Meinung

European Championships Spiele für alle in München

Stand: 21.08.2022 21:08 Uhr

Die European Championships waren Spiele für alle: für Sportler, für Fans, für die 6.000 Volunteers und für die Münchner. Dem Internationalen Olympischen Komitee könnte das als Vorbild dienen.

Von Marcus Tepper, München

Im Vorfeld mag den Organisatoren vielleicht ein wenig mulmig gewesen sein, weil beim Kartenvorverkauf noch Luft nach oben war. Doch spätestens, als am Eröffnungsabend 55.000 Menschen im Olympiapark zusammen feierten, war die anfängliche Zurückhaltung der Münchner für ihre European Championships gebrochen.

Olympiapark von 1972 fasziniert

Überhaupt der Olympiapark von 1972: Trotz einiger Patina hat das Stadion mit dem Zeltdach nichts von seiner Leichtigkeit und Faszination verloren. Die Bauten fügen sich harmonisch in die Landschaft und weil die Bäume fünf Jahrzehnte Zeit zum Wachsen hatten, wirkt der Park so, als sei er jetzt erst richtig fertiggestellt.

Verzicht auf großes Brimborium

Die Menschen strömten in die Stadien und Arenen, auch auf den Münchner Königsplatz, wo Beachvolleyball und Klettern die Fans begeisterten. Das Erfolgsrezept: eine Mischung aus gutem Sport, einem kostenlosen Kulturprogramm und dem weitgehenden Verzicht auf großes Brimborium um VIPs, Regularien und Sponsoren.

Offen, leicht, freundlich

Dadurch wurden die Meisterschaften offen, leicht, freundlich und damit auch für Menschen zugänglich, die sich nicht viel aus Sport-Großveranstaltungen machen, diesen sogar eher kritisch gegenüberstehen. Nicht wenige ältere Münchner fühlten sich während der elf Tage European Championships an die heiteren Spiele von 1972 erinnert, bevor der furchtbare Terroranschlag diese Heiterkeit jäh beendete.

50 Jahre nach den letzten Olympischen Spielen in Deutschland und sieben gescheiterten Anläufen haben die European Championships eine Diskussion um eine neue deutsche Olympia-Bewerbung entfacht.

Angst vor Gigantismus, Kommerz und Knebelverträgen

Angesichts der herausragenden Stimmung in München emotional verständlich, inhaltlich jedoch problematisch: Olympia umfasst drei Mal mehr Sportarten mit gut doppelt so vielen Teilnehmern, dazu das bereits erwähnte organisatorische Brimborium und ein Vielfaches der Kosten als die 130 Millionen Euro für die European Championships. Nicht zu vergessen die Angst vor Gigantismus, Kommerz und den Knebelverträgen der internationalen Sportverbände.

Aber: Die European Championships zeigen dem Internationalen Olympischen Komitee einen Weg aus diesem Dilemma, indem sie Sport und urbanes Leben in Einklang brachten. Der Sport hat sich der Stadt angepasst, nicht umgekehrt und stand doch im Mittelpunkt, weil er offen, leicht und zugänglich war. Es waren eben Spiele für alle.