Oliver Zeidler

Nach dem EM-Debakel Zeidler verstärkt Kritik am Ruderverband

Stand: 15.08.2022 08:16 Uhr

"Bitterer Untergang unserer Flotte": Der Deutsche Ruderverband beklagt ein Debakel bei der Heim-EM in München. Auch Aushängeschild Oliver Zeidler enttäuscht im Einer, erneuert aber seine harsche Kritik am Verband.

Von Johannes Kirchmeier, München

Der Ruderer Oliver Zeidler war ausgepumpt am Sonntagnachmittag (14.08.2022), ihm war schwindlig und er hatte Kopfweh, berichtete er. Und enttäuscht war er ja auch noch, nach Rang vier im Einer-Finale auf der Heimstrecke in München-Oberschleißheim, eigentlich wollte er ja "Gold dahoam" gewinnen bei den European Championships. Aber all das hinderte ihn nicht daran, seine Kritik am Deutschen Ruderverband (DRV) zu erneuern und hart im Ton zu verstärken.

Zeidler kritisiert Sportdirektor Mario Woldt

"Wenn man nach meiner Kritik an der Professionalität im Leistungsrudersport einfach sagt, dass man nicht weiß, worüber man spricht, dann ist das auch so ein Indiz dafür, dass einerseits der deutsche Sportdirektor vom Sport wirklich wenig Ahnung hat, und zweitens unsere beiden Leitungspositionen im Rudersport eigentlich überhaupt keine Ahnung haben, was bei unseren Stützpunkten abgeht", sagte Zeidler nach der verpassten Medaille im Einer.

Schon vor der EM in München hatte er den Sportdirektor Mario Woldt in der Sportschau unter anderem kritisiert, dass beim DRV "nach Postleitzahl" nominiert werde. "Wenn man in Hamburg wohnt, weil da der Stützpunkt ist für uns Skuller, dann hat man auf jeden Fall bessere Chancen, als wenn man in Frankfurt beispielsweise wohnt", sagte er.

Woldt will das Gespräch mit Zeidler suchen

Woldt entgegnete: "Wir nominieren nicht nach Postleitzahl. Wir nominieren nach Leistung, wir nominieren nach Passfähigkeit in Mannschaftsbooten." Grundsätzlich fand er: "Kritik ist sicherlich gut. Da müssen wir auch drüber sprechen, wollen wir drüber sprechen. Aber hier während der European Championships, das ist nicht der Zeitpunkt."

Auch Bundestrainerin Brigitte Bielig kündigte "individuelle Gespräche" mit Zeidler an. In der Tat konnte der 26-Jährige nicht unbedingt damit rechnen, dass er während des Großereignisses zum Gespräch gebeten wird.

Trotzdem sieht er ein Kommunikationsproblem: "Die Reaktionen unserer Bundestrainerin und von unserem Sportdirektor einfach gegen sämtliche Argumente von mir 'Nein' zu sagen, ist halt einfach kein Umgang mit der Kritik, die ich geäußert habe." Daran sehe man, "dass man nicht bereit ist, irgendwelche Veränderungen zu machen".

Ruder-Debakel: Deutschland-Achter und Zeidler verpassen Medaillen

Zeidler ist international gerade eines der wenigen deutschen Aushängeschilder. Sein vierter Rang trifft den DRV hart, ähnlich wie der des einstigen Paradebootes Deutschland-Achter. Bundestrainer Uwe Bender fand, dass seine junge Achter-Mannschaft "Lehrgeld gezahlt" habe.

Es ist viel probiert worden und ich finde es einfach fahrlässig, zu einer Heim-Europameisterschaft zu fahren und so viel zu probieren. Da braucht man gar nicht in die einzelnen Bootsklassen schauen, das kann man pauschalisieren.
Sportschau-Experte Hannes Ocik

Insgesamt gab es in der einstigen deutschen Paradedisziplin nur drei Medaillen bei der EM in München - zwei davon errangen Para-Athleten, Bronze durch die 20-jährige Alexandra Föster (Meschede) war die einzige Medaille in einer olympischen Bootsklasse. Dass das Team wegen mehrerer Corona-Fälle mit einer dezimierten Flotte starten musste, taugte auch nicht als Erklärung.

Sportschau-Experte Ocik: "Größte Enttäuschung seit zig Jahren im Rudersport"

Sportschau-Experte Hannes Ocik, zweimal Olympia-Silbermedaillengewinner, bilanzierte schonungslos: "Die Abwärtsspirale seit 2012 bewegt sich fort und der Kuschelkurs muss endlich mal enden. Und es muss Klarheit darüber herrschen, dass das einfach die größte Enttäuschung seit zig Jahren im Rudersport war."

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DRV-Präsident Petri will Veränderungen

Das hat DRV-Präsident Moritz Petri erkannt: "Das ist ein bitterer Untergang unserer Flotte bei einer Heim-Europameisterschaft. Da gibt es auch gar nichts schönzureden", sagte er. "In Teilen" finde er die Kritik von Zeidler berechtigt: "Was Ruder-Deutschland jetzt braucht, ist jede Menge Mut. Mut, sich zu hinterfragen. Was müssen wir tatsächlich verändern in unseren Strukturen? In unserem Training?"

Trainingsgestaltung ändern ja, einfach Köpfe austauschen, wolle er aber nicht: "Das ist für mich nur das Pflaster auf einer kleinen Wunde und löst am Ende womöglich unser Kernproblem nicht." Ocik findet dagegen: "Auch die Trainer müssen wir mal hinterfragen, da hat sich in den letzten Jahren nicht allzu viel verändert."

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Sportschau, 14.08.2022 16:00 Uhr

Auch Föster übt vorsichtige Kritik

Einzig Alexandra Föster sorgte bei den olympischen Booten für glückliche Gesichter im Ruderverband, zumindest kurzzeitige jubelte Ruder-Deutschland am Sonntag. Vor fünf Wochen gewann sie überraschend beim Weltcup-Finale in Luzern, danach die U23-WM und nun folgte EM-Bronze dank eines furiosen Schlussspurts im Einer.

Aber auch bei ihr klang ganz vorsichtig Kritik an der Situation im deutschen Rudersport an. "Ich will mir jetzt nicht anmaßen, irgendwelche Strukturen zu kritisieren, weil ich auch nicht tief genug drin stecke", sagte Föster am Sonntag: "Aber dass irgendwas schief läuft, ist glaube ich offensichtlich."