Torhüterin Julia Sonntag bei Hockey-EM

Hockey-EM Mit Ruhe und Gelassenheit - Torhüterin Sonntag hat "Bock auf mehr"

Stand: 23.08.2023 13:40 Uhr

Torhüterin Julia Sonntag hat bei der Hockey-EM in Mönchengladbach bislang kein Gegentor kassiert. Bei ihrer ganz persönlichen Heim-EM möchte sie jeden Moment genießen.

Von Christina Schröder

Näher an ihrem Zuhause hätte eine Hockey-EM für die Mönchengladbacherin nicht stattfinden können. Praktisch ist das vor allem, wenn das Team-Hotel nur zehn Fahrminuten von der eigenen Wohnung entfernt ist: "Ich war beim Packen wohl etwas zu entspannt und habe natürlich ein paar Sachen vergessen", sagte Sonntag mit einem verschmitzten Lächeln.

Auch, wenn das heimische Bett ganz nah ist: Wenn es nach Sonntag ginge, würde sie gerne noch bis Samstag das Hotelbett vorziehen. Dann würde das Finale der Europameisterschaft stattfinden. Zunächst stehen die deutschen Hockey-Frauen aber im Halbfinale und das mit einer sensationellen Bilanz nach drei Vorrundenspielen: 14 erzielte Tore und kein einziges Gegentor.

Hockey-Torhüterin behält bei EM weiße Weste

"Das habe ich in der Form nicht erwartet und das macht Bock auf mehr", sagte Sonntag im Gespräch mit der Sportschau. Ans Limit musste sie während der Gruppenphase noch nicht gehen, Angst vor Gegentreffern hat die Keeperin trotzdem nicht: "Wir wissen, dass wir auch mal Tore fressen und trotzdem zurückkommen können. Das ist uns allen bewusst."

Am Donnerstag (24.09.2023) trifft das deutsche Team auf Belgien (20 Uhr, Livestream sportschau.de). Der kommende Gegner zeichnet sich vor allem durch seine dynamische Athletik und eine gute Defensive aus. Für das deutsche Team heißt das erneut Geduld beweisen. "Das müssen wir aus dem Englandspiel mitnehmen." Deutschland hatte das zweite Gruppenspiel von Anfang an dominiert, war dennoch torlos in die Halbzeit gegangen, ehe in der zweiten Hälfte der Knoten platzte und fünf Tore fielen.

Dass mit Belgien erstmals in diesem Turnier eine echte Herausforderung auf sie und ihr Team wartet, bringt Sonntag nicht wirklich aus der Ruhe - so wie das selten etwas tut. Die 31-Jährige strahlt eine Gelassenheit aus, die sich positiv auf das Team auswirkt. "Julia ist ganz klar in ihrer Kommunikation, auf und neben dem Platz", sagte Bundestrainer Valentin Altenburg: "Sie ruht einerseits in sich und gibt andererseits viel Energie an andere."

Die Torfrau gibt ihrem Team eine große Sicherheit, mit ihr im Rücken ist gewiss: Da steht eine, die den Überblick hat und auch in brenzligen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt. Sonntag gehört zu der Sorte Torhüter, die das Spiel von hinten heraus überblickt und ihre Spielerinnen in der Defensive stellt - ihre Ansagen finden bis in die Sturmreihen Gehör.

Spagat zwischen Leistungssport und Beruf

Seit 2017 ist die Älteste der "Danas" die Nummer eins im deutschen Tor. Für die Europameisterschaft im Hockeystadion hat sich die Zahnärztin Urlaub genommen. Genauso wie für die zahlreichen Lehrgänge, die im Jahr vor Olympia anstehen. Sonntag ist wie alle Hockey-Nationalspielerinnen kein Profi.

Nach dem Arbeiten fährt sie dreimal die Woche von Mönchengladbach zum Training nach Köln. Mit dem Bundesligisten Rot-Weiss Köln gewann sie bereits zwei Meisterschaften, fährt weiterhin jedes Wochenende durch die gesamte Bundesrepublik zu Doppelspieltagen.

Der Spagat zwischen "normalem" Leben und Leistungssport ist enorm. Für Außenstehende ist oft schwer zu durchblicken, was die Athletinnen alles auf sich nehmen. Alleine dafür sei die Heim-EM gut, findet Sonntag: "Mein Chef und meine Kolleginnen sind schon da gewesen. So kann ich ihnen näher bringen, was ich abseits der Arbeit mache und wofür. Wäre das Turnier in Argentinien, würden sie es wahrscheinlich nicht mitbekommen. So können sie besser verstehen, was dahintersteckt, wenn ich nach der Arbeit zum Training hetzte."

In Deutschland vor Tausenden von Zuschauern zu spielen, die extra für das deutsche Team kommen, ist ein so seltenes Erlebnis, dass Sonntag "jeden dieser Momente genießen" will, weil sie weiß "das kommt so schnell nicht wieder".

In ihrem Fall wahrscheinlich nie wieder. Julia Sonntag möchte noch bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris dabei sein: "Spätestens dann ist ein Punkt erreicht, an dem auch mal Schluss sein kann." Die Olympischen Spiele in Tokio waren wegen Corona und dem Ausscheiden im Viertelfinale nicht zufriedenstellend. Den Weg zu ihren zweiten Olympischen Spielen kann sie mit den "Danas" bei dieser EM ebnen: Mit dem Titel bei der Europameisterschaft würde das deutsche Team das Olympia-Ticket lösen.