Konstanze Klosterhalfen

Frank Busemanns EM-Kolumne Koko Klosterhalfen und das Virus

Stand: 16.08.2022 11:54 Uhr

Langstreckenläuferin Konstanze Klosterhalfen gehört zur Weltspitze - normalerweise. Doch ausgerechnet in diesem Sommer hat sie das Corona-Virus ausgebremst.

Von Frank Busemann

Sportlerinnen und Sportler, die auf Leistung getrimmt sind, wirken mitunter komisch. Manche gehen früh ins Bett. Viele ernähren sich gesund. Alle trainieren akribisch. Und die meistens können das, was sie da machen, gut. Echt gut. So wie Konstanze Klosterhalfen. German Wunderkind. Die rennt, wie es keine zweite in Deutschland tut.

Virus zerstört den Sport-Alltag

Sie hat ihren Lebensmittelpunkt nach Amerika verlegt. Für die Leistung. Der Erfolg gibt ihr Recht. Die deutschen Rekorde versieht sie mit ihrem Namen, wie der Hund, der sein Revier markiert. Alles war darauf ausgelegt, dass es zum Saisonhöhepunkt klappt. In diesem Jahr recht verwirrend, weil wir derlei zwei haben. Sie macht alles, was in ihrer Macht steht, aber dann sucht sie plötzlich dieses vermaledeite Corona-Virus heim. Das braucht kein Mensch.

Mitunter weiß man noch nicht mal, wo es hergekommen ist. Für Otto-Normal-Mensch ist das schon nicht schön, mitunter sogar wirklich schlimm, aber für einen Sportler ist es auch milde verlaufend immer schlimm. Ein Sportler ist minutiös getaktet, lebt nach Plan, mit einem Ziel, hat Rituale. Der eine legt sich die Haare schön, der andere pellt sein Frühstücksei nach Schema E, es gibt Glückssocken, Superglücks- und Kleeblattschweine oder Reihenfolgen beim Tasche packen. Und dann kommt etwas, was man nicht im Griff hat.

Ausdauersportler besonders betroffen

Koko Klosterhalfen ist zudem noch Ausdauersportlerin. Und das Coronavirus befällt auch die Lunge. Ein No-Go im Leistungssport. Wann kann man wieder einsteigen, wie fühlt sich das an? Es gibt wenig Erfahrungswerte. Training ist das Elixier des Erfolges. Wer nicht trainiert, wird selbst schlechter, und die, die trainieren, werden sogar noch besser. Eine doppelte Lücke. Und dann sind da WM und EM. Wer zu früh anfängt, gefährdet sich, wer zu spät anfängt, seine Leistung. Ein Drahtseilakt.

In Eugene trat sie "nur" über die 5.000 Meter an, hier erstmal über die 10.000 Meter. Ist die verrückt, könnte man fragen. Zehn ist doppelt so viel wie fünf. Also auch doppelt so anstrengend? Mitnichten. Sie kannte ihre Gegnerschaft. Eilish McColgan macht Tempo. Immer. Von vorn. Immer. Koko hing sich genau da dran. Ein hohes, gleichmäßiges Tempo.

Doch die Attacke von der späteren Siegerin Yasemin Can kam dann doch etwas überraschend und brutal. Sieben Runden vor Schluss. Das war früh. Das war krass. Da konnte sie nicht mehr mitgehen. Wie auch? Wo soll das herkommen?

Noch eine Chance über 5.000 Meter

Eigentlich hätte sie, wie jeder normale Mensch zu Hause bleiben müssen und sich in Ruhe auskurieren. Aber sie liebt und lebt das Laufen. Die ist ja nicht normal. Born to run. Die kann nicht zu Hause bleiben. Grünes Licht vom Arzt und los geht die wilde Hatz. Obwohl sie nicht optimal vorbereitet war, stellte sie sich ihrer Aufgabe und machte das mit dem vierten Platz echt gut.

Vier Sekunden über Bestleistung. Nur vier! Mit dieser Vorbereitung. Das macht schon ein bisschen Angst und zeigt, was für eine Ausnahmekönnerin sie ist. Jetzt hat sie zwei Tage Pause und nutzt diesen Zehner für ein bisschen Tempohärte im Fünfer. Hoffen wir, dass da noch genug Puffer für einen weiteren starken Lauf vorhanden ist. Es wäre ihr zu wünschen.

Und uns natürlich auch. Ich sehe das ganz egoistisch. Es ist spannend und aufregend mitzufiebern und "seinen" Star vorne zu sehen. Wenn das Happy End für sich selbst verbucht werden kann, dann macht das Spaß, und die Zuschauer im Olympiastadion haben heute auch schon bewiesen, was in ihnen steckt. Viel Dezibel, Sportenthusiasmus und Liebe zur Begeisterung. Genau das, was ein Sportler mitbringen muss. Irgendwie sind wir doch alle gleich. Nur anders.

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)