Schatten eines Läufers

Gewalt im Sport Beratungsstelle "Anlauf gegen Gewalt" für Betroffene eröffnet

Stand: 16.05.2022 10:45 Uhr

Die erste unabhängige Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt im Leistungssport ist eröffnet: Der Verein "Athleten Deutschland", Interessenvertretung der Leistungssportlerinnen und -Sportler, hat die Idee zu der Anlaufstelle entwickelt und dann in die Tat umgesetzt.

Eine Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt im Sport sei dringend notwendig, denn immer mehr Betroffene meldeten sich in der Geschäftsstelle des Vereins Athleten Deutschland. Es gehe sowohl um aktuelle Fälle gegangen als auch über Taten in der Vergangenheit.

"Da wurde uns noch mal sehr deutlich, dass eben der Bedarf für eine unabhängige Anlauf- und Beratungsstelle sehr akut ist", sagt Maximilian Klein, der das Thema bei Athleten Deutschland bearbeitet. Finanziert werde die Anlaufstelle von zwei unabhängigen Stiftungen.

Dass Gewalt im Sport ein Thema ist, belegen die Forschungsarbeiten der Sportsoziologin Bettina Rulofs von der Sporthochschule Köln. Gemeinsam mit Wissenschaftlern von der Uniklinik Ulm kam sie zu dem Ergebnis: Fast alle Athletinnen und Athleten im Leistungssport haben im Laufe ihrer Karriere schon einmal emotionale Gewalt erlebt, waren beschimpft oder gedemütigt worden. Ein Drittel hatte in den anonymen Befragungen angegeben, sexualisierte Gewalt erfahren zu haben, von ungewollten Berührungen bis hin zu Vergewaltigung.

Betroffene nicht ernst genommen

Hätten sich Betroffene an den organisierten Sport gewandt, hätten sie dort oft keine Hilfe bekommen, so Rulofs. Hinweise seien nicht ernst genommen oder bagatellisiert worden: "Im schlimmsten Fall ist ihnen sogar noch vorgeworfen worden, jemanden zu beschuldigen. Und das macht es natürlich für Betroffene dann entsprechend schwierig, ein Vertrauen in die Verbands- und Vereinsstrukturen aufzubauen."

Daher sei es wichtig, dass die neue Beratungsstelle "Anlauf gegen Gewalt" unabhängig von den Sportstrukturen agieren könne, gleichzeitig aber Menschen dort arbeiteten, die genau diese Strukturen kennen, erläutert Rulofs, die auch dem wissenschaftlichen Beirat der Anlaufstelle angehört.

Kontaktaufnahme anonym möglich

Kontakt zu "Anlauf gegen Gewalt" kann auf mehreren Wegen aufgenommen werden - auch anonym: Eine Telefonnummer führt direkt zu einem Hilfetelefon mit spezialisierten Traumatherapeutinnen. Per E-Mail ist unter anderem Nadine Dobler erreichbar. Sie ist eine von zwei Ansprechpersonen bei "Anlauf gegen Gewalt" und für ihre Tätigkeit dort beim Verein Athleten Deutschland angestellt.

Dobler ist heute im Bereich soziale Arbeit tätig; als Kind hatte sie Fußball gespielt und in diesem Kontext sexuelle Gewalt erfahren. Wenn Betroffene der Anlaufstelle schreiben, richtet sich das weitere Vorgehen nach deren Wünschen, so Dobler.

"Wir sind parteiisch für die Betroffenen. Wir kümmern uns um die Belange und um das, was diese Person jetzt gerade braucht an Hilfen oder einfach an Unterstützung. Oder sei es einfach nur Redebedarf." Bei Bedarf würden die Menschen, die sich melden bei weiteren Schritten begleitet, ergänzt sie.

Ein erster Schritt

Der Verein "Athleten Deutschland" setzt sich seit anderthalb Jahren intensiv gegen Gewalt im Sport ein. In der Anlaufstelle sehen Maximilian Klein und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter einen ersten Schritt zu einer übergeordneten Stelle unabhängig von den Sportstrukturen, die mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet ist: Ein Zentrum für Safe Sport.

"Es geht darum, dass Präventionsmaßnahmen von unabhängiger Seite kontrolliert werden müssen. Und Im Bereich der Intervention geht es vor allem darum, dass eine unabhängige Stelle Meldungen entgegennimmt und sicherstellt, dass sie nicht versanden, dass daraus Untersuchungen folgen, dass Ermittlungen angestellt werden und dann auf dieser Grundlage Sanktionen ausgesprochen werden können", erläutert Klein.

Die neue Bundesregierung steht hinter dieser Idee. Hat das "Zentrum für Safe Sport" in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Bis dieses Ziel verwirklicht ist, beginnt die von "Athleten Deutschland" gegründete Stelle "Anlauf gegen Gewalt" jetzt mit der Arbeit.