Arthur Abele nach seinem Europameistertitel 2018

Frank Busemanns EM-Kolumne Der Abschied von Zehnkampf-König Arthur Abele

Stand: 15.08.2022 08:01 Uhr

Zehnkämpfer Arthur Abele startet in seinen letzten Wettkampf. Sportschau-Experte Frank Busemann ist sicher: München, wo der olympische Geist von 1972 über den European Championships kreist, ist der perfekte Ort dafür.

Von Frank Busemann

Der König ist tot, es lebe der König! King Arthur geht und der Nachfolger wird kommen. Zum Glück war Arthur Abele nur im erweiterten Sinne hinüber. Immer wieder. Klinisch tot sozusagen. Er hat sich immer wieder wiederbelebt. Ein Wunder in Fleisch und Blut.

Der ewige Kampf gegen Verletzungen

36 Jahre ist er jetzt alt. Vor 16 Jahren hat er zum ersten Mal die Marke von 8.000 Punkten übertroffen, seitdem 15 Mal und seine Karriere 2018 mit dem Europameistertitel gekrönt. Er war eigentlich eine einzige Verletzung, ein anatomischer Totalschaden - ich darf das sagen, ich war auch einer. Doch der Geist war willig und auch Jahre des Zweifelns, des Wartens, des Trainierens überstand er unbeschadet und läuft hier in München zum letzten Gefecht auf.

Es gibt Athleten, die sind wie Brauereigäule. Die sind unkaputtbar. Robust. Belastbar. Die machen Jahr für Jahr drei Zehnkämpfe. Klar macht das Laune. Das ist einfach einfach. Da flutscht auch immer mal einer raus.

Dann gibt es Athleten, die sind nicht so belastbar. Die machen ein bis zwei Zehnkämpfe im Jahr und tun sich dabei immer wieder ganz ordentlich weh. Das ist ätzend, aber sie machen halt immer wieder Wettkämpfe. Die Durststrecke ist überschaubar und Bestandteil des Leistungssports.

Es gibt nur einen Arthur Abele

Und dann gibt es diese Abeles. Falsch. Es gibt nur einen Arthur Abele. Der konnte manchmal vier Jahre keinen Zehnkampf machen. Das ist unmenschlich. Trotz schierer Aussichtslosigkeit, nie den Mut zu verlieren und immer davon überzeugt zu sein, dass alles gut wird.

München-Flair wie bei Olympia 1972

Nun also München. Europameisterschaft. Part III. Nach Zürich und Berlin hat er diesen geschichtsträchtigen Ort für seinen Abschied auserkoren. Da, wo vor 50 Jahren die Olympischen Spiele zu Hause waren und immer noch sind. München war nie tot. Das Olympiagelände im Gegensatz zu ganz vielen anderen nicht verkommen und vergessen. Immer noch wunderschön und erhaben.

Leichtathletik in München - ein Fest!

Als ich bei meiner Ankunft das Gelände betrat, war es magisch. Ohne, dass ich die Spiele vor einem halben Jahrhundert erlebt habe, habe ich sie plötzlich gespürt. Das ist total abgefahren. Die Menschen sind auch heute noch sportverrückt, interessiert und begeistert. In einer einzigartigen Umgebung. Es war ein Fest, es wird ein Fest.

So, wie der EM-Titel Abeles vor vier Jahren. Das riss das Stadion vom Hocker. Das sind Emotionen, die das Leben schreibt. Das ist das Nachwuchs- und Enthusiasmus-Akquisepotential, wie es die Spiele von 1972 und Abeles EM-Sieg mit sich brachten. Sport erlebbar machen. Mitfiebern, dabei sein. Mit tollen Geschichten, krassen Typen, in wunderbaren Locations.

München hat das Feuer entfacht

Abele wird hier nicht mehr gewinnen, er wird Abschied nehmen. München hat das Feuer nach 50 Jahren wieder entfacht. So was macht Spaß und Freude und die wichtigste Nebensache der Welt so wunderbar. Und auch der neue König wird solche Geschichten schreiben. Andere. Ganz andere. Denn einen Abele gibt es nur einmal.

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)