Sportverbände | Menschenrechte Menschenrechte im Fokus: Deutsche Sportverbände sollen nachbessern

Stand: 12.05.2022 12:26 Uhr

Am Mittwoch (11.05.2022) befasste sich der Bundestagsausschuss für Menschenrechte ausschließlich mit dem Thema Sport. Es ging weniger um China oder Katar - die Teilnehmer sorgten sich um die Menschenrechte im deutschen Sport.

Schlechte Arbeitsbedingungen, mangelnde Bezahlung, fragwürdige Beschränkungen durch Verbände und Veranstalter, erhöhte Gefahr sexueller Übergriffe – was Menschenrechte betrifft, gehören auch Sportlerinnen und Sportler in Deutschland zu einer Risikogruppe.

Bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte im Bundestag waren sich am Mittwoch praktisch alle Beteiligten quer durch die Reihen der Sachverständigen und Fraktionen einig, dass im deutschen Sport großer Nachholbedarf herrscht – und es den Verbänden künftig notfalls ans Geld gehen soll.

Athleten Deutschland will Menschenrechte-Check

Internationale Problemfelder wie russisches oder chinesisches Sportswashing, willfährige Weltverbände oder die bevorstehende Fußball-WM in Katar waren nur Randthemen. Maximilian Klein von der Lobby-Organisation Athleten Deutschland gehörte zu den Sachverständigen, die vor allem mit Blick auf nationale Belange Klartext redeten.

"Die Mehrheit der deutschen Verbände kommt ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht auf Basis von UN-Standards absolut unzureichend nach. Selbst der Deutsche Olympische Sportbund als Dachverband hat keine dezidierte Menschenrechtsstrategie", sagte Klein: "In einem ersten Schritt im Bereich des Spitzensports wäre jetzt eine Risikoanalyse wichtig, ein Menschenrechts-Check."

Neben Athleten Deutschland brachten weitere Sachverständige wie Mary Harvey vom international ausgerichteten Centre for Sports and Human Rights, Jonas Burgheim vom Zentrum für Menschenrechte und Sport e.V. und Wenzel Michalski von Human Rights Watch das Thema öffentliche Finanzierung des Sports als Druckmittel ins Spiel.

Human Rights Watch-Direktor: "Hebel nutzen"

"Wichtig ist, dass die Politik und die Abgeordneten ihren Hebel nutzen: die Finanzierung des Spitzensports. Es kann nicht sein, dass Steuerzahler bezahlen, wenn es um Menschenrechtsverletzungen geht, und die dadurch auch noch fördern", sage Michalski.

Den deutschen Sportverbänden, darin herrschte auch fraktionsübergreifende Einigkeit, sollen künftig Fördergelder verwehrt bleiben, wenn sie in puncto Menschenrechte ihren Sorgfaltspflichten nach den Standards der Vereinten Nationen, den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, nicht nachkommen.

"Ich glaube, das ist die absolut richtige Richtung", sagte Frank Schwabe, Sprecher für Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Fraktion: "Wir sollten noch stärker klar machen, dass Sportförderung fundamental wichtig ist. Dass wir als Gesetzgeber, als Staat eine Möglichkeit haben, mit den Steuergeldern noch mal stärker auch menschenrechtliche Standards einzufordern."

Umsetzung noch offen

CDU-Ausschusssprecher Michael Brand sagte, er könne sich "auch als Ergebnis dieser Anhörung" vorstellen, eine Initiative im Parlament zu starten, dass Verbände in puncto Menschenrechtsstandards "auch rechenschaftspflichtig sind gegenüber der Öffentlichkeit und dem Haushaltsgesetzgeber."

Ob die Anhörung trotz aller Einigkeit im Plenum tatsächlich ein erster Schritt war, den deutschen Sport zu einem Vorbild in Sachen Menschenrechte zu gehen, bleibt abzuwarten.

Schon beim Thema sexueller Missbrauch hatte Ende 2018 das zuständige Innenministerium die Förderung der Sportverbände an die Bedingung geknüpft, dass die Steuergeld-Empfänger eine "verbindliche Eigenerklärung" zur Prävention und Bekämpfung sexualisierter Gewalt abgeben und die darin geforderten Punkte umsetzen – allein die Diskussion über Zuständigkeiten bei der Überprüfung der Verbände überforderten Sport und Politik.

DOSB pikiert

Auch beim Thema Menschenrechte knirscht es im deutschen Sport. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zeigte sich pikiert, nicht zur Anhörung in den Menschenrechtsausschuss geladen worden zu sein. Man hätte "bei einer generellen Debatte zum Verhältnis von Sport und Menschenrechten gerne die Stimme von Millionen von Vereinssportler*innen eingebracht", schrieb der Dachverband auf Twitter.

Nach ARD-Informationen waren zudem Mitglieder des Sportausschusses stocksauer, dass die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe das Thema quasi gekapert hatten.

Ob unter diesen Voraussetzungen das wichtige Sachthema ohne Vorbehalte und politisches Kalkül tatsächlich vorangetrieben wird, ist fraglich.