Kim Lea Müller

European Championships München BMX-Silber - Backflips vor der Frauenkirche

Stand: 12.08.2022 19:55 Uhr

Die erste deutsche Medaille bei den European Championships in München schnappt sich überraschend Kim Lea Müller im BMX-Freestyle. Sie macht damit vor beeindruckender Kulisse weiter Werbung für den jungen und aufstrebenden Sport.

Von Johannes Kirchmeier, München

Als Kim Lea Müller schließlich ihre Kräfte bündelte, sich im Stehen auf ihrem rollenden BMX-Rad nur noch auf die Rampe vor ihr fokussierte und sich darauf angekommen mit voller Wucht abdrückte, da passierte es: Da erhob sich nicht nur Müller ruckartig in die Luft, sondern auch Tausende Oberlippen sprangen ruckartig mehrere Zentimeter nach oben.

Ein Raunen breitete sich am Freitagnachmittag (12.08.2022) über den Olympiaberg aus, so als wollte das Publikum den Wertungsrichtern am BMX Park direkt neben dem höchstgelegenen Biergarten Münchens nur mal kurz subtil mitteilen: "Genau hinschauen, diese Kim Lea Müller, die legt da gerade einen überragenden Run hin!"

Europameisterin Miculycova überrascht ebenfalls

Das kam dann auch an bei der Jury. Die bewertete Müllers Lauf bei den European Championships mit einer 78,6, was im Frauen-Finale bedeutete: Müller holte sich nach ihrem souveränen Run die EM-Silbermedaille im BMX-Freestyle Park. Völlig überraschend wohlgemerkt, und hinter der ebenfalls unerwarteten Europameisterin Iveta Miculycova aus Tschechien (80,00). EM-Bronze ging an Laury Perez aus Frankreich (78,20).

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Mit der Sonne als Glücksbringer

"Ich habe echt nicht damit gerechnet. Ich war einfach froh meinen Run geschafft zu haben, das hatte mir eigentlich gereicht", sagte Müller, die bei der EM im vergangenen Jahr noch Rang fünf belegt hatte.

Ihr Glücksbringer baumelte dabei um den Hals: eine Kette mit einer Sonne drauf. Der habe seine Dienste geleistet, fand Müller mit einem breiten Grinsen am Sportschau-Mikrofon. Auch ihre Eltern waren zur Unterstützung gekommen, die umarmte die 20-Jährige direkt nach ihrem größten Erfolg als Erstes - noch vor der Siegerehrung.

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Die Sonne lässt sogar den Blick aufs Alpenpanorama zu

Die Organisatoren hatten sich ja durchaus was überlegt, als sie die Rampen auf die Bühne Olympiaberg setzten. Schließlich flogen die weltbesten BMX-Radlerinnen so bei strahlendem Sonnenschein direkt vor der Frauenkirche und dem dahinterliegenden Alpenpanorama durch die Lüfte.

Nicht nur deshalb ist dieses Venue ein beeindruckendes, auch weil es mitten in die saftig, grünen Hügel des Olympia-Berges gepflanzt wurde und der Eintritt dazu frei ist. So kam ein großer Zuschauerschwung samt eigenen BMX-Rädern und Picknickdecken, auch viele Kinder schauten den fliegenden Frauen zu und schickten ihre Surfer-Grüße auf die Leinwand der Sportstätte und in die Welt.

Junge Sportart sucht Bekanntheit

Eine junge Sportart, die auch ein junges Publikum anzieht und echt begeistert, wie man all den kindlichen Freudenschreien und Applausen entnehmen konnte. "BMX ist noch nicht so bekannt. Dadurch, dass es hier dabei ist, kriegen es mehr Leute mit, wie cool BMX ist", sagte Müller.

Mehrere Kinder riefen nach dem Medaillengewinn auch laut nach "Kiiiiiim". Was aber auch diesen Schluss zulässt: Nachwuchsprobleme hat BMX unter den Sportarten der Multi-EM in München vermutlich am allerwenigsten.

"Macht mal Lärm!" - Müller überzeugt mit zweitem Run

Der Stadionsprecher wiederum bat trotzdem unaufhörlich: "Macht mal Lärm!" Recht viel mehr Anfeuerungsrufe hatte er zwar nicht parat, doch sie verfehlten an diesem Nachmittag ihre Wirkung nicht, ständig wurde es laut, die Schweizerin Nikita Ducarroz bekam so auch einen Geburtstagsjubel. Die zweite und letzte Entscheidung im BMX am Olympiaberg fällt am Samstagabend bei den Männern mit Paul Thölen und Timo Schulze aus deutscher Sicht - auch dann soll es schön warm werden, einladendes Wetter für die Familien.

Müller sorgte vor allem mit ihrem zweiten Run für gehörige Verzückung, als sie sich noch einmal von Rang vier auf zwei steigern konnte, "da habe ich alles gezeigt, was ich wollte." Und plötzlich übernahm das Publikum direkt ihr breites Grinsen von der Bühne. Sie habe alles aus dem Training umsetzen können und sich so nach vorne fahren können, fand auch der Bundestrainer Tobias Wicke: "Sie ist ein super-schüchternes Mädchen. Normal ist sie im Hintergrund, heute war die Bühne ihre."

Favorisierte Deutsche Lara Lessmann niedergeschlagen

Während Müller also lachte, weinte eine andere Deutsche, "heute war alles dabei", sagte der noch etwas mitgenommene und "ein bisschen sprachlose" Wicke. Denn Lara Lessmann, 22, hatte ihren ersten EM-Titel angestrebt, schaffte es aber anders als Müller nicht, auf den Punkt die besten Tricks abzurufen. Sie wurde Vierte, die dritte BDR-Starterin Rebecca Gruhn Siebte.

"Ich glaube, Lara hatte ein bisschen Probleme mit dem Wind", sagte Wicke. Bereits nach ihrem ersten Run, als sie noch Dritte war, wirkte Lessmann niedergeschlagen und den Tränen nahe. Sie suchte anders als ihre Konkurrentinnen den Weg weg von den Rampen und stützte sich abseits an einer Eisenabsperrung ab. So als ob sie irgendwie wusste: Heute ist einfach nicht mehr drin.

Wind am Olympiaberg macht es der BMX-Elite schwerer

Der Wind bereitete den BMX-Fahrerinnen da hoch droben auf dem Olympiaberg tatsächlich Probleme, gerade wenn sie für die besonders schwierigen Tricks lange in der Luft stehen. "Die Guten sind ja auch hingefallen", sagte Müller daher. Einige hatten sich mehr vorgenommen, konnten die Läufe aber nicht durchbringen. Die favorisierte Olympiasiegerin Charlotte Worthington (Großbritannien) stürzte im Finale mit acht Starterinnen gar zweimal und wurde Letzte.

Im Juni war Lessmann noch Zweite beim Munich Mash, da stand der BMX-Park aber nicht auf dem Berg, sondern etwas windsicherer am Olympiasee. Müller hatte schon damals gezeigt, dass sie sich daheim wohl fühlt, sie hatte den Best Trick Contest gewonnen. Nun also EM-Silber, ein weiterer Meilenstein in ihrer noch jungen Karriere. "München ist ab heute mein Lieblingsort", sagte Kim Lea Müller. Sie zuckte mit den Schultern. Was hatte sie da für einen Nachmittag am Olympiaberg geliefert - und was hatte sie da für ein Raunen ausgelöst.

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