Tunesiens Ellyes Joris Skhiri im Nationaltrikot

FIFA WM 2022 - Teamcheck Tunesien - mit viel Leidenschaft in der Außenseiter-Rolle

Stand: 15.11.2022 12:34 Uhr

Sie können vor allem Defensive: Tunesiens Spiele sind selten attraktiv. Aber fast immer sehr unangenehm für den Gegner. Auch bei der WM?

Von Olaf Jansen

Der Trainer

Auf welch kuriosen Wegen man heutzutage Nationaltrainer werden kann, beweist die Geschichte von Jalel Kadri. Der 50-Jährige war beim Afrika-Cup 2022 in Kamerun tunesischer Co-Trainer unter Chef Mondher Kebaier, bis dieser vor dem Achtelfinalspiel gegen Nigeria wegen einer Covid-Erkrankung ausfiel. Kadri rückte als Chef auf, besiegte Nigeria mit 1:0 und blieb kurzerhand auf seinem neuen Posten. Obwohl das Viertelfinale gegen Burkina Faso verloren ging, durfte Kebaier nach dem Turnier nicht in sein Amt zurück - Kadri blieb.

Dessen Trainer-Laufbahn ist in Europa nahezu unbekannt. Seit 14 Jahren arbeitet er im nordafrikanischen Raum - bisher mal als Cheftrainer, mal als Co bei Erst- oder Zweitligisten. Er hat sich dabei zu einem echten Wandervogel entwickelt - quasi keine Saison verging ohne einen Vereinswechsel. Mit der Qualifikation für die WM-Endrunde gelang ihm eine große Überraschung.

Der Star

Im Oktober wird Youssef Msakni 30 Jahre alt. Eigentlich kein Alter für Fußballprofis, doch an Msakni nagt so ganz langsam der Zahn der Zeit. Was auch mit seinem enormen Pensum zu tun hat. Der elegante und torgefährliche Mittelfeldspieler wird gern als "Tunesiens Lionel Messi" bezeichnet. Als solcher startete er schon 2008 als gerade einmal 17-Jähriger bei Esperance Tunis, dem größten tunesischen Klub, voll durch. Und ist auch heute noch für Tunesiens Nationalmannschaft unverzichtbar.

Tunesiens Youssef Msakni im Nationaltrikot

Alles geht über ihn: Youssef Msakni

Msakni entwickelte sich zum Schlüsselspieler im Klub und in der Nationalmannschaft - trotz zahlreicher Angebote blieb der bodenständige Typ seiner Heimat stets treu. Es ist noch heute so: Wenn das auf Defensivfußball gepolte Tunesien mal so richtig torgefährlich wird, ist normalerweise einer beteiligt: Youssef Msakni.

Players to watch

Ellyes Skhiri ist neben Msakni Schlüsselspieler und Kopf der Mannschaft. Der systemtreue Sechser spielt taktisch enorm diszipliniert und bestimmt den Rhythmus der Mannschaft. Beim 1. FC Köln hat sich Skhiri in der Bundesliga einen Namen gemacht. Etliche namhafte Klubs waren im vergangenen Sommer an einer Verpflichtung des 27-Jährigen interessiert, der seine Jugend und ersten Seniorenjahre beim HSC Montpellier in Frankreich verbracht hat.

Neben Skhiri könnte mit Hannibal Mejbri eines der größten tunesischen Talente bei der WM in den Fokus geraten. Der 19-Jährige, der bei Manchester United unter Vertrag steht, ist aktuell an den Zweitligisten Birmingham City ausgeliehen, wo er auf der Sechser-Position Erfahrung sammelt. Mejbri wird als "Dynamo" beschrieben, der taktisch noch viel lernen muss. Seine Energie ist enorm, manchmal schießt er allerdings über das Ziel hinaus.

Besonderes

Tunesien ist ein fußballverrücktes Land und hat eine der stärksten Ligen in Afrika. Gerade am größten und bekanntesten Klub Esperance Tunis geht in der afrikanischen Champions League eigentlich nie ein Weg vorbei, wenn es alljährlich um den Titel geht. Noch größer ist die Leidenschaft für den Fußball im Land geworden, seit die Revolution im Land die wirtschaftliche Lage noch einmal verschlechtert hat. Die Arbeitslosigkeit ist ein riesiges Problem - gerade in der jüngeren Generation.

Als Kompensation geht’s gern zum Fußball, wo die Spiele in der nationalen Liga mit großer Leidenschaft und oftmals noch größerer Härte geführt werden. Mit Änis Ben Hatira ist im Herbst ein Berliner Spieler mit tunesischen Wurzeln zum Klub Monastir in die Heimat seiner Eltern gewechselt. "Die Leidenschaft und Passion für den Fußball ist unheimlich groß", sagt er.

WM-Chancen

Frankreich, Dänemark, Australien - die WM-Gegner Tunesiens in der Gruppe D erscheinen übermächtig für den Außenseiter aus Afrika. Gerade die individuelle Qualität der Spieler Tunesiens kommt nicht einmal annähernd an die der Konkurrenz heran. Aber man sollte das Team auch nicht unterschätzen.

Als ausgewiesene Defensivspezialisten bringen die Tunesier gerade bei großen Turnieren die Konkurrenz gern regelrecht zur Verzweiflung. Mit Härte und viel Disziplin ersticken sie den spielerischen Glanz der Gegner oft schon im Ansatz. Die Spiele mit tunesischer Beteiligung sind daher meist nicht besonders glanzvoll. Die Ergebnisse sind - aus tunesischer Sicht - dann aber meist positiv. Ob sie dies bei der starken Konkurrenz auch bei der WM sein werden? Das erscheint dann eher doch fraglich.

Der Kader

Tor: Aymen Dahmen (CS Sfax), Mouez Hassan (Club Africain Tunis), Bechir Ben Said (US Monastir), Aymen Mathlouthi (Etoile Sportive du Sahel)

Abwehr: Ali Abdi (SM Caen), Mohamed Drager (FC Luzern), Ali Maaloul (Al-Ahly), Wajdi Kechrida (Atromitos Athen), Nader Ghandri (Club Africain Tunis), Yassine Meriah (Esperance Tunis), Bilel Ifa (Kuwait FC), Dylan Bronn (US Salernitana), Montassar Talbi (FC Lorient)

Mittelfeld: Ellyes Skhiri (1. FC Köln), Ghaylen Chaalali (Esperance Tunis), Aissa Laidouni (Ferencvaros Budapest), Mohamed Ali Ben Romdhane (Esperance Tunis), Ferjani Sassi (Al-Duhail), Hannibal Mejbri (Birmingham City)

Angriff: Youssef Msakni (Al-Arabi SC), Seifeddine Jaziri (Zamalek SC),  Naim Sliti (Al-Ettifaq), Issam Jebali (Odense BK), Taha Yassine Khenissi (Kuwait SC), Anis Ben Slimane (Brondby IF), Wahbi Khazri (HSC Montpellier)