Florian Hempel ist fokussiert

Darts-WM 2023 Florian Hempel - "Jetzt bloß nicht verkacken"

Stand: 16.12.2022 15:34 Uhr

Es heißt, Darts wird im Kopf entschieden. Vor der am Donnerstag (15.12.2022) beginnenden Darts-WM 2023 in London hat die Sportschau mit dem deutschen Teilnehmer Florian Hempel über die mentale Seite des Sports gesprochen.

Sportschau: Würden Sie mir zustimmen, dass Darts ein brutaler Sport ist?

Florian Hempel: Definitiv. Es kommt auf Millimeter an. Das kennt man vielleicht vom Bogenschießen, ein Zentimeter am Auge sind hinten an der Scheibe ein paar Meter, so ähnlich muss man sich das beim Darts auch vorstellen.

Und was ist mit dem Kopf? Sind die eigenen Gedanken vielleicht der größte Gegner?

Ja. Wenn man die ausblenden kann, sich komplett aus dem eigenen Bewusstsein verabschiedet und das Unterbewusstsein machen lässt, dann kann man sehr gute Darts spielen. Man darf bewusst nichts an sich ranlassen, weder die Fans, noch den Gegner, noch sonst was.

Ich baue mir im Geist so eine Art Kuppel
Florian Hempel, deutscher Darts-Profi

Und wie machen Sie das?

Ich hab' einfach gelernt, die Gedanken von mir wegzuschieben. Ich sage mir, bleib' bei dir selbst, achte auf sonst nichts. Ich baue mir im Geist so eine Art Kuppel, an der alles abprallt. Dann regelt das Unterbewusstsein den Rest von alleine, weil das Schöne am Darts ist, die Scheibe hängt immer auf derselben Höhe, der Abstand ist immer derselbe, und die Felder sind immer gleich groß. Das heißt, was ich zu Hause gut kann, kann ich auch bei einer WM.

Stellen Sie sich diese Kuppel bildlich vor, unter der Sie dann wie in so einer Wohlfühloase sind?

Nein, so bildlich nicht. Also dass ich mich praktisch in meinen Trainingsraum versetze. Das hab' ich mal probiert, ist mir zu anstrengend, dieses Visualisieren. Was ich mache, ist mehr so ein Fokussieren. Vor der letzten WM hab' ich beim Training die Airpods reingemacht und mit voller Lautstärke Darts-Stimmung gehört, um zu lernen, mich mental dagegen abzuschirmen.

Dart-Profi Florian Hempel visiert die Scheibe an

Viele Weltklassesportler wie Novak Djokovic oder LeBron James praktizieren täglich die sogenannte Achtsamkeitsmeditation, wo es darum geht, negative Gedanken wie Zweifel an der eigenen Stärke einfach vorbeiziehen zu lassen …

Das müssen gar keine negativen Gedanken sein! Das kennt ja jeder Hobbyspieler, du spielst super Darts, bis kurz vorm Gewinnen, und auf einmal kommen so Gedanken wie "du spielst geil, jetzt bloß nicht verkacken!", und schon spürst du Druck. Das heißt, diese bewertenden Gedanken einfach wegschieben.

Darts-WM - "Jetzt bloß nicht verkacken"

Sportschau, 09.12.2022 20:03 Uhr

Leicht gesagt …

Ich mache das durch die sogenannte Hong-Soh-Atmung. Ich atme in heiklen Situationen langsam durch die Nase ein und stelle mir ein langgezogenes "Honnnng" vor, also wie so ein Gong-Schlag, das hat eine beruhigende Wirkung, und dann schiebe ich mit einem kräftigen Ausatmen die Gedanken weg. So lernt man auch, verpassten Chancen nicht hinterherzujammern.

Arbeiten Sie mit einem Mentaltrainer zusammen?

Hab' ich mal. Der hat mir ein paar Strategien vorgestellt und gesagt, nimm dir das, was sich für dich am besten anfühlt. Da sind dann dieses Kuppel-Bauen und die Atemtechnik hängen geblieben. Meditation mache ich nicht.

Wie sieht denn Ihr Trainingsalltag aus?

Ich stehe hauptsächlich vormittags am Board, so ab 9 Uhr. Trainiere dann so meine drei, vier Stunden. Wenn’s nicht so gut läuft, gehe ich abends noch mal für zwei Stunden ran. Den Rest des Tages nimmt das Organisieren meines Profilebens in Anspruch, wie zum Beispiel Reiseplanung.

Jetzt, in der Vorbereitung auf die WM, trainiere ich deutlich mehr, da kommen abends dann auch noch mal vier Stunden zusammen. Außerdem gehe ich raus und spiele kleine Turniere, um Matchpraxis zu bekommen. Ansonsten trainiere ich alleine.

Alleine? Kann man da diese Drucksituationen, von denen wir sprachen, überhaupt simulieren?

Ja, das geht. Du rufst dir einfach so eine Situation ins Gedächtnis und stellst dir vor, der Gegner fängt mit einer 180 und einer 140 an, da musst du jetzt einfach mal hinterhergehen.

Mit welchem Gefühl fahren Sie jetzt nach London?

Mit einem guten. Nachdem es das Jahr über eher durchwachsen gelaufen ist, habe ich am Ende die Superleague (Anmerkung d.Red: das deutsche WM-Quali-Turnier) gewonnen. Da hab' ich über fünf Tage gezeigt, dass ich gute Darts spielen kann, von 27 Spielen habe ich nur drei verloren, mein Scoring hat gestimmt, meine Doppelquote hat gestimmt, dieses Selbstbewusstsein nehme ich jetzt mit.

Bei der WM geht’s allerdings anders zur Sache. Riesenbühne, Tausende Fans, Conférencier, Walk-On mit ihrem Song "Kölsche Jung" – prallt das auch alles an Ihnen ab oder versagt da die Kuppel?

Den Walk-On sauge ich auf jeden Fall auf! Das ist Gänsehaut, das ist das Gefühl, wofür man eigentlich Profisport macht. Ich freu' mich richtig darauf, das ist ein Wahnsinnsgefühl. Ich bin dankbar, dass ich das machen darf. Aber sobald man oben auf der Bühne ist, müssen diese Gefühle alle wieder weg. Sobald ich die Darts in der Hand habe, ist dann Fokus angesagt.

Das Gespräch führte Frank Meyer.