Klaus Schormann auf einer Pressekonferenz

Moderner Fünfkampf Athleten rebellieren gegen Klaus Schormann

Stand: 11.11.2022 12:05 Uhr

Am Wochenende tagt der Fünfkampf-Weltverband. Nationalverbände und Athleten rebellieren gegen den Präsidenten. Die Vorwürfe: autokratischer Führungsstil, Täuschungen, Intransparenz

Wenn sich die Delegierten des Weltverbandes im Modernen Fünfkampf UIPM zum virtuellen Kongress weltweit vor den Computern versammeln, droht eine Revolution. In dem von dem pensionierten Darmstädter Lehrer Klaus Schormann angeführten olympischen Traditionsverband bekämpfen sich mindestens zwei Seiten erbittert über Grundsätze. Und obwohl keine turnusmäßigen Präsidentschaftswahlen anstehen, muss Schormann knapp 30 Jahre nach Amtsantritt um seine Position fürchten.

Dabei waren die brisanten Ergebnisse der neuesten ARD-Recherche da noch nicht einmal bekannt: Die UIPM gibt offiziell die jährlichen Kosten für das Präsidentenbüro mit 250.000 Dollar in einem dem Geschäftsbericht zugehörigen Protokoll an. Das Büro befindet sich in der Julius-Reiber-Straße in Darmstadt, in einer Immobilie, die laut Auskunft der Stadt Darmstadt an den Hessischen Verband für Modernen Fünfkampf "zu vergünstigten Konditionen" vermietet wird: für 504,90 Euro monatlich inklusive Heiz- und Nebenkosten.

Die Stadt teilt der ARD-Sportschau dazu mit: "Dieser vergünstigte Betrag steht in einem krassen Missverhältnis zu den von Ihnen recherchierten 250.000 Dollar, die der Weltverband des Modernen Fünfkampfes in seinem Geschäftsbericht angibt. Wir fordern daher den Hessischen Verband des Modernen Fünfkampfes, der unser Mieter ist, nun umgehend zur Stellungnahme auf und werden nach deren Eingang Konsequenzen ziehen." Eine ARD-Sportschau-Nachfrage an den UIPM-Präsidenten, welche Ausgaben sich hinter dem Etatposten "Präsidentenbüro" verbergen, ließ Schormann unbeantwortet. 

Der Opposition das Leben schwer machen

Seine Verbandsführung hat Vorkehrungen getroffen, die der Opposition das Leben schwer machen. So wurde trotz schriftlicher Beschwerden und des Angebots Großbritanniens, den Kongress zu veranstalten und notfalls Kostenhilfe zu gewähren, auf einer Online-Durchführung bestanden. Das erschwert Absprachen von Verbänden, regelmäßigen Austausch und gestattet der Führung in Monte Carlo, Regie zu führen mit der Zuteilung des Rederechts und der Beschränkung von Debatten. Beim Testlauf in dieser Woche monierten Verbände, dass die Chatfunktion abgeschaltet sei.

Die Hälfte des zum Kongress aufgelegten, 253 Seiten umfassenden Buches besteht aus Anträgen, fast ein halbes Dutzend der Eingaben befasst sich mit Misstrauensanträgen gegen den Präsidenten oder dem Ausschluss von Vorstandsmitgliedern. Vordergründig ist der Richtungsstreit um die am Wochenende zu klärende Frage entbrannt, ob die Athleten neben Laufen, Schießen, Schwimmen und Fechten künftig noch reiten oder stattdessen lieber einen Hindernisparcours absolvieren sollen. Es ist für viele Beobachter glasklar, dass sich die Rebellion im Modernen Fünfkampf einfügt in den Aufstand mündiger Athleten gegen selbstherrlich zum Selbstzweck agierende Funktionäre. Um solchen Tendenzen etwas entgegenzusetzen, hatten sich Athletenorganisationen wie der Verein Athleten Deutschland oder Global Athlete ausdrücklich außerhalb des organisierten Sports gegründet.

Athleten haben das Vertrauen verloren

Im Fünfkampf geht es um den Führungsstil des Präsidenten Schormann und seines Vorstandes: Einige der wichtigsten Mitgliedsverbände und viele der besten Athleten weltweit beklagen autokratisches Gebaren, dass unter dem Anschein einer Demokratie nur getrickst und fintiert wird, dass die Prozesse nicht transparent sind, dass Bedürfnisse der Sportler ignoriert werden. "Wir Athleten", sagt der britische Olympiasieger Joe Choong, Frontmann des Aufstandes, "haben das Vertrauen in Klaus Schormann verloren." Mit dem früheren australischen Fünfkämpfer Alex Watson hat vor wenigen Tagen sogar ein potenzieller Schormann-Nachfolger Interesse angemeldet.

Den olympischen Traditionssport trifft das interne Chaos zur Unzeit. Er steht auf der Streichliste des Internationalen Olympischen Komitees. Bei den Spielen 2024 zählt er noch zum olympischen Programm. Für 2028 muss das IOC noch zustimmen, weil der Verband sich bisher nicht eindeutig auf eine fünfte Disziplin als Ersatz für das Reiten festgelegt hat. Für die UIPM ist die Olympia-Zugehörigkeit überlebenswichtig: Sie erhält aus den Spielen gut 12 Millionen Dollar vom IOC, fast ihren gesamten Etat.

"Unterwerfung unter den Willen des Präsidenten ist erforderlich"

Es gehört zu den Meisterleistungen des Strategen Schormann, die UIPM in den vergangen gut zwei Jahrzehnten stets im olympischen Kanon gehalten zu haben. Nicht ohne Tricksereien hat er sich intern Rückendeckung gesichert. So hat der dänische Verband Vertragsentwürfe von 2016 veröffentlicht, die zeigen, dass Schormanns UIPM schon damals heimlich eine Kooperation mit einem Hindernislaufverband geprüft hat, lange bevor die Disziplin mit hohen Kosten angeblich erst im vergangenen Winter von einer Expertengruppe ausgewählt worden sei als Ersatz für den Reitsport.

Schormanns Kritiker rügen, dass er die wahren Probleme seines Sports nicht angegangen ist: Diversifizierung der Einnahmequellen, Modernisierung der Reitwettbewerbe. Erst so habe es in Tokio vor allem durch Funktionärsversagen zu dem großen Eklat um den Ritt der deutschen Reiterin Annika Schleu kommen können. "Die UIPM wurde und wird als persönliches Lehen des Präsidenten geführt", heißt es in dem dänischen Misstrauensantrag gegen Schormann, "in dem Unterwerfung unter den Willen des Präsidenten erforderlich ist".

Vorkehrungen getroffen

Es gibt zahlreiche Vorgänge, die solch einen Vorwurf belegen können. So zeigt das entgegen vorheriger Routine bisher nicht veröffentlichte Protokoll der UIPM-Vorstandstagung im Juni in Ankara, das die ARD-Sportschau einsehen konnte, dass Schormann dafür ist, dem Fünfkampf-Verband Großbritanniens mit dem Entzug der Weltmeisterschaft 2023 zu drohen, sollte er nicht die Position der UIPM-Führung vertreten. Mit der Austragung sind für den britischen Verband gut eine Million Euro Fördermittel verbunden. Auf Sportschau-Nachfrage reagiert Schormann nicht.

Und sind am Wochenende geheime Wahlen gewährleistet? Der technische Dienstleister der UIPM für die Wahlvorgänge beim bevorstehenden Kongress teilt auf Sportschau-Nachfrage mit: "Alle Abstimmungsdaten werden am Ende des Kongresses sofort gelöscht, um ihre Integrität und Geheimhaltung zu gewährleisten." Bedeutet das, dass während der Veranstaltung die technische Möglichkeit besteht, herauszufinden, wer in geheimer Abstimmung wie gewählt hat, wie diverse Teilnehmer vermuten?

In seinen knapp 30 Jahren Amtszeit hat Schormann Vorkehrungen für Gegenwind getroffen. Von bald 131 Mitgliedsverbänden sind die meisten in seinen Amtszeiten hinzugekommen. Etwa ein Drittel hat weder Elite-Athleten noch -Wettbewerbe, wohl aber Funktionäre. Kritiker befürchten, dass viele schon aus Dankbarkeit Schormanns Linie verteidigen. Dazu kommen die Russen und ihnen womöglich wohlgesonnene Verbände, denn die UIPM hat zwar russische und belarusische Athleten suspendiert, nicht aber deren einflussreiche Funktionäre wie den russischen Oligarchen Wjatscheslaw Aminow.

Auch Sportschau-Nachfragen hierzu lässt Schormann selbst unbeantwortet, die UIPM teilt nur pauschal mit, sie halte sich an IOC-Vorgaben. Der dem russischen Verteidigungsministerium nahestehende Vizepräsident Aminov rühmt sich auch in diesem Kongressbuch, zahlreiche nationale Verbände aus Privatmitteln zu alimentieren.