DOSB-Präsident Thomas Weikert
interview

DOSB-Präsident Weikert "Wir machen uns Gedanken über Olympia in Deutschland"

Stand: 18.08.2022 22:11 Uhr

In Deutschland regte sich zuletzt Widerstand gegen IOC und Olympische Spiele. Aber: Die familiäre Atmosphäre der European Championships beflügelt. Kommt doch wieder eine Bewerbung? DOSB-Präsindent Weikert kann es sich vorstellen.

Sportschau: Warum glauben Sie, nehmen die Menschen diese Europameisterschaften so gut an?

Thomas Weikert: "Die Organisation ist prima, das kann man nicht anders sagen. Der Park ist super und erinnert natürlich sehr an 1972. Das sind meine ersten Olympischen Spiele, an die ich mich bewusst erinnern kann. Und das Wetter tut sein Übriges. Ich war gestern hier unterwegs privat, die Stimmung aufgesogen, gekuckt was an Musik gespielt wird, etwas gegessen - wirklich toll."

Ohne Gigantismus auf European Championships "aufbauen"

Liegt es daran, dass die Menschen keine Lust haben auf den Gigantismus, der bei Olympischen Spielen vorherrscht und eher das Familiäre wie hier bevorzugen?

Weikert: "Ich denke, man kann auch Olympische Spiele ausrichten, ohne einen Gigantismus zu haben. Hier ist eine sehr gute Veranstaltung mit neun Sportarten und man sieht, dass man darauf gut aufbauen kann."

DOSB-Mitgliederbefragung zu Olympiabewerbung

Es könnte also noch eine Weile dauern, bis Deutschland wieder Austragungsort ist, oder? Sie sehen die Chance dann doch in absehbarer Zeit? Bis 2032 sind die Olympischen Spiele ja erstmal vergeben.

Weikert: "Es ist so, dass wir uns natürlich Gedanken machen über Olympische Spiele in Deutschland, ob Winter oder Sommer. Und meine Kollegin Verena Bentele hat es ja schon gesagt: Wir überlegen das natürlich. Aber wir werden erst einmal die Mitglieder befragen generell. Wir werden einen Zeitplan vorlegen bei der nächsten Mitgliederversammlung im Dezember und dann werden wir weitersehen.

Wir werden nicht den Fehler machen, dass wir sagen, es wird A oder B. Wenn das so wird, werden wir viele Befragungen durchführen und dann mal schauen, was dabei herauskommt - ob Deutschland Olympia möchte."

Gibt es schon ein etwas konkreteres Konzept, dass bei der Mitgliederversammlung Ende des Jahres abgenickt werden soll?

Weikert: "Bitte haben Sie Verständnis, dass ich das jetzt noch nicht sage. Wir haben's im Präsidium auch noch nicht verabschiedet. Aber ich denke, es wird ein guter Zeitplan werden. Wir werden uns bemühen, das vernünftig rüberzubringen und ich bin davon überzeugt, dass die Mitglieder das als positiv empfinden werden und uns dann auch bei den Vorschlägen, die wir machen werden, folgen werden."

"Ohne Nachhaltigkeit brauchen wir nicht anzutreten"

Ein Problem ist sicher der praktizierte Gigantismus seitens des IOC, was die Olympischen Spiele angeht. Sehen Sie tatsächlich die Möglichkeit, dass das IOC davon abrückt und wieder zurückgeht zu einer familiäreren Veranstaltung, wie sie hier stattfindet?

Weikert: "Ich denke, das IOC hat das sehr wohl begriffen und jetzt auch mit den neuen Vergaben umgesetzt. Zum Beispiel nach Brisbane. Dort werden auch Stätten benutzt, die schon da sind. Und natürlich wird das in Zukunft auch so sein, dass man gar nichts anderes mehr machen darf, kann und auch will.

Sonst haben wir mit der Nachhaltigkeit ein großes Problem und das ist ein Schlagwort, das wir umsetzen müssen und was wir auch befolgen müssen, sonst brauchen wir überhaupt nicht anzutreten. Und es ist ja auch sinnvoll in der heutigen Zeit, das so zu tun."

Noch keine Gespräche mit IOC-Präsident Thomas Bach

Für Sie als DOSB-Präsident geht es auch darum, Vertrauen zurückzugewinnen in der Politik und natürlich auch bei den Bürgern. Wie schwer ist das, wenn das IOC daherkommt und von den Austragungsländern verlangt, dass ein "Host City"-Vertrag unterschrieben wird, der unter anderem verlangt, dass das IOC keine Steuern bezahlen muss?

Weikert: "Das ist sicherlich eine Frage, die diskutiert werden muss. Da werden wir zu gegebener Zeit - wenn wir uns entscheiden, Olympia auszurichten - darüber diskutieren. Das ist für die Zukunft sicher eine Frage, die man vielleicht auch anders beantworten muss."

Sprechen Sie darüber auch mit Thomas Bach? (IOC-Präsident, Anm.d.Red.)

Weikert: "Bisher haben wir noch nicht darüber gesprochen. Aber ich gehe davon aus, dass wir zu gegebener Zeit mit ihm oder seinem Nachfolger sprechen wollen und müssen."

Ist es ein sensibles Thema beim IOC?

Weikert: "Das kann ich nicht beurteilen, wir haben darüber noch nicht gesprochen."

Der DOSB und der "Pakt des Sports"

Sie kommen gerade von der Sportministerkonferenz und haben einen "Pakt des Sports" gefordert. Was beinhaltet der?

Weikert: "'Pakt des Sports' soll heißen - wir wollen eine Evaluierung haben bei den Bürgern: Was soll werden mit dem Sport in der Zukunft? Es liegt ja vieles im Argen, auch bedingt durch die Pandemie, da kann keiner was dafür. Aber wir müssen schauen, dass wir - angefangen bei den Kindern, über die Grundschule, die weiteren Schulen - schon von Anfang an Sport dort verankern, was bis heute nicht der Fall ist.

Ich ärgere mich dann immer, wenn der Sportunterricht in den Grundschulen ausfällt, bei meinem eigenen Sohn zum Beispiel. Das muss geändert werden. Da muss jeder mitmachen: die Politik, die Wirtschaft und eben auch der Sport - alle 'Stakeholder', die es gibt. Ich glaube, das ist ein sinnvolles Thema, das wir entsprechend umsetzen müssen, auch mit Blick auf Großveranstaltungen hier in Deutschland."

Das Interview führte Esther Sedlaczek.