Hartung-Nachfolge: Miller, Borger oder Preuß? Athleten Deutschland startet in eine neue Ära

Stand: 28.10.2021 07:45 Uhr

Deutschlands größte unabhängige Interessenvertretung für Athletinnen und Athleten wählt am Samstag ein neues Präsidium. Geschäftsführer Johannes Herber spricht von einem "Meilenstein".

Vier Jahre nach seiner Gründung steht der Verein Athleten Deutschland vor seiner bislang größten Zäsur. Am Samstag (30.10.2021) wählt die unabhängige Vertretung der deutschen Leistungssportlerinnen und -sportler die Nachfolger für ihren Gründungspräsidenten Max Hartung und weitere sechs Präsidiumsmitglieder. Sie alle machen freiwillig Platz für ein neues Leitungsteam. Geschäftsführer Johannes Herber blickt dem großen Umbruch mit gemischten Gefühlen entgegen.

"Da ist ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich werde die Gruppe, die jetzt im Präsidium ist, total vermissen. Gleichzeitig freue ich mich auch auf neue Leute, die mit neuem Elan und neuen Impulsen herangehen werden", sagt Herber: "Das ist wirklich ein Meilenstein für Athleten Deutschland."

Drei von acht Bewerbern wollen an die Spitze

Acht Kandidatinnen und Kandidaten stellen sich am Samstag auf der Online-Versammlung der Mitglieder – etwa 1.400 Spitzenathleten gehören dem Verein mittlerweile an - für fünf Präsidiumsplätze zur Wahl. Zwei weitere Mitglieder werden von den Führungsgremien bestimmt, um im Präsidium gegebenenfalls Diversität zu gewährleisten: Auch nichtolympische und paralympische Sportler sollen dort vertreten sein.

Zwei Kandidatinnen und ein Kandidat wollen an die Spitze des Vereins und in die Fußstapfen von Hartung treten: Paralympics-Siegerin Mareike Miller (Rollstuhlbasketball), Beachvolleyballerin Karla Borger und Wasserball-Nationalspieler Tobias Preuß.

Alle drei haben in ihren Verbänden schon Erfahrung als Athletensprecher gesammelt. Den Mitgliedern haben sie sich bereits per Videobotschaft vorgestellt. Bei der Versammlung am Samstag sollen sie weitere Gelegenheit bekommen, sich zu präsentieren. Sollte es den Mitgliedern vor allem um Bekanntheit und Strahlkraft gehen, dürfte die Beachvolleyballerin Borger als aktuelle World-Tour-Siegerin und ehemalige Vize-Weltmeisterin die aussichtsreichste Kandidatin sein. Theoretisch können bis kurz vor der Wahl noch weitere Bewerberinnen oder Bewerber ihren Hut in den Ring werfen.

Abgang von Hartung und Co. reißt Löcher

Am Sonntag findet auf der Versammlung eine weitere Wahl statt: die der Athletenkommission des Deutschen Olympischen Sportbundes, dem beratenden Gremium für DOSB-Präsidium und -Vorstand. Dort sind nur die Athletenvertreter aus den Sportverbänden wahlberechtigt. Zuletzt waren alle Präsidiumsmitglieder von Athleten Deutschland auch in die DOSB-Athletenkommission gewählt worden.

Miller, Borger oder Preuß würden "jeweils auf ihre eigene Art einen super Präsidenten oder eine super Präsidentin abgeben", sagt Herber. Dem ehemaligen Basketball-Nationalspieler ist aber auch klar, wie sehr Hartung Athleten Deutschland fehlen wird: "Er hat den Verein mit seiner strategischen Weitsicht, seinem Engagement und seinem Mut entscheidend geprägt."

Der Weltklassefechter Hartung hat nach den Olympischen Spielen in Tokio seine Karriere beendet und ist als Geschäftsführer der Sportstiftung NRW ins Berufsleben eingestiegen. Aber auch der Abgang weiterer Präsidiumsmitglieder reißt Löcher. Etwa der von Ruderer Jonathan Koch, der als Vertreter im DOSB-Präsidium oft einen einsamen Kampf für Athletenrechte und -mitbestimmung ausgefochten hat.

"Niedriges Level an Vertrauen"

Die oder der Neue an der Spitze muss sich schnell in viele Themen einarbeiten. Der Einsatz gegen Missbrauch an Athletinnen und Athleten und die Einrichtung eines bereits geplanten Zentrums für Safe Sport steht ebenso auf der Agenda wie Weiterentwicklung und -vernetzung des bislang so umtriebigen Vereins. Auch eine Verbesserung des schwierigen Verhältnisses zum DOSB strebt Athleten Deutschland an. Der Dachverband wählt Anfang Dezember ein neues Präsidium und einen Nachfolger für Präsident Alfons Hörmann – Johannes Herber sieht darin eine Chance.

"Generell muss man konstatieren, dass wir im deutschen Sport momentan ein niedriges Level an Vertrauen haben. Viele Organisationen beäugen sich gerade argwöhnisch. Es wäre sehr gut, wenn ein neuer DOSB-Präsident oder eine -Präsidentin es schaffen könnte, gemeinsam für Vertrauen zu sorgen. Das würde ich mir auch für das Verhältnis zu Athleten Deutschland erhoffen", sagt Herber.

Eine neue Führungscrew bei Athleten Deutschland und dem DOSB, dazu eine neue Bundesregierung mit einem neuen, für den Sport zuständigen Innenminister – der deutsche Sport steht vor spannenden Monaten.