DOSB-Präsident Alfons Hörmann

Sport-Dachverband Neuanfang beim DOSB: Keine Zeit, kein Plan

Stand: 16.08.2021 08:47 Uhr

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) bastelt an einem Neuanfang. Wie die Zukunft des Dachverbandes aussehen soll und wer ihn steuern wird, ist ungewisser denn je. Ein richtiger Plan ist nicht erkennbar, der Zeitdruck groß.

Drei Arbeitsgemeinschaften (AG) mit Vertreter:innen der Mitgliedsorganisationen versuchen sich an einem Konzept, wie es beim DOSB nach dem angekündigten Rückzug des Noch-Präsidenten Alfons Hörmann weitergehen soll. Dieser und die Führungsgremien waren in Erklärungs- und Verteidigungsnöte geraten, als Mitarbeiter in einem Brief schwere Vorwürfe wegen Führungsstil und Umgangsformen der DOSB-Verantwortlichen erhoben.

"Müssen den DOSB nicht völlig in Asche legen"

Die Ethik-Kommission des DOSB untersuchte die Anschuldigungen und empfahl als einen Lösungsansatz der Probleme Neuwahlen im Dezember. Seit Juni versuchen nun die Sprecher der Verbände Ingo Weiss (Spitzenverbände), Jörg Ammon (Landessportverbände) und Barbara Oettinger (Verbände mit besonderen Aufgaben) den Neustart zu koordinieren.

Die AGs Inhalt, Strukturen und Personal sollen den Weg finden, der den DOSB, sein Führungspersonal und den gesamten Sport in die Erfolgsspur bringen soll. Knapp vier Monate haben sie Zeit, den neuen Kurs zumindest einzuleiten. Hinter dem stehen aber noch viele Fragezeichen.

"Wir müssen ja nun den DOSB nicht völlig in Asche legen, sondern wir wollen neue Leitplanken, eine Art Handreichung, erarbeiten. Es gibt eine klare Satzung, in der die Rollen klar definiert sind. Das Präsidium als Aufsichtsgremium und der Vorstand, der für das operative Geschäft steht", sagt Jörg Ammon. "Wir haben ein gemeinsames Ziel, das heißt Sport für alle, und darauf arbeiten wir hin."

Gesamtgesellschaftliche Debatte

Die AG Inhalt hat die Sportentwicklung mit altbekannten Themen im Fokus: soziale Rolle des Sports und des Vereins, Kinder- und Jugendsport oder Klimaschutz. Die Vernachlässigung im Bereich Internationales ist ebenso Thema wie Digitalisierung oder die interne und externe Kommunikation des Präsidiums und Vorstandes. Es gebe eine Reihe progressiver Ideen und gute Vorschläge, heißt es aus den Gremien.

Dass die am Ende wirklich gewollt werden, bezweifeln externe Kritiker. Denn bisher ist man bei der Zukunftsgestaltung wieder nur unter sich. Und manche im Sport wollen auch, dass das so bleibt. Und sich am besten auch nicht viel ändert. Ammon sagt aber: "Expertise von außen werden wir sicher einholen – der Austausch ist wichtig, und oft ist der Blick von außen ja für diejenigen drinnen sehr klärend."

Bisher ist in weiten Teilen des deutschen Sports eine gesamtgesellschaftliche Diskussion jedoch auf wenig Gegenliebe gestoßen. Ausgerechnet Hörmann hat diese Debatte nun entfacht. Nach dem von Leistungssportanalysten kritisierten "historisch schlechten Ergebnis" der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Tokio stellte Hörmann die Frage, welchen Leistungsport man in Deutschland wolle und was dieser Wert sei.

Nun fällt dem DOSB und seinem noch amtierenden Präsidenten genau diese bislang verweigerte öffentliche Debatte über eine Gesamtausrichtung des deutschen Sports auf die Füße.

Nachwahl statt Neuwahl

Wie nun also soll es weitergehen im DOSB? Viele offene Fragen werden wohl bis zur Mitgliederversammlung im Dezember ungeklärt bleiben. Fest steht nur: Hörmann wird dort als Präsident zurücktreten und vom DOSB Abschied nehmen. "Es ist klar, dass Alfons Hörmann nicht wieder antreten wird", sagt Ingo Weiss und widerspricht Gerüchten, dass der Allgäuer sein "Comeback" vorbereite.

Neben Hörmann tritt auch der Vizepräsident für Finanzen Kaweh Niroomand zurück. "Die anderen Präsidiumsmitglieder haben sich noch nicht erklärt", so Weiss. Dies aber ist die Voraussetzung dafür, dass es zu der von der Ethik-Kommission empfohlenen Neuwahl kommt. Bleiben die anderen Präsidiumsmitglieder auf ihren Posten, kann es nur eine sogenannte Nachwahl geben.

Der oder die neue DOSB-Chefin müsste sich dann schon ein Jahr später erneut zur Wahl stellen. Laut Weiss hat man mit einem hausinternen juristischen Gutachten die ungeklärten Rechts- und Satzungsfragen soweit abgeklärt. Er fügt ergänzend hinzu, dass es im nächsten Jahr dann Neuwahlen geben wird, "um im Rhythmus zu bleiben".

Mehr Demokratie wagen?

Bleibt die Frage, wer überhaupt bereit steht für den Job an der Spitze des deutschen Sports. Als Kandidaten sind nach wie vor Martin Engelhardt (Triathlon-Präsident) und Thomas Weikert (Präsident des Internationalen Tischtennisverbandes) im Gespräch. Andere Anwärter? Bisher Fehlanzeige. Weiss sagt: "Wir können uns ja auch keinen backen."

Zumindest wird es schwer werden, das Anforderungsprofil, neben finanzieller und zeitlicher Unabhängigkeit, zu erfüllen, das Ammon so beschreibt: "Der neue Präsident oder die neue Präsidentin muss den Sport nicht nur gestalten wollen, sondern ihn leben. Der deutsche Sport darf nicht zersplittern, sondern soll eben Sport für alle sein. Deshalb muss die neue Führungsperson Vertrauen nach innen und außen zurückgewinnen und offen kommunizieren."

Einer Findungskommission stehen manche in den Mitgliedsorganisationen des DOSB skeptisch gegenüber, vor allem mit Blick auf den Punkt "Vertrauen zurückgewinnen". Es gebe derzeit Überlegungen, einen Headhunter einzuschalten, heißt es.

Man solle doch mal Demokratie wagen, fordert dagegen ein Verbandspräsident, der namentlich nicht genannt werden will. Nicht nur er hält den Vorschlag des Sprechers der Nichtolympischen Verbände (NOV) Oliver Stegemann für eine gute Idee: Mehre Kandidat:innen, die ihren Hut in den Ring werfen, Wahlkampf machen und dann von der Mitgliederversammlung gewählt werden. Die Einladung gehe besonders an Athlet:innen.