Frauenfußball Missbrauch im Frauenfußball: "Entschlossen, unser Schweigen zu brechen"

Stand: 06.10.2021 12:00 Uhr

Die Missbrauchsvorwürfe im US-Frauenfußball sind kein Einzelfall. Auch in anderen Ländern haben sich nun Spielerinnen zu Wort gemeldet und Fälle von Übergriffen und sexualisierter Gewalt publik gemacht.

Der Skandal um Missbrauch und Übergriffe im US-Frauenfußball weitet sich aus. Der Erstliga-Klub aus Portland sprach nun selbst von einem "Systemversagen im professionellen Frauenfußball" und entschuldigte sich dafür, Teil dieses Systems gewesen zu sein. Der nach Vorwürfen von sexuellem Missbrauch zweier Spielerinnen bei North Carolina entlassene Trainer Paul Riley hatte zuvor auch als Coach in Portland gearbeitet.

Verdacht gegen Coach Riley - offenbar kein Einzelfall

Dass der schwer beschuldigte Riley offenbar kein Einzelfall war, das zeigten weitere Anschuldigungen in anderen Klubs der Profiliga NWSL. Im Zuge der eingeleiteten Ermittlungen, die den Betrieb in der US-Vorzeigeliga zum Stillstand brachte, meldeten sich nun weitere Profispielerinnen zu Wort, auch außerhalb der USA. Ermutigt von Sinead Farrelly und Mana Shim, den zwei Spielerinnen aus North Carolina, die vom sexuellen Missbrauch durch ihren Trainer Riley berichteten. Shim nannte Riley ein "Raubtier". Er habe sie sexuell belästigt, ihre Mitspielerin Farrelly zum Sex gezwungen, sagte sie im TV-Sender NBC. "Er hat uns unsere Karrieren genommen."

Nationalspielerin aus Venezuela führt Klage von Fußballerinnen an

Daraufhin meldete sich nun auch Deyna Castellanos zu Wort, aktuell beim Champions-League-Klub Atletico Madrid unter Vertrag. Die Nationalspielerin aus Venezuela bedankte sich bei Shim und Farrelly.

In einem Twitter-Statement hob sie deren Mut hervor, mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Gleichzeitig wies sie daraufhin, dass es Missbrauchsfälle auch in anderen Ligen gebe, weltweit, unabhängig vom Geschlecht.

14-Jährige vom Trainer missbraucht?

Castellanos nahm sich die US-Kolleginnen zum Vorbild: Sie machte sich zur Sprecherin einer Gruppe von 24 der besten Spielerinnen des Landes, die schwere Vorwürfe gegen ihren früheren Coach Kenneth Zseremeta erhoben.

Die Spielerinnen beschuldigten Zseremeta in einem Statement des sexuellen Missbrauchs und bezeichneten ihn als "Monster". Ein Opfer sei bereits als 14-Jährige missbraucht worden. "Wir haben uns entschlossen, unser Schweigen zu brechen", hieß es in der Mitteilung.

Castellano: "Missbrauchs-Kultur" in Venezuelas Fußball

"Lange Zeit haben wir uns eingeredet, dass diese Erfahrungen normal seien. Dass dieses frauenfeindliche Umfeld aus Erniedrigung und ausbeuterischer Kontrolle einfach der Preis sei, den wir als Athletinnen, die Profisport betreiben wollen, zahlen müssten", schrieb Wortführerin Castellano. "Dies war ein Irrtum."

Erst die Zeit am US-College, an der Florida State University, habe ihr die Augen geöffnet, dass sie als jugendliche Fußballerin in Venezuelas Verbands-System "in einer Missbrauchs-Kultur" gelebt habe, so Castellanos.

Matilda-Legende De Vanna berichtet von Übergriffen und sexueller Belästigung

Dass es sich dabei nicht um einen Auswuchs der berüchtigten, südamerikanischen Machismo-Kultur handelt, zeigt ein weiterer Fall aus Australien: Wie am Mittwoch (06.10.2021) bekannt wurde, hat der australische Verband Untersuchungen angekündigt. Zuvor hatten mehrere frühere Nationalspielerinnen Anschuldigungen erhoben. Angeführt von Lisa De Vanna, 150 Einsätze und zweiterfolgreichste Torschützin bei den "Matildas".

De Vanna berichtete von Übergriffen, Annäherungsversuchen, Einschüchterungen, vor allem von älteren Mitspielerinnen zu Beginn ihrer Laufbahn. "Bin ich sexuell belästigt worden? Ja. Bin ich schikaniert worden? Ja. Habe ich Dinge gesehen, die sich unangenehm angefühlt haben? Ja", sagte die De Vanna dem Daily Telegraph aus Sydney.

Australiens Fußballverband: "Null-Toleranz-Politik"

Australiens Fußballverband veröffentlichte daraufhin eine Erklärung, sprach von einer "Null-Toleranz-Politik". Die FA ermutigte weitere Betroffene, ihre Fälle als offizielle Beschwerde einzureichen, damit Untersuchungen eingeleitet werden könnten. Vom Ausmaß der Vorwürfe, wie sie von De Vanna erhoben wurde, habe der Verband erst jetzt erfahren, hieß es in der Mitteilung.

De Vanna gab an, während ihrer 20-jährigen Profikarriere eine Kultur der Übergriffe erlebt zu haben. Die Verantwortlichen müssten für dieses Verhalten endlich zur Rechenschaft gezogen werden.

Bei Twitter antwortete De Vanna auch auf US-Superstar Megan Rapinoe: Rapinoe hatte nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe im US-Fußball in einem inzwischen viel zitierten Tweet gefordert, "alles niederzubrennen", um den strukturellen Sexismus im Frauenfußball zu beseitigen. De Vanna stimmte ihr zu, wies aber auch daraufhin, dass der Missbrauch auf vielen Ebenen stattfinde: "Frauen, die Spielerinnen missbrauchen, werden auch von Frauen geschützt."