Frauen im Stadion feuern 2019 die Männer-Nationalmannschaft Saudi-Arabiens gegen Nordkorea an.

Pionierin in Sachen Frauenfußball So will Monika Staab den Frauenfußball in Saudi-Arabien etablieren

Stand: 20.08.2021 18:01 Uhr

Deutschlands Fußball-Pionierin Monika Staab, 62, war schon in vielen Ländern tätig. Ihre neue Aufgabe ist speziell: Sie soll in Saudi-Arabien eine Frauen-Nationalmannschaft aufbauen.

Sportschau: Frau Staab, Sie waren in den vergangenen 14 Jahren in Sachen Frauenfußball in mehr als 80 Ländern. Jetzt sollen Sie in Saudi-Arabien eine Frauen-Nationalmannschaft aufbauen. Los geht es am 1. September. Hat dieses Land einfach noch gefehlt in Ihrer Sammlung, oder wie ist dieses Engagement zustande gekommen?

Monika Staab: Das könnte man fast so meinen. Ich war in sehr vielen arabischen Ländern, vor allem in den Golfstaaten. Meine Pionierarbeit im Ausland hat in Bahrain angefangen, wo ich 2007 zum ersten Mal für die FIFA ein Projekt durchgeführt und dort eine Nationalmannschaft aufgebaut habe. Außerdem war ich auch anderthalb Jahre in Katar beschäftigt, um dort eine Nationalmannschaft aufzubauen. Dass Saudi-Arabien das einzige Land auf der Welt war, wo Frauenfußball nicht offiziell gespielt werden durfte, war mir ein Dorn im Auge.

Sportschau: Und dann kam ein Anruf?

Monika Staab: Im letzten November kam ganz überraschend die Anfrage, ob ich einen Trainer-Lehrgang für Frauen in Riad durchführen könnte. Ich war total baff. Ein Sechser im Lotto ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber ich habe mich so darüber gefreut, dass da jetzt wirklich die Türen für den Frauenfußball geöffnet werden und dass ich auch ein Teil davon sein darf.

So ist der Kontakt entstanden, und es ist mir eine Ehre, dass der saudische Fußball-Verband weiter auf meine Erfahrung setzt, die ich in 50 Jahren Frauenfußball gesammelt habe, und dass ich in Saudi-Arabien eine Frauenfußball-Nationalmannschaft aufbauen darf.

Sportschau: Es gibt schon eine Frauen-Liga, es gibt C-Trainerinnen, Sie fangen also nicht bei null an. Über welches Niveau sprechen wir denn in Saudi-Arabien?

Monika Staab: Das Niveau ist natürlich nicht so hoch. Aber es war für mich eine große Überraschung zu sehen, mit welch einer Leidenschaft diese Frauen Fußball spielen. Also die Liga existiert. Allerdings spielen sie auf einem Neuner-Feld. Das ist natürlich nicht so gut, wenn man eine Nationalmannschaft aufbauen will.

Den ersten Schritt sind sie schon gegangen, sie haben schon eine Futsal-Nationalmannschaft aufgebaut. Das geht ja mit weniger Spielerinnen und auch ein bisschen hinter verschlossenen Türen. Das kommt diesem Land mehr entgegen, weil die Akzeptanz nicht überall in der Gesellschaft gegeben ist. Es heißt nicht überall in Saudi-Arabien: Hurra, die Frauen spielen Fußball.

Sportschau: Akzeptanz schaffen – wird das eine Ihrer Hauptaufgaben sein?

Monika Staab: Ja. Mein Team und ich müssen zum einen eine sportliche Basis schaffen. Wir wollen Akademien aufbauen, die die Mädchen ab etwa zwölf Jahren durchlaufen, um dann auch eine U17-Nationalmannschaft zu gründen. Außerdem müssen wir Trainer ausbilden, damit sie die Sache irgendwann auch selber in die Hand nehmen können. Trainer und vor allem: Trainerinnen, weil die Eltern natürlich sehr, sehr, sehr darauf bedacht sind, dass auch Frauen die Mädchen trainieren.

Da gehört natürlich dieser kulturelle Aspekt dazu. Die religiösen Barrieren, und dass natürlich eine Frau ganz andere Anerkennung findet, vor allem bei den Eltern. Denn die gilt es zu überzeugen, dass auch ihre Mädchen gerne Fußball spielen möchten und ich glaube, ja, das wird auch mit die Hauptaufgabe sein, damit die Gesellschaft den Frauenfußball akzeptiert.

Sportschau: Überzeugungsarbeit leisten, Akzeptanz schaffen, kommt Ihnen das nicht bekannt vor, wenn wir an die ersten Schritte des Frauenfußballs in Deutschland denken?

Monika Staab: Richtig. Wir durften ja auch nicht kicken. Das hatte uns der DFB verboten. Wir mussten uns durchkämpfen, bis wir unseren ersten EM-Titel 1989 und unseren ersten WM-Titel 2003 geholt hatten. Das waren ja die ganz entscheidenden Jahre, wo wir den Frauenfußball mehr oder weniger auch in unserer Gesellschaft etabliert haben. Es war ein sehr steiniger Weg, und das erlebe ich jetzt wahrscheinlich auch in Saudi-Arabien, genauso wie in vielen anderen Ländern, die ich bereist habe.

Es ist immer interessant zu sehen, wie weit man in einer Gesellschaft gehen kann. Gerade in der arabisch-muslimischen Welt ist es nun mal etwas ganz Besonderes, sich dem Frauenfußball zu widmen und sich da durchzusetzen, zu argumentieren, dass auch Frauen Spaß am Fußballspielen haben. Und ich freue mich, dazu beizutragen, den Frauen die Möglichkeit zu geben, diesen wunderbaren Sport auszuüben, ihnen dabei zu helfen, einen wirklich guten Unterbau zu bekommen, um auch langfristig den Frauenfußball in Saudi-Arabien zu etablieren.

Sportschau: Wenig nachhaltig war Ihre Arbeit in Katar. Dort waren Sie 2013/2014 Nationaltrainerin und seit Sie wieder weg sind, hat die Frauen-Nationalmannschaft dort kein einziges offizielles Länderspiel mehr bestritten. Also zumindest nicht unter dem Dach der FIFA. Da liegt der Verdacht nahe, dass alles nur Alibi war. Stichwort: Sports Washing, also der Sport als Instrument, um internationale Anerkennung zu bekommen. Sehr beliebt vor allem in autoritären Staaten. Wie sehen sie ihr Engagement dort rückblickend?

Monika Staab: Was in Katar nach meinem Weggang passiert ist, hat mich wirklich enttäuscht. Ich habe noch Kontakt zu sehr vielen Spielerinnen, die, so glaube ich, glücklich waren, da ihren Fußball zu spielen. Wir haben es geschafft, in die FIFA-Rangliste zu kommen, haben sehr viele Spiele absolviert, Wettbewerbe bestritten. Ich glaube, in den anderthalb Jahren haben wir wirklich unglaublich viel geleistet.

Aber es ist leider so: Letztendlich musste der Fußball-Verband der FIFA wegen der Männer-WM 2022 vorweisen, dass er auch Frauenfußball hat, dass Frauenfußball existiert. Und es werden jetzt immer mal wieder so kleine Turniere gespielt, um sozusagen den Schein zu waren, dass da etwas in Sachen Frauenfußball passiert.

Sportschau: Was macht Sie zuversichtlich, dass es in Saudi-Arabien anders laufen wird? Dass dort etwas von Dauer entsteht?

Monika Staab: Ich habe in Saudi-Arabien mit vielen Verantwortlichen beim dortigen Fußball-Verband gesprochen. Es gibt dort - anders als in Katar - eigene Zuständigkeiten für Frauenfußball. Das war mir auch sehr wichtig. Und es gibt dort eine ungemeine Frauen-Power. Die wollen wirklich Frauenfußball entwickeln. Wollen Grundlagen schaffen, wollen Mädchen heranführen an den Fußball, wollen jetzt mit der Frauennationalmannschaft vom Neuner- auf das Elferfeld wechseln. Ich habe auch das Gefühl, dass es ein Konkurrenzdenken gibt und Saudi-Arabien im Frauenfußball die Nummer eins am Golf werden will. Ich gehe auf jeden Fall ohne Vorurteile dorthin. Und wenn es nicht funktioniert, dann hat es sicherlich seine Gründe. Aber ich habe es versucht.