Fußball | Premier League Steven Gerrard bei Aston Villa - nächster Schritt zum Traumjob

Stand: 18.11.2021 08:30 Uhr

Steven Gerrard als Trainer bei Aston Villa - das ist ein Risiko für beide Seiten. Aber ein Risiko, das sich lohnen könnte. Ex-Klub FC Liverpool bleibt aber sein Traumziel.

Von Hendrik Buchheister (Manchester)

Ein Lächeln machte sich breit in Steven Gerrards Gesicht, aber es war schnell wieder verschwunden. Natürlich komme man nicht daran vorbei, über den FC Liverpool zu sprechen, um die Premier-League-Partie in Anfield am 11. Dezember werde es viel Lärm geben, sagte die Mitarbeiterin des Klubsenders des englischen Fußballklubs Aston Villa.

Sicher, gestand Gerrard, als das kurze Lächeln wieder der Ernsthaftigkeit gewichen war: Das Getöse um den Termin in etwas mehr als drei Wochen werde er nicht kontrollieren können. Aber wichtig sei etwas anderes: "Wichtig ist, dass wir nach Anfield fahren und die Chance auf drei Punkte haben. Ich will jedes Spiel gewinnen, das ich spiele."

Aston Villa - mittelfristig Europapokal

Der 41-jährige Gerrard ist bekanntlich eine Legende beim FC Liverpool, so eng verwoben mit dem Klub wie kaum ein Spieler vor und keiner nach ihm. Er hat mehrfach zugegeben, dass es sein Traum ist, nach der Spielerkarriere als Trainer nach Anfield zurückzukehren - möglicherweise als direkter Nachfolger von Jürgen Klopp.

Erstmal allerdings rückt Gerrard im Dezember als Gegner in der alten Heimat ein, und zwar mit Aston Villa. Der siebenmalige englische Meister und Europapokalsieger von 1982 (damals 1:0-Sieger im Finale gegen den FC Bayern) hat Gerrard in der Länderspielpause als Nachfolger des entlassenen Dean Smith präsentiert.

Dieser hatte den Klub vor zwei Jahren zurück in die Premier League geführt und war beim Publikum beliebt, weil er schon als Jugendlicher auf den Rängen des Villa Park stand. Fünf Niederlagen in Folge und der Absturz auf den 16. Platz waren für die Klubführung allerdings inakzeptabel.

Viele Beobachter werteten das Aus für Smith als "ruthless", wie es in England heißt, also als gnadenlos und umbarmherzig. Doch der Verein aus Birmingham, der zweitgrößten Stadt des Landes, sieht sich mittelfristig als Anwärter auf einen Platz im internationalen Geschäft.

Grealish-Millionen sinnvoll investiert

Zwar gab der Klub im Sommer den einzigen herausragenden Spieler Jack Grealish für die englische Rekordsumme von 100 Millionen Pfund (umgerechnet rund 120 Millionen Euro) an Manchester City ab. Das Geld wurde nach allgemeiner Einschätzung allerdings sinnvoll in Verstärkungen auf verschiedenen Positionen investiert.

Es kamen der Leverkusener Leon Bailey und der überragende Zweitliga-Profi der vergangenen Saison, Emiliano Buendía von Norwich City, für das Mittelfeld und Southamptons Torjäger Danny Ings.

Doch der Saisonstart misslang. Aston Villas Verteidigung ist die drittschlechteste der Premier League. Schlüsselspieler wie Abwehrchef und Kapitän Tyrone Mings sind außer Form, die Zugänge entfalten noch nicht die gewünschte Wirkung.

Meister mit den Rangers, aber...

Mit Gerrards Verpflichtung geht der Verein ein Risiko ein. Der einstige Nationalspieler und Champions-League-Sieger von 2005 führte zwar in der vergangenen Saison die Rangers aus Glasgow ungeschlagen zur ersten Meisterschaft nach der Insolvenz des Klubs im Jahr 2012.

Gerrard verhinderte zugleich, dass Erzrivale Celtic den zehnten Titel in Folge gewann. Doch man ist sich auf der Insel unsicher, wie hoch diese Leistung zu bewerten ist.

Denn erstens wurde der Triumph der Rangers begünstigt von einer Celtic-Krise auf allen Ebenen. Und zweitens gestand Gerrard selbst, dass der Ertrag seiner insgesamt drei Jahre im Ibrox Stadium unbefriedigend war, trotz Meistertitel.

"Unsere Fans verdienen mehr Trophäen - nicht nur eine von neun möglichen. Das ist nicht gut genug", sagte er im April. Da waren die Rangers wieder einmal aus einem der schottischen Pokalwettbewerbe ausgeschieden.

Verunsicherung und Abstiegskampf

Das Engagement bei Aston Villa ist auch für Gerrard selbst riskant. Anstatt wie in seiner Zeit als Liverpool-Profi oder bei den Rangers um Titel zu spielen, muss er sich im Abstiegskampf beweisen, zumindest vorerst. Und das mit einer Mannschaft, die sich nach dem Grealish-Verkauf noch nicht gefunden hat.

Dass Gerrard für die neue Aufgabe brennt, daran besteht kein Zweifel. Trotz seiner Liebe zum FC Liverpool hat er sich bei den Rangers glaubhaft mit seiner Aufgabe identifiziert. Bei Aston Villa wird es genau so sein: "Wenn ich mich zu einer Sache verpflichte, gehe ich all in", sagte er im Interview mit dem Klub-TV.

Frank Lampard als mahnendes Beispiel

Gerrard weiß, dass der Weg zum Traumjob lang ist. Um ein Kandidat für Liverpool zu sein, reicht der in der aktiven Zeit erworbene Heldenstatus nicht. Man muss sich fachlich für den Posten empfehlen.

Der mit Gerrard oft verglichene Frank Lampard war eine Ausnahme. Er bekam den Posten bei seinem Herzensklub FC Chelsea, obwohl er ein Neuling in der Trainerbranche war - und scheiterte krachend.

Bei allen Risiken für beide Seiten: Aston Villa ist ein sinnvoller nächster Schritt auf der Karriereleiter für Gerrard. Die Fans des Klubs sehen seinem Debüt an diesem Samstag gegen Brighton and Hove Albion euphorisch entgegen.