Darts-Weltmeister Michael Smith, Spitzname "Bully Boy", küsst den WM-Pokal

Darts-WM Michael Smith - das lange Warten auf den großen Erfolg

Stand: 04.01.2023 11:21 Uhr

Lange Zeit galt Michael Smith als ein Unvollendeter, als einer, der einfach keinen großen Titel gewinnen kann. Das änderte er nun bei der Darts-WM in einem außergewöhnlichen Finale gegen Michael van Gerwen.

Der erste Weg führte Michael Smith zu seiner Familie. Der frischgebackene Darts-Weltmeister aus England stürmte von der Bühne in den Zuschauerraum, um dort seine Frau und seine beiden Söhne zu umarmen.

Die 3.000 Fans im Londoner "Ally Pally" feierten den "Bully Boy" unterdessen frenetisch, der unterlegene Finalist Michael van Gerwen aus den Niederlanden applaudierte sportlich fair.

Smith ist nun Nummer eins der Weltrangliste

Kurz danach durfte der 32-Jährige, der als Außenseiter in die Partie gegangen war, die begehrte Sid-Waddell-Trophy in die Luft stemmen. Er wusste nicht, wohin mit seinen Emotionen. "Abgesehen von der Geburt meiner Kinder war das der größte Moment meines Lebens", sagte er.

Im dritten Anlauf kürte sich Smith erstmals zum Champion und stürmte damit auch an die Spitze der Weltrangliste. Bei seinem hochverdienten 7:4-Erfolg gegen den langjährigen Dominator van Gerwen gelang ihm als erst zweitem Spieler in der Geschichte in einem WM-Finale ein Neundarter. "Er hat brillant gespielt", sagte van Gerwen nach einem der besten WM-Endspiele der Geschichte. Auch der als Nummer eins abgelöste Gerwyn Price aus Wales und der als Weltmeister abgelöste Peter Wright aus Schottland gratulierten. "Was für ein Finale", schrieb Price. 

Flut an 180er-Aufnahmen

Und damit hat er recht. Smith und van Gerwen stellten einen neuen Rekord an 180er-Aufnahmen in der Turniergeschichte auf. Sie warfen zusammen 37-mal die perfekte Aufnahme, 22-mal ging das auf die Kappe von Smith. Insgesamt fielen beim Saisonhöhepunkt der Professional Darts Corporation 901 Aufnahmen mit 180 Punkten. Die bisherige Bestmarke von 880 bei der WM 2019 wurde damit deutlich übertroffen.

Wie zwei Pfeilwurf-Maschinen

Den Höhepunkt lieferten die Finalisten in Satz zwei mit dem wohl besten Leg der WM-Geschichte: Erst verfehlte van Gerwen nach acht perfekten Darts die Doppel-12 nur knapp, dann machte es Smith nur wenige Sekunden später besser. Der erste Neundarter des Turniers war zugleich der erst 14. in der WM-Geschichte. In dieser Phase des Spiels konnte man denken, man sehe nicht zwei Sportlern zu, sondern zwei Pfeilwurf-Maschinen.

Der Sieg des Unvollendeten

Smith zerstreute in London auch letzte Zweifel an seiner Titeltauglichkeit. In der Darts-Welt galt er zuvor als der Unvollendete. 2019 gegen van Gerwen und im vergangenen Jahr gegen Peter Wright hatte er das WM-Finale verloren.

Ohnehin hatte sich der Engländer zuvor nie sonderlich hervorgetan, wenn es darum ging, wichtige Trophäen einzuheimsen. Dabei zog er oftmals erst im Finale den Kürzeren.

Der Sieg beim Grand Slam of Darts im britischen Wolverhampton im vergangenen November war sein erster Major-Titel - nach zuvor acht erfolglosen Finalen. Zuvor war Smith noch immer als Champion des Shanghai Darts Masters angekündigt worden. Das hatte er 2018 gewonnen.

An Krücken und aus Langeweile an die Scheibe

Seine ersten Pfeile warf Smith im Alter von 15 Jahren - aus Langeweile. Kurz zuvor hatte er sich bei einem Sturz mit dem Fahrrad die Hüfte gebrochen. Über mehrere Monate musste Smith auf Krücken gehen. Genervt schnappte er sich das Darts-Set seines Vaters. "Bis dahin hatte ich nicht einmal einen Dartpfeil berührt", erzählte er mal. An der Scheibe entpuppte sich Smith als echtes Naturtalent und warf noch an Krücken seine ersten 180er. Nach der Schule begann er zunächst eine Tischlerlehre, entschied sich dann aber doch für die Darts.

Söhne stehen schon bereit

Gut sechs Wochen nach der Initialzündung von Wolverhampton ist Smith, der im Halbfinale den Deutschen Gabriel Clemens bezwungen hatte, jetzt ganz oben angekommen. Vielleicht weil er trotz all seiner Finalpleiten mit der dazu nötigen Ruhe ins Endspiel ging. "Ich mache mir überhaupt keinen Druck", hatte er zuvor gesagt. Der Sieg wird ihm mit 500.000 Pfund Preisgeld versüßt.

Der neue Darts-Weltmeister Michael Smith posiert mit seiner Familie und dem WM-Pokal

Einen Teil wird er vielleicht in die Darts-Ausbildung seiner Söhne stecken. Michael junior und Kaspar werfen selbst schon fleißig Pfeile auf die Scheibe.