Berliner mit den Olympischen Ringen bedruckt

Olympische Spiele in Deutschland? Bisher wenig Resonanz auf DOSB-Dialoginitiative

Stand: 06.10.2023 17:56 Uhr

Der deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wagt einen neuen Anlauf: Olympische Spiele in Deutschland. Er verspricht "neue" Spiele und sucht den Dialog mit der Bevölkerung, bevor es in den Bewerbungsprozess geht. Das gelingt bisher eher mäßig. Olympiagegner kritisieren das Vorgehen.  

Olympische Spiele in Deutschland – davon träumt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) schon lange. Versuche, das wohl größte Sportevent der Welt auszurichten, scheiterten wie zuletzt in Hamburg und München immer wieder. Insbesondere an Widerständen aus der Bevölkerung. Inklusive der geplanten Rhein-Ruhr-Bewerbung 2032 hat der DOSB sieben erfolglose Anläufe hinter sich.  

Alles neu – das verspricht der DOSB bei seinem jüngsten Versuch, die Olympischen Spiele nach Deutschland zu holen. "Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt kein feststehendes Konzept, sondern eine Vision, die wir jetzt mit der Bevölkerung, der Politik, den interessierten Städten und Regionen weiter erarbeiten wollen", so DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze. Unter dem Slogan "Deine Ideen, deine Spiele" hat der DOSB eine Kampagne gelauncht, um die Menschen in den Bewerbungsprozess einzubeziehen.

Deutsche Olympischer Sportbund

Über eine Plattform wird abgefragt, wie Deutschland über eine mögliche Bewerbung nachdenkt.

Neben digitalen Angeboten tritt der Verband bei Veranstaltungen in Leipzig, Berlin, München, Düsseldorf und Hamburg mit den Bürgern direkt in Kontakt. "Wir wollen eine Bewerbung, die von der Bevölkerung getragen wird, dann müssen wir mit ihr reden", sagte Holze. "Wenn rauskommt, wir wollen das nicht, dann ist ganz klar: Dann machen wir das auch nicht." 

Olympiagegner sind irritiert

Bei Olympiagegnern aus Hamburg sorgt der neue Vorstoß für Irritationen. Erst vor acht Jahren wurde dort die Bewerbung für die Olympischen Spiele durch einen Volksentscheid abgelehnt. "Ich finde, es ist eine Frage von Respekt gegenüber demokratischen Verfassungsorganen und Entscheidungen, nicht in so kurzen Intervallen immer wieder um die Ecke zu kommen und dann irgendwelche Beteuerungen abzugeben", sagt Dirk Seifert, einer der Mitbegründer der NOlympia Bewegung in Hamburg. "Ich habe eigentlich in Hamburg keinen Grund, mich jetzt noch mal mit der Frage befassen zu müssen, ob der DOSB irgendwas gelernt hat oder nicht." 

Bisher wenig Resonanz

Geführt wird der vom DOSB initiierte Dialog bisher nur in einer spitzen Zielgruppe in der Sportbubble. Dem Instagram-Kanal von "Deine Ideen, deine Spiele" folgten Anfang Oktober nicht einmal tausend Leute. Die Livestreams der digitalen Fachtalks blieben in der Regel bei zweistelligen Zuschauerzahlen. Neun Mal kamen Expertenrunden zusammen, um über Themen wie Nachhaltigkeit und Zukunftsentwicklungen zu diskutieren. Wirklich kontrovers wurde es selten, die meisten Speaker fanden Argumente für die Ausrichtung Olympischer Spiele. 

Beim ersten Dialogforum in Leipzig diskutierte der DOSB, wie Olympische Spiele in Deutschland aussehen könnten.

Auch beim ersten von fünf analogen Dialogforen in Leipzig kamen vor allem Olympia-Befürworter zusammen. Bei einer Abstimmung zu Beginn der Veranstaltung stimmten entsprechend 23 Menschen im Publikum für eine Austragung in Deutschland, nur eine anwesende Person stimmte dagegen. Auf dem Podium diskutierten am Vormittag DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze, Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, der Leipziger Bundestagsabgeordnete und zweifache Bahnrad-Olympiasieger Jens Lehmann sowie Para-Triathlet Martin Schulz, wie Spiele in Deutschland aussehen könnten. 

Rund 60 Menschen saßen währenddessen im Publikum. "Das erschüttert uns überhaupt nicht. Das waren die geladenen Gäste. Es wird sicherlich immer wieder der ein oder andere Gast vorbeikommen", so Stephan Brause, Leiter der DOSB-Stabstelle Olympiabewerbung im Laufe der Veranstaltung. "Das ist das, was uns wichtig ist. Nicht die, die sich schon mit dem Thema beschäftigt haben, sondern die, die spontan 'ach ihr macht hier irgendwas zu Olympia' und authentisch ihre Meinung sagen." Über die geladenen Gäste und Journalisten hinaus finden tatsächlich nur wenige Menschen den Weg in den Veranstaltungssaal in der Leipziger Innenstadt, auf den von außen nur ein kleiner Stand mit DOSB-Fähnchen aufmerksam macht.  

Noch viel offen

Den Dialog anzubieten sei richtig, allerdings müsse er auch angenommen werden, erklärt Dr. Christoph Bertling, Sportkommunikations-Experte von der Sporthochschule in Köln. Dass das aktuell noch nicht der Fall ist, sei aber nicht überraschend, "weil es momentan überhaupt ein sehr diffuses Meinungsbild gibt. Die Menschen werden sich höchstwahrscheinlich mit anderen gesellschaftspolitischen Sachen auseinandersetzen und nicht so wahnsinnig stark an Olympia denken". Es gäbe noch zu wenige praktische Andock-Punkte und konkrete Entscheidungen. Welches Jahr, welche Austragungsorte, mögliche Kosten – vieles ist bisher noch nicht konkret. 

 "Das scheint jetzt noch in einer Phase zu sein, in der der Dialog nicht funktionieren kann, weil es zu wenige Reibungspunkte gibt, dass man sich an konkreten Beispielen abarbeiten könnte." Die geringe Resonanz sollte jedoch auch nicht überbewertet werden, meint Bertling. "Es schreit momentan sicherlich niemand nach den Olympischen Spielen, aber das bedeutet nicht, dass sie dagegen sind", so der Kommunikationsexperte. Von der einen Sache könne man nicht auf die andere schließen. "Die Menschen gehen in den Dialog nicht rein, aber was die Umfragen später zeigen werden, das können wir jetzt auch noch nicht sagen." 

Bevölkerung soll entscheiden, aber wie?

Wie das Meinungsbild in der Gesellschaft letztendlich ausfällt, soll entscheiden, ob es eine weitere deutsche Olympia-Bewerbung gibt oder nicht. "Wir werden keine Bewerbung auf den Weg bringen, die nicht die breite Unterstützung der Bevölkerung hat", sagt Kerstin Holze. Dabei ist noch nicht klar, wie die öffentliche Meinung festgestellt werden soll. Heißt: Ob Referendum, Volksentscheid, Umfrage, oder anders ist noch nicht klar.  

Bei den Kritikern stößt dieses Vorgehen auf Unmut. "Ich denke, dass der DOSB überhaupt nicht in der Rolle ist, so was zu entscheiden. Wir haben demokratische Institutionen in Deutschland, die genau für solche Entscheidungsprozesse da sind", kritisiert Ulf Treger. Auch er setzte sich 2015 für die Initiative NOlympia Hamburg ein. Dirk Seifert meint: "Mein Eindruck ist, der DOSB will jetzt neue, andere Wege. Man hat zweimal gelernt, wo man - ich sage es mal salopp - auf die Nase gefallen ist durch Bürgerbefragung. Und nun versucht man es anders. Ohne ein klares Bekenntnis zu Volksentscheiden oder Referenden, würde ich sagen, braucht man so ein Verfahren gar nicht erst zu starten. Weil dann ist die Sorge natürlich allzeit da, dass am Ende mit irgendwelchen fadenscheinigen Mehrheitsdeutungen gearbeitet werden soll." 

DOSB verspricht "neue" Spiele

Der DOSB verspricht, die Bürger einbeziehen zu wollen, Kritik aufzunehmen und beruft sich auf den Reformprozess der Agenda 2020 und 2020+5 des IOC. "Reformprozesse, wie sie das IOC eingeleitet hat, brauchen immer einen kleinen Vertrauensvorschuss, das ist klar. Den geben wir. Es gibt erste Indikatoren, dass es greift", meint Stephan Brause. Der Bewerbungsprozess sei nun kostengünstiger, die Nachhaltigkeit von Bewerbungen erhalte mehr Beachtung. So könnten sich beispielsweise nicht nur Städte, sondern Regionen bewerben.  

"Früher musste sich der Gastgeber an die Spiele anpassen, jetzt passen sich die Spiele dem Gastgeber an. Im neuen Vertrag und den Vergabekriterien ist auch ganz klar adressiert, dass es um Themen wie Nachhaltigkeit, um die Einhaltung von Menschenrechten, um eine Reduktion der Kosten geht", sagt Vizepräsidentin Holze. Es seien "neue" Olympische Spiele auf die man sich nun bewerbe.  

"Ich finde das nicht glaubwürdig", sagt Ulf Treger. Er verweist auf die Olympische Charta: "Da steht drin, dass jedes Bewerberland und jede Bewerberstadt die Pflicht hat, sich komplett dem zu unterwerfen, was das IOC-Exekutivkomitee für notwendig erachtet, um Spiele durchzudrücken. Wenn jetzt der DOSB sagt, sie würden partizipative Ansätze verfolgen, dann kann das aus unserer Sicht eigentlich nur zur Akzeptanzsteigerung der Bewerbung dienen und nicht dazu, die Bewerbung grundlegend anders auszurichten, nachhaltiger, sozialverträglicher, ökologischer zu machen", so Treger.  

Die ersten Ergebnisse des Dialogs sollen Anfang Dezember auf der DOSB-Mitgliederversammlung präsentiert werden. Dann soll entschieden werden, wie man weiter verfährt.