Walter Heiß, Barbara Mehling-Bratz und Axel Birkmann (v.l.) im Olympiastadion

European Championships Volunteers von 1972 in München - "Begeisterung wie damals"

Stand: 18.08.2022 18:48 Uhr

Walter Heiß, Barbara Mehling-Bratz und Axel Birkmann waren schon vor 50 Jahren als freiwillige Helfer bei Olympia 1972 in München dabei - und sind auch diesmal wieder als Volunteers bei den European Championships im Einsatz. Manches ist so wie damals. Die Begeisterung zum Beispiel.

Von Bettina Lenner, München

Die knallorange Hose mit Schlag sitzt auch 50 Jahre später noch. Sogar die Flecken von damals sind noch drin. Der Anzug war nie in der Reinigung. Alles original, alles wie 1972. Da war Walter Heiß bei den Olympischen Spielen in München freiwilliger Helfer. Wie jetzt auch wieder bei den European Championships.

"Als ich damals etwas verspätet aus dem Urlaub kam, war die Hose in meiner Größe nicht mehr vorrätig. Da musste ich sie eine Nummer größer nehmen. Der dazugehörige Plastikgürtel hat das Ganze gerade so zusammengehalten", erzählt der 71-Jährige der Sportschau. 50 Jahre später sei nun das, was damals zu groß war, eigentlich ein wenig zu klein.

Insgesamt 6.000 Volunteers bei den European Championships

Auch Barbara Mehling-Bratz hat ihr Dirndl von damals noch im Schrank. Sie und ihr Partner Axel Birkmann waren 1972 ebenfalls im Einsatz - und sind nun zwei von insgesamt 6.000 Volunteers bei der Multi-EM. "Wir sind natürlich die Oldies, aber eine tolle Truppe", sagt die Münchnerin, die bei der Leichtathletik im Olympiastadion die VIP's betreut.

50 Jahre zuvor hatte die damalige Gymnasiastin als Hostess am Computer gesessen, dem sogenannten "Datensichtgerät". Ein "Riesenkasten", schildert sie. Und eine ganz neue, faszinierende Technologie - wenn sie denn funktionierte. Als einmal Hans-Jochen Vogel vorbeikam, Ex- Oberbürgermeister und stellvertretender Chef des Organisationskomitees, war das leider nicht der Fall: "Das war peinlich."

Olympiahostessen für die Olympischen Spiele 1972 in München

Olympia-Hostessen 1972 im Dirndl.

Erinnerungen an Mark Spitz und Heide Rosendahl

Heute, so erzählt die 69-Jährige, sei vor allem alles digitaler geworden. "1972 gab es kein Handy, keinen Laptop. Es ist alles hektischer und man wird schier erschlagen von Informationen. Das macht es manchmal nicht unbedingt leichter." Und doch ist sie wieder mit Begeisterung dabei: "Für mich ist es ein Wahnsinnsevent, es macht Spaß. Wir lassen uns von der Stimmung mitreißen. Der Olympiaberg ist so voll wie damals."

Mark Spitz hieß der Held von Barbara Mehling-Bratz seinerzeit. Sieben Goldmedaillen sammelte der US-Schwimmstar in München ein - jeweils mit Weltrekord. Axel Birkmann erlebte im Stadion den Gold-Weitsprung von Heide Rosendahl und den Hochsprung-Triumph von Ulrike Meyfarth. Gänsehaut-Momente.

Mit 17 Jahren zum Erlebnis Olympia

Dass sie beide bei den Sommerspielen als freiwillige Helfer dabei gewesen waren, stellte das Paar allerdings erst vor acht Jahren fest, als es sich kennenlernte. Als dann wieder Volunteers gesucht wurden, hätten sie keine Sekunde gezögert, so Birkmann: "Das war so schön 1972."

Gerade einmal 17 Jahre alt war er, als er vor einem halben Jahrhundert als "Bote" die Reporter mit Starterlisten und Ergebnislisten aus der Druckerei im Bauch des Olympiastadions versorgte. Als Teenager für drei Wochen hinaus in die Welt - er hat es genossen. "Das waren 'einfache' Spiele. Es gab nicht so viele Sponsoren, nicht so viele VIP und der Sport stand wohl noch etwas mehr im Mittelpunkt", erinnert er sich.

Terror-Anschlag: "Die Welt zusammengebrochen"

Auch der Faktor Sicherheit spielt heute eine viel größere Rolle. Eine Spätfolge des tödlichen Anschlags palästinensischer Terroristen am 5. September 1972 auf die israelische Mannschaft. "Ich war auf dem Weg ins Olympische Dorf, und dann sagte mir jemand, ich kann da nicht rein. Da seien Terroristen. Ich konnte das nicht glauben", so Birkmann: "In unserer Unterkunft habe ich dann am Schwarz-Weiß-Fernseher die Bilder gesehen. Das war so unwirklich. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen."

Die Spiele gingen weiter, aber längst nicht mehr so heiter. "Das war dann weg", sagt Mehling-Bratz. "Vorher konnten wir einfach ins Olympische Dorf, wir waren praktisch zwischen den Sportlern", erinnert sich Walter Heiß, der 1972 in München Bauingenieur studierte.

European Championships "Aushängeschild für alle Sportarten"

Als einer der Ersten bewarb er sich als Volunteer bei den European Championships. "Das Leben besteht nicht nur aus Geld und Gold, sondern aus sehr vielen Erlebnissen", so der 71-Jährige: "Je älter man wird, umso mehr lernt man diese Erlebnisse zu schätzen. Sie werden immer wertvoller." Es gefalle ihm so genauso gut wie vor 50 Jahren: "Die Atmosphäre ist vergleichbar. Vieles hat sich verändert, aber die Begeisterung nicht. Es ist schon eine kleine Olympiade und für alle Sportarten ein Aushängeschild hier."

Walter Heiß im Volunteers-Dress von 1972

Walter Heiß im Volunteers-Dress von 1972.

Überhaupt wünschen sich alle drei, dass die Veranstaltung dazu beiträgt, Olympische Spiele in Deutschland noch einmal möglich zu machen. Am besten in München. "Man muss natürlich einiges erweitern und bauen. Aber das waren schon damals die Spiele der kurzen Wege. Das ist ideal", meint Birkmann.

Olympia: "Für alle Menschen schön, dass es das gibt"

Heiß denkt vor allem an die Athleten: "Wenn die Sportler jahrelang dafür trainieren, dann haben sie die Spiele verdient und dann muss einfach die ganze Welt mitmachen. Es ist für alle Menschen schön, dass es das gibt."

Dann muss der rüstige Rentner aber los, zur Regattaanlage in Oberschleißheim, wo er wie vor einem halben Jahrhundert die VIP-Tribüne betreut. Die Zeit drängt ein wenig. Selber Einsatzort wie vor 50 Jahren, aber andere Klamotten: Er muss sich noch umziehen.