, dass Schormanns kleiner Fünfkampfverband dem großen Scheinwerferlicht kaum gewachsen ist. Nicht nur den Athleten dämmert, dass ihr Verband sich nur einen demokratischen Anstrich gibt und ihr sich gern jovial gebender Präsident tatsächlich eher eine Art Charles Bronson des Fünfkampfs ist. Motto: Das Gesetz bin ich.

Im vergangenen Herbst ließ Schormann plötzlich jene Entscheidung treffen, die ihn zum Feind vieler eigener Athleten avancieren ließ: Mit seinem Vorstand beschloss er, den Reitsport gegen eine andere fünfte Disziplin auszutauschen. Anfang des Monats ließ er bekanntgeben, es solle der Hindernislauf werden, eine Mischung aus Armee-Drill-Camp und "Spiele ohne Grenzen" aus den 70er-Jahren.

War die zur Auswahl der neuen fünften Disziplin zusammengetrommelte Expertengruppe reine Tarnung? Schon 2015 prahlte Schormann: "Ich konnte mich in meiner Exekutive seit 23 Jahren immer ganz gut durchsetzen, dass man dem folgte, was ich mir ausgedacht habe, denn all die Dinge sind ja in meinem Kopf gewachsen."

Anschein einer Alibi-Kommission

Für die Untersuchung der neuen fünften Disziplin hatte die UIPM in ihrem Jahresbudget (mehr als 4 Millionen Dollar für 2022) eigens einen Posten bereitgestellt, eine stolze Summe. Doch schon mehrere Wochen, bevor Ende 2021 überhaupt die vollständige Besetzung der zuständigen Disziplin-Suchgruppe bekanntgegeben wurde, tönte Schormann gegenüber der Sportschau: Er habe schon eine Disziplin gefunden. Nur welche, sagte Schormann, "das verrate ich Ihnen jetzt nicht".

Der Zeitpunkt der Angriffe und Enthüllungen ist denkbar ungünstig für das Stehaufmännchen Schormann, dessen Sportart schon mehrmals in den vergangenen Jahrzehnten das olympische Aus prognostiziert wurde. Und es ist sicherlich einer von Schormanns Verdiensten, dass es dazu nicht kam. Bisher.

Am Tropf des IOC

Allein: Derzeit wird der Präsident mit seiner Führung in die Zange genommen. Die Athleten rebellieren auf der einen Seite. Das Internationale Olympische Komitee setzt ihn von der anderen schwer unter Druck, seinen Sport billiger und kompatibler für den Medienkonsum zu organisieren. Nur dann soll der Fünfkampf auch noch in Los Angeles 2028 und danach zum Olympiaprogramm gehören.

Der Sport hängt am Tropf des IOC, denn mit knapp 13 Millionen Euro spendieren die Herren der Ringe fast 80 Prozent des Vierjahresbudgets der UIPM. Sie fallen weg, falls der Sport nicht mehr bei den Spielen zur Aufführung kommt. Ziemlich unverhohlen hat das IOC durchklingen lassen, was es erwartet: Reiten muss raus.

Einschüchterung der Athleten

Da fügt es sich eher unglücklich, dass ausgerechnet jetzt viele Tricks und Kniffe herauskommen, mit denen Schormann sich seit knapp 30 Jahren an der Macht hält. So wird er selbst nicht müde zu betonen, dass sich unter seiner Präsidentschaft die Zahl der Mitgliedsverbände mehr als verdoppelt hat. Das war nötig, um dem IOC Universalität vorzugaukeln. Tatsächlich haben aber viele der neuaufgenommenen Verbände aus Afrika oder Asien gar keine Fünfkämpfer - dafür aber volles Stimmrecht.

Dass sie dieses auch ausüben können, ließ Schormann durch seinen Verband absichern: Vor einigen Jahren versprach die UIPM die Übernahme der Anreisekosten der Delegierten zum Kongress, und zuletzt erließ sie gar 90 Prozent der afrikanischen Verbände die Beitragsgebühren, deren Zahlung Voraussetzung für das Kongress-Stimmrecht ist. "Wenn man sich dann überlegt, ob das zu Dankbarkeit und dazu führt, dass man seine Stimme abgibt, so wie es gewünscht wird, dann ist das natürlich problematisch", sagt Benny Elmann-Larsen, der Verbandspräsident Dänemarks.

Einer, der im Weltverband Schormanns Interessen absichert, ist Vizepräsident Wjatscheslaw Aminow. Der russische Oligarch ist bis in höchste Kreml-Kreise glänzend vernetzt und sitzt im Aufsichtsrat des Armeeklubs ZSKA. Auch nach Russlands Überfall auf die Ukraine sitzt Aminow in der UIPM fest im Sattel, während russische und belarusische Athleten ausgeschlossen wurden.

Wie bei den Fünfkämpfern mit aufmüpfigen Athleten umgegangen wird, erfuhren die Sportler unlängst bei Protesten am Rande des Weltcups in Budapest. Als ein Athlet gegen die Abschaffung des Reitens offen mit einem T-Shirt protestierte, auf dem stand "Behaltet das Reiten, ändert die Regeln", wurde er umgehend sanktioniert. Athleten, heißt es, wurden auch eingeschüchtert. "Es gab einige Athletinnen, die durchsucht wurden", berichtet Olympiasieger Choong, "sie wurden aufgefordert, ihre Siegerehrungsjacken auszuziehen, um zu beweisen, dass sie dieses T-Shirt nicht tragen."

Anschein einer gewissen Demokratie

Der namhafte Sportkorruptionsermittler Richard McLaren, der schon Russlands Staatsdoping untersuchte, sieht auch bei der UIPM die Gefahr, dass eine schlechte Verbandsführung dem Sport massiv schadet. "Präsidenten, die zu lange im Amt geblieben sind, haben einen autokratischen, autoritären Führungsstil und kontrollieren alle Finanzen. Das sind die klassischen Merkmale", sagte der kanadische Rechtsprofessor der Sportschau: "Es mag zwar den Anschein einer gewissen Demokratie und einer Kontrolle durch die Mitglieder und die kontinentalen Verbände erwecken, aber je nach Struktur ist es alles andere als ein demokratischer Prozess."