Boxen | Schwergewicht Boxkampf Fury gegen Whyte - Schatten über Wembley

Stand: 22.04.2022 12:03 Uhr

94.000 Fans werden sich den WM-Kampf zwischen Tyson Fury und Dillian Whyte im Londoner Wembley-Stadion ansehen. Überschattet wird das Duell von Furys Verbindungen zu einem international gesuchten, mutmaßlichen Verbrecher.

Die Kampfrekorde sind beeindruckend. Tyson Fury ist als Profi unbesiegt, hat 31 seiner 32 Kämpfe gewonnen. Bei Dillian Whyte sieht die Bilanz minimal anders aus: Er verließ nach 28 von 30 Kämpfen den Ring als Sieger.

Fury gilt trotzdem als klarer Favorit. Darüber könne er aber nur "lachen", sagte der 2,06-m-Hüne. Die Wettquoten für den Ausgang des Kampfes stammten "offensichtlich von Leuten, die keine Ahnung vom Boxen haben", sagte er.

Und dann fügte der als Rüpel bekannte WBC-Champion hinzu: "Das ist ein Schwergewichtsboxkampf, den jeder mit einem Schlag gewinnen kann. Wenn ich nicht in Bestform bin, wird dieser Mann mir den Kopf von den Schultern schlagen." 

"Wir haben nicht zusammen geschlafen, Bruder"

Diese Art der Wertschätzung kommt nicht von ungefähr: Fury und Whyte kennen sich seit vielen Jahren. "Er war vor vielen Jahren mein Sparringspartner. Wir waren gute Freunde, wir sind was trinken gegangen, haben zusammen gegessen, wir haben zusammen geschlafen", sagte der 33 Jahre alte Weltmeister auf der Abschluss-Pressekonferenz. Und stutzte grinsend. "Was?", intervenierte Whyte, "wir haben nicht zusammen geschlafen, Bruder". 

Nicht der Sport dominiert die Berichterstattung

Der lockere Ton täuscht darüber hinweg, dass ein ganz anderes Thema einen Schatten auf Weltmeister Fury und das Wembley-Stadion wirft: Seine Verbindungen zu Daniel Kinahan, einem Iren, der nach Ansicht verschiedener Ermittlungsbehörden als Kopf eines Drogenkartells gilt, als wichtige Größe in der organisierten Kriminalität in Europa.

Kinahan selbst wies diese Vorwürfe stets zurück. Doch am 11. April setzte auch das US-Finanzministerium ihn und seine Familie auf die Sanktionsliste.

Enge Beziehung zu mutmaßlichem Drogenboss?

Tyson Fury war in Interviews zuletzt eher kurz abgebunden bis ungehalten, wenn er auf seine Beziehung zum mutmaßlichen Drogenboss angesprochen wurde. Dabei ist Daniel Kinahan nachgewiesenermaßen ein großer Förderer Furys, beide profitierten voneinander. Die von Kinahan gegründete Box-Management-Firma MTK sorgte mit für Furys Aufstieg in die Weltspitze - und Furys Erfolge machten MTK zu einem der wichtigsten Management- und Promotionunternehmen im Boxen auf der Welt.

2017 hat sich Kinahan offiziell aus dem Unternehmen zurückgezogen. Doch es gab auch danach immer wieder Fotos oder Social-Media-Postings, die auf eine weiterhin enge Beziehung der beiden hindeuten.

Tyson Fury dankte Kinahan beispielsweise 2020 in einem Videoposting dafür, dass er den lange ersehnten Kampf gegen den damals anderen britischen Schwergewichtschamp Anthony Joshua nach langem Gezerre eingetütet habe: "Großes Lob, Dan! Er hat es geschafft". Er habe kurz vor dem Video noch mit Kinahan telefoniert, sagte er damals im gleichen Clip.

Whyte-Kampf als Karriere-Endpunkt?

Der Kampf gegen Joshua fand nie statt, weil Fury aus Vertragsgründen einen dritten Kampf gegen Deontay Wilder bestreiten musste. Fury gegen Whyte ist sozusagen die "Lightversion" dieses größten Kampfes in der Geschichte des britischen Boxens.

Und nach diesem Kampf soll für Fury Schluss sein, auch wenn der Vereinigungskampf gegen Alexander Usyk noch ausstehen würde. Der Ukrainer Usyk hält seit seinem Sieg gegen Anthony Joshua die Gürtel der Verbände WBA, WBO und IBF. Doch Fury beharrt auf seinem Abschied. Auch wenn er "weiß, dass mir niemand glaubt, weil sie alle denken, dass ich hinter Geld oder was auch immer her bin"

Fury: "150 Millionen Dollar auf der Bank, jung, gesund"

Klar, das muss der Vater von sechs Kindern auch nicht mehr sein. Zumindest, wenn man seinen eigenen Angaben Glauben schenken will: "150 Millionen Dollar auf der Bank, jung, gesund. Ich werde mir eine riesige Yacht im Ausland kaufen", sagte der Brite.

In die so entstehende Lücke würde der 34-jährige Whyte natürlich nur zu gerne stoßen: erst Fury vom Thron stoßen, dann selber groß rauskommen. Vom Kleinkriminellen zum Superstar. Geboren auf Jamaika, groß geworden auf den Straßen in der Nähe des Wembley-Stadions. In der Jugend angeschossen, niedergstochen, mit 13 bereits Papa. "Ich bin diese Art von Kämpfer, der alles tut, was er tun muss. Ich habe keine Angst, Risiken einzugehen -  ich bin mein ganzes Leben lang Risiken eingegangen." 

So oder so acht Millionen Dollar für Whyte

In jedem Fall bringt Whyte der bevorstehende Kampf gegen Fury acht Millionen Dollar ein. Ob es viel mehr wird, hängt vom Ausgang des Kampfes ab. Und davon, ob Fury wirklich abtritt. Ob das tatsächlich so kommt, weiß vermutlich nur der Champion selbst.