Fußball | Premier League Newcastle United kauft ein: Spektakuläre Summen für unspektakuläre Namen

Stand: 02.02.2022 07:17 Uhr

Zum ersten Mal konnte Newcastle United mit den Millionen der neuen Besitzer aus Saudi-Arabien einkaufen. Der Klub gab mehr Geld aus als jeder andere Verein Europas - musste sich aber mit wenig klangvollen Namen abfinden. Die Transfers könnten trotzdem kurzfristig zum Ziel führen.

Von Hendrik Buchheister (Manchester)

Es ist keine Überraschung, dass Newcastle United die Mannschaft im europäischen Fußball ist, die in der gerade abgelaufenen Wechselphase das meiste Geld ausgegeben hat, nämlich mehr als 100 Millionen Euro. Denn erstens ist der Klub aus dem Nordosten Englands seit der Übernahme durch den Staatsfonds Saudi-Arabiens im Herbst der potenziell reichste Verein der Welt. Und zweitens war der Handlungsbedarf bei den "Magpies" (Elstern) besonders groß. Die Mannschaft von Trainer Eddie Howe hat in der laufenden Saison erst zwei Spiele gewonnen und steht auf einem Abstiegsplatz.

Überraschender als die Tatsache, dass Newcastle umfassend investiert hat, ist die Identität der Spieler, die neuerdings am River Tyne angestellt sind. Viele Beobachter hatten erwartet, dass der Klub bei seiner ersten Shopping-Tour seit dem umstrittenen Eigentümerwechsel prominente Namen anheuern würde. Spieler wie der Brasilianer Philippe Coutinho, der deutsche Nationalspieler Robin Gosens oder die Engländer Dele Alli und Jesse Lingard waren in den vergangenen Tagen und Wochen mehr oder weniger seriös gehandelt worden. Verglichen damit klingen die tatsächlich getätigten Verpflichtungen "underwhelming", wie man in England sagt - also enttäuschend.

Guimarães der verheißungsvollste Zugang

Newcastles prominentester Zugang ist der englische National-Verteidiger Kieran Trippier, der für rund 16 Millionen Euro von Atlético Madrid in sein Heimatland zurückgekehrt ist. Am verheißungsvollsten ist die Verpflichtung des defensiven Mittelfeldspielers Bruno Guimarães für rund 45 Millionen Euro von Olympique Lyon. Außerdem kamen drei Profis aus der Premier League, nämlich die Verteidiger Dan Burn (Brighton & Hove Albion, 15 Millionen Euro) und Matt Targett (Aston Villa, Leihe) sowie Angreifer Chris Wood (FC Burnley, knapp 30 Millionen Euro). Dessen Umzug nach Newcastle zwang Burnley übrigens dazu, Wout Weghorst beim VfL Wolfsburg auszulösen.

Dass Newcastle für spektakuläres Geld eher unspektakulär einkaufte, hat mehrere Gründe. Auf fast allen Postionen blieben dem Klub seine Wunschlösungen verwehrt, trotz des neuen Reichtums. Die Verteidiger Sven Botman (OSC Lille) und Diego Carlos (FC Sevilla) bekamen von ihren aktuellen Arbeitgebern keine Wechselerlaubnis. Der 19 Jahre junge Angreifer Hugo Ekitike blieb lieber bei Stade Reims, anstatt sich dem Abstiegskampf in der Premier League auszusetzen. Die abgestürzten englischen Nationalspieler Dele Alli und Jesse Lingard entschieden sich für einen anderen Klub oder wurden für zu teuer befunden. Alli wechselte von Tottenham zum FC Everton, wo neuerdings Frank Lampard Trainer ist. Bei Lingard bestand Manchester United angeblich auf eine Leihgebühr von mehr als zwölf Millionen Euro. Das war selbst Newcastle zu viel. Der Verein muss sich daran gewöhnen, dass andere Klubs im Wissen um die finanziellen Möglichkeiten der "Magpies" neuerdings aufgeblähte Preise aufrufen. 

Pragmatische Einkäufe, um die große Blamage zu verhindern

Anstatt ein Ensemble aus großen Namen zu komponieren, hat Newcastle pragmatisch eingekauft. Von den Zugängen traut man am ehesten dem Brasilianer Bruno Guimarães langfristig eine prägende Rolle bei dem Klub zu. Er ist 24 Jahre alt und gilt im defensiven Mittelfeld als kompletter Profi. Die anderen Neulinge sind wegen ihres Baujahrs eher kurzfristige Lösungen. Kieran Trippier ist 31 Jahre alt, Chris Wood 30 und Dan Burn 29.

Sollte Newcastle irgendwann die internationale Fußballwelt erobern - und genau das ist das Ziel der neuen Eigner -, dann wird das eher nicht mit diesen Spielern passieren. Sie haben die Aufgabe, den Verein in der laufenden Saison vor der epochalen Blamage zu bewahren, als reichster Absteiger in die Geschichte einzugehen. Die Fähigkeiten, mit denen man die Champions League gewinnt, sind aktuell nicht gefragt am River Tyne.

Wood hielt mit seinen Toren Burnley in der Premier League

Newcastles Transfers sind zweckmäßig, das verkörpert am besten Angreifer Wood. Er ist ein Mittelstürmer alter Schule und hielt den FC Burnley in den vergangenen vier Jahren mit jeweils zehn oder mehr Saisontoren in der Premier League. Dass sich jemals ein Verein finden würde, der seine festgeschriebene Ausstiegsklausel von knapp 30 Millionen Euro zahlt, hätte er selbst nicht gedacht. "Aber so kann der Fußall manchmal sein", stöhnte Wood, nachdem Newcastle genau das getan hatte.

Das Unverständnis in England über derartige Transfers hält sich in Grenzen. Das Premier-League-Publikum ist es gewohnt, dass auch für C-Prominente hohe Summen überwiesen werden. Und verlässliche Torjäger im Abstiegskampf haben eben ihren Preis. Der "Guardian" bilanzierte die 100-Millionen-Einkaufstour der "Magpies" so: "Newcastle bleibt mit einer Mischung aus stiller Befriedigung und milder Enttäuschung zurück." Was ungefähr bedeutet: Seine Wunschspieler bekam der Klub nicht. Der Klassenerhalt sollte mit dem neuen Personal trotzdem zu schaffen sein.