Tragischer Fecht-Unfall vor 40 Jahren Smirnow starb im Duell mit Olympiasieger Behr

Stand: 19.07.2022 11:02 Uhr

Sehr lange litt Matthias Behr an den Folgen des tragischen Fecht-Unfalls vom 19. Juli 1982, in dessen Folge sein Gegner verstarb. Erst jetzt, nach 40 Jahren, habe der Olympiasieger "seinen Frieden gefunden" - und seine Sportart hat sich auch durch das Drama in Rom verändert.

Matthias Behr, der sechs Jahre zuvor Team-Gold bei den Olympischen Spielen in Montreal gewonnen hatte, war an diesem 19. Juli mit dem Ziel angetreten, seine Mannschaft ins Halbfinale der Weltmeisterschaft von Rom zu führen. In der Runde der letzten acht Teams kam es zum Duell mit dem damals dominierenden Mann dieser Sportart: Wladimir Wiktorowitsch Smirnow aus Rubischne in der Ukraine, der seinerzeit für die UdSSR antrat.

Acht Tage im Krankenhaus

Für Behr war es nicht nur sportlich ein besonderes Duell, er zählte Smirnow auch zu seinen persönlichen Freunden. Während des Kampfes brach Behrs Klinge und bohrte sich durch Smirnows Maske durch dessen Auge ins Gehirn. Der Olympiasieger von 1980 in Moskau wurde sofort in ein Krankenhaus in Rom gebracht, verstarb aber acht Tage später und hinterließ seine Ehefrau Emma und zwei Kinder.

Auch für Behr war nach dieser Tragödie nichts mehr, wie es vorher war. Die damalige Fecht-Trainerlegende Emil Beck fuhr nach der Todesnachricht fünf Tage mit Behr in den Bayerischen Wald, um die Geschehnisse irgendwie zu verarbeiten. Doch Schuldgefühle und Depressionen begleiteten ihn über Jahrzehnte.

"Geräusch der Klinge immer noch im Ohr"

Und dieses Geräusch der brechenden Klinge - "das habe ich immer noch im Ohr", erzählte Behr 30 Jahre später der Stuttgarter Zeitung. "Dieser 19. Juli ist so präsent, als wäre er gestern gewesen." Seine Frau, die ehemalige Weltklasse-Fechterin Zita Funkenhauser, sagte: "Ich habe schnell begriffen, wie sehr Matthias dieser Unfall belastet. Das ist sein Lebensthema. Dass Matthias später an einer schweren Depression erkrankte, hatte sicher auch darin seine Ursachen."

Jahrelang habe Behr versucht, nach dem Unfall Kontakt zur damals schwangeren Witwe seines Freundes herzustellen. Es gelang nicht. Immer wieder habe er lange Briefe geschrieben - keine Reaktion. Erst 2017 kam es zu einem Wiedersehen in Kiew, Behr berichtete damals glücklich, dass ihn Smirnows Familie sehr herzlich aufgenommen habe.

Flüchtlinge aus Smirnows Familie aufgenommen

Endgültig fand er seinen Frieden dann nach eigenen Worten in diesem Jahr. Auf Wunsch von Emma Smirnow nahmen er und seine Frau Verwandte der Familie Smirnow in ihrem Haus in Tauberbischofsheim auf, die vor dem russischen Angriffskrieg flüchteten. Behr war froh, dass er helfen und "endlich etwas zurückgeben" konnte, erzählte er der Zeitschrift Bunte. "Endlich bin ich mit meinem Schicksal versöhnt, für mich schließt sich ein Kreis."

In den vier Jahrzehnten zuvor hatte sich Behr immer wieder damit beholfen, offen über seine Depressionen zu sprechen ("Ich habe so viel Zuspruch von Leuten mit ähnlichen Problemen bekommen, das hat mich gefreut") und sich zu sagen: "Ich war wohl irgendwie dazu auserkoren, für die Sicherheit im Fechtsport zu sorgen. Nur so konnte ich damit umgehen."

Sicherheitsmaßnahmen greifen bis heute

Nach dem Unfall dauerte es zwar mehrere Jahre, bis die neuen Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt wurden. Doch seit Mitte der 80er-Jahre wird nur noch mit der bruchsicheren und kohlenstofffreien Maraging-Klinge gefochten, die Sicherheitswesten sind wesentlich stabiler, die Masken mit Stahl verarbeitet. Vor dem 19. Juli 1982 hatte es laut Spiegel bereits mindestens vier Todesfälle im Fechtsport gegeben. Seit 40 Jahren gab es keinen Unfall mehr mit dieser Tragweite.