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European Championships Acht Stiche in der Nacht - Lückenkemper hofft auf Staffel-Einsatz

Stand: 18.08.2022 08:22 Uhr

Sensations-Europameisterin Gina Lückenkemper ist trotz ihrer Beinverletzung zuversichtlich, am Sonntag (21.08.2022) mit der Sprint-Staffel um eine Medaille kämpfen zu können. Ins Finale muss es das DLV-Quartett zwei Tage zuvor aber ohne sie schaffen.

Von Bettina Lenner, München

Ein klein wenig humpelte sie, als sie am Tag nach ihrem Sensationssieg über 100 Meter im Athletenhotel um die Ecke bog. So etwas wie das "Knie der Nation" - es gehört in diesen Tagen Gina Lückenkemper. Kann sie in der Staffel starten oder nicht? Diese Frage beschäftigt zumindest Leichtathletik-Deutschland. Und kann aktuell nur zum Teil beantwortet werden.

Kein Einsatz im Vorlauf

Klar ist: Im Vorlauf am Freitagvormittag (19.08.2022) fällt Europas neue Sprintkönigin aus. "Dafür ist die Naht noch zu frisch. Aber das Staffelfinale am Sonntag ist ein Ziel, das wir in Angriff nehmen können und wofür wir aktuell auch alles tun", sagte die 25-Jährige am Mittwoch.

Das medizinische Team des DLV sei "guter Dinge, dass es damit klappen kann. Eine Garantie haben wir natürlich nicht. Aber ich möchte den Mädels auf jeden Fall den Rücken stärken können."

Chancen sinken ohne Lückenkemper deutlich

Zumal ein weiterer Coup nach WM-Bronze vor rund drei Wochen in Eugene möglich ist. Zumindest, wenn Lückenkemper mit eingreifen kann. Ohne die Europameisterin würden die Titel- und Medaillenchancen des Quartetts mit den WM-Kolleginnen Tatjana Pinto, Rebekka Haase und Alexandra Burghardt deutlich sinken. Zehn Jahre liegt der bislang letzte deutsche Titel in dieser Disziplin zurück.

Vorlauf-Kandidatinnen anstelle von Lückenkemper sind Lisa Mayer und Lisa Nippgen. "Wir haben hier so eine tolle Truppe am Start, dass ich den Mädels das Finale definitiv zutraue", betonte Lückenkemper.

Wunde am Bein mit acht Stichen genäht

Die Wahl-Berlinerin hatte am Dienstagabend bei der Heim-EM in München den ersten Titelgewinn einer deutschen Frau über 100 Meter seit Verena Sailer 2010 bejubelt und war unmittelbar nach dem Zieleinlauf gestürzt. Sie zog sich dabei mit den eigenen Spikes eine Fleischwunde am Bein zu, die im Krankenhaus mit acht Stichen genäht werden musste.

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"Wir haben noch einmal Glück gehabt, es ist keine Muskulatur in Mitleidenschaft gezogen", sagte sie und schilderte ihren schrägen Abend. "Ich bin vorher noch nie Krankenwagen gefahren. Superspannend, was da so passiert ist, ich war auch noch nie in der Notaufnahme", berichtete die Frohnatur und konnte schon längst wieder lachen.

"Eine absolute Gefühlsachterbahn"

Das war ihr am Vorabend zumindest zeitweise vergangen, und ohnehin flossen jede Menge Tränen. Weil sie sich über das Knie ärgerte. Und aus Furcht vor den Nadeln ("Ich kann so gar nicht mit Nadeln"). Vor allem aber aus purem Glück. "Das war eine absolute Gefühlsachterbahn, Wahnsinn! Aber ich bin weiterhin unfassbar glücklich, was da passiert ist."

Dopingprobe in der Notaufnahme

Noch in der Notaufnahme folgte die Dopingprobe, erst weit nach ein Uhr nachts war Lückenkemper zurück im Hotel. Und platt. "Vor allem, als die Betäubung langsam nachließ. Im Bett habe ich dann leider keine vernünftige Position gefunden. Auf der einen Seite das genähte Knie, auf der anderen die Schürfwunden, das hat es nicht leicht gemacht“, erzählte die gebürtige Westfälin.

So richtig verdaut hat sie ihren grandiosen Triumph noch nicht: "Das wird noch dauern. Ich wollte schon um eine Medaille mitrennen. Aber da bei der Konkurrenz als Europameisterin wieder rauszumarschieren, das ist schon krass."

"Noch einiges möglich in den kommenden Jahren"

Bei der DLV-Teamkapitänin zahlt sich der Wechsel in die USA mehr und mehr aus. Unter Startrainer Lance Brauman, der ihr bei einem "Pep Talk" am Vorabend die Zweifel am Finalstart genommen hatte und sie auf Goldkurs brachte, hat Lückenkemper eine gute Entwicklung genommen.

Es soll nur der Anfang sein. "Wir haben noch sehr viel Potenzial, was das Training betrifft. Ich glaube, dass da schon einiges möglich ist in den kommenden Jahren", so die Europameisterin.

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