Boxen | WM Box-WM ohne Kosovo - Eklat mit Ansage

Stand: 27.10.2021 07:00 Uhr

Boxern aus dem Kosovo ist die Einreise nach Serbien zur WM verweigert worden. Der skandalumwitterte Weltverband AIBA drückte seine Enttäuschung aus, das war es aber auch. Für die Außenministerin des Kosovo ist das "der eigentliche Skandal".

Die Namen von 510 Boxern stehen auf der offiziellen Meldeliste, zugeordnet 88 nationalen Verbänden. Es gibt auch zwei "Fair Chance Teams", in denen Athleten verteten sind, die überwiegend wegen politischer Konflikte aus ihren Heimatländern flohen und daher nicht mehr für diese Länder antreten.

Die Verbände sind alphabetisch geordnet, daher müsste zwischen den sieben Boxern aus Südkorea (KOR) und Walter Oupathana aus Laos (LAO) das Kürzel KOS für Kosovo auftauchen. Doch es fehlt, genau wie die Athleten aus dem Kosovo bei der WM der Männer in Belgrad fehlen. Sie haben keine faire Chance bekommen. Dabei waren sie angemeldet, und sie waren auch auf dem Weg, an der Grenze wurden sie jedoch am Samstag (24.10.2021) abgewiesen, nach ihren Angaben mehrmals.

Einreise nur ohne Sportkleidung

Der Verbandsekretär, der die drei betroffenen Boxer im Auto begleitete, schilderte die Abläufe der Außenministerin des Kosovo, Donika Gërvalla-Schwarz. Demnach, so Gërvalla-Schwarz in einem Telefonat mit der Sportschau, sei die Delegation an der Grenze angemeldet gewesen. Nach einer Taschenkontrolle hätten die serbischen Grenzer verlangt, die Sportkleidung mit den nationalen Symbolen des Kosovos zurückzulassen, um einreisen zu dürfen. Dies habe der Funktionär abgelehnt.

Die Außenministerin habe dann die AIBA und die Botschafter der sogenannten Quint-Gruppe informiert, Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Italiens. Auch die EU, die den Kosovo als potenziellen Beitrittskandidaten führt, sei benachrichtigt worden, genau wie Thomas Bach, der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.

"Es hat alles nichts geholfen", so Gërvalla-Schwarz, die mäßig überrascht von dem Affront der Serben gewesen sei: "Das ist nur einer von vielen Fällen. Es war auch keine Entscheidung der Grenzpolizisten, sondern die kam von ganz oben aus Belgrad."

"Dass es keine Konsequenzen hat, ist der eigentliche Skandal"

Eine Stellungnahme der Serben zu den Vorfällen ist nicht bekannt, der serbische Boxverband als Veranstalter der WM reagierte bislang nicht auf eine Anfrage der Sportschau.

Das trifft auch auf den Weltverband AIBA zu, der jedoch zwei öffentliche Stellungnahmen zu dem Eklat abgab. Darin behauptet er, dass die serbischen Veranstalter der kosovarischen Delegation die EInreise im Vorfeld zugesichert hätten. Die AIBA werde auch weiterhin darauf einwirken, dass die Kämpfer aus dem Kosovo noch einreisen dürfen. Redundant erklärt die AIBA, dass der Sport doch einen und jedem der Zugang zu dem Turnier gewährt werden solle.

Für Donika Gërvalla-Schwarz sind das nur Lippenbekenntnisse: "Dass es keine Konsequenzen hat, ist der eigentliche Skandal."

Ratschlag des IOCs ignoriert

Der Weltverband AIBA bleibt in seinem wortreichen "Update" zum Eklat gegenüber dem Gastgeber im Ton sehr mild. Von Sanktionen wegen des gebrochenen Versprechens der problemlosen Einreise ist keine Rede. Die AIBA, die den kosovarischen Boxverband 2014 aufnahm, rechtfertigt mit dem Versprechen die Vergabe der WM nach Belgrad, obwohl das IOC aufgrund der bekannten Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo davon abgeraten hatte.

Kosovo von vielen Länder nicht anerkannt

Der Kosovo war als autonome Region Bestandteil der Republik Serbien innerhalb der Bundesrepublik Jugoslawien, nach dessen Zerfall zur Republik Serbien. Nach einem Krieg zum Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde der Kosovo zunächst unter die Verwaltung der Vereinten Nationen gestellt, am 17. Februar 2008 erklärte die Republik ihre Unabhängigkeit. Deutschland erkannte den Staat schon drei Tage später an, andere Länder, darunter fünf aus der Europäischen Union, machen dies bis heute nicht. Russland steht besonders eng an der Seite Serbiens, vor allem deshalb ist der Kosovo auch kein Mitglied der Vereinten Nationen.

Wie vergiftet das Verhältnis zwischen dem Kosovo und Serbien ist, macht folgende Aussage von Gërvalla-Schwarz deutlich: "Ich als Außenministerin spreche nicht mit den Serben, weil es keinen Sinn macht. Die serbische Seite tut so, als seien wir noch im Krieg."

Zwischen Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) gebe es immerhin Kontakt, bei Sportverbänden könne sie sich das immerhin vorstellen. Ob es einen Gesprächsversuch zwischen dem kosovarischen und serbischen Boxverband gegeben habe, wisse sie nicht.

Will die AIBA wirklich helfen?

Da die skandalumwitterte AIBA von dem zwielichtigen Russen Umar Kremlew geführt wird, ist auch im Fall der kosovarischen Boxer kaum davon auszugehen, dass sie ernsthafte Hilfe vom Weltverband erhalten haben und werden.

Es sei denn, das IOC würde den Druck erhöhen, denn die AIBA steht unter besonderer Beobachtung. Wegen diverser Skandale, über die Sportschau-Experte Robert Kempe ausführlich im Podcast von "Sport inside" berichtete, suspendierte das IOC den Verband der Boxer von den Olympischen Spielen 2020, richtete das Turnier in Tokio selbst aus.

Suspendierung von Olympia 2020

Eine neuerliche Suspendierung oder gar ein dauerhafter Ausschluss würden gravierende finanzielle Folgen haben, sodass die AIBA auf das Wohlwollen des IOC angewiesen ist.

Ein Sprecher des IOC rügte die AIBA, dass sie den Rat ignoriert habe, die WM nicht nach Serbien zu vergeben. Von einem Appell an die Serben war noch nichts zu hören.

FIFA schließt Spiele zwischen Kosovo und Serbien aus

Andere Sportverbände meiden mögliche Zwischenfälle, wie sie an der Grenze passierten. So schreibt der europäische Fußballverband UEFA vor, dass der Kosovo nicht gegen Serbien gelost werden darf. Auch Spiele gegen Russland und Bosnien-Herzegowina sind ausgeschlossen.