Skispringen Helmut Recknagel: Der "Schanzen-Sputnik" wird 85

Stand: 19.03.2022 08:48 Uhr

Er gilt als Pionier des Skispringens, gewann als erster Deutscher Olympia-Gold, den WM-Titel und die Vierschanzentournee: Am Sonntag feierte Helmut Recknagel seinen 85. Geburtstag.

Helmut Recknagels größter Wunsch wird unerfüllt bleiben. "Ich möchte noch einmal 19 sein und 250 Meter springen", sagte Deutschlands erster Skisprung-Olympiasieger, jetzt wurde der "Schanzen-Sputnik" 85 Jahre alt.

Bommelmütze und "Batman-Stil"

Der Thüringer Pionier hat vielen seiner Nachfolger die Türen geöffnet. Mit Holzbrettern, Bommelmütze und im "Batman-Stil" mit nach vorn gestreckten Armen hob der Werkzeugmacher aus Steinbach-Hallenberg die Skisprungwelt aus den Angeln.

Oft war er der erste seiner Art: In seinem Traumalter von 19 gewann er 1957 als erster Deutscher die legendären Holmenkollenspiele in Oslo. "Es schien, als sei im Vatikan eine Frau auf den Stuhl Petri gestiegen", schrieb Recknagel dazu in seiner Autobiographie.

Helmut Recknagel: Der Mann für die Premiere-Siege

1958 gewann er wieder als erster Deutscher die Vierschanzentournee, wurde zwei Jahre später Olympiasieger, erster deutscher Weltmeister. "Den Olympiasieg von 1960 und die fünf Erfolge bei den Skiflugwochen zwischen 1957 und 1962 stelle ich auf eine Stufe", sagte Recknagel, den die folgenden Größen der DDR-Springer, Hans-Georg Aschenbach und Jens Weißflog, als großes Vorbild nennen.

Als er auch im Skisprung-Mekka Planica mit Schanzenrekord gewann, "war ich der Komet, die Rakete. Ein Blatt nannte mich gar Skisprung-Sputnik." Ein komplett linientreuer DDR-Athlet war Recknagel allerdings nicht, lag mit der Sportführung auch über Kreuz.

"Wir sind Sportler und keine kalten Krieger"

Als 1958 nach seinem Sieg in Oberstdorf versehentlich die westdeutsche Nationalhymne gespielt wurde, kam es zum Eklat. "Ich sprang vom Podest und gab die Trophäe zurück", so Recknagel. Erst als sich der Oberbürgermeister entschuldigte, glätteten sich die Wogen.

Auch als Recknagel vor seinem Olympiasieg Fahnenträger der gesamtdeutschen Mannschaft war, verlief das nicht geräuschlos. "Einige Blätter schrien Protest. Man könne auf keinen Fall dem 22-jährigen Kommunisten ins Stadion folgen", sagte er, der immer betonte: "Wir sind Sportler und keine kalten Krieger."

Bewegtes Leben nach der Karriere

Nach der Karriere blieb es turbulent: Recknagel holte die Hochschulreife nach, studierte Veterinärmedizin, promovierte mit einer Untersuchung an Albino-Ratten. Nach der Wende saß er plötzlich auf der Straße, hielt sich mit ABM-Stellen über Wasser. Dann gründete er ein Krankentransport-Unternehmen, ehe er 1996 ein Sanitärhaus in Berlin-Friedrichshain eröffnete.

Die Hauptsache aber: Von schweren gesundheitlichen Problemen vor anderthalb Jahrzehnten hat sich Recknagel erholt, kann das Leben genießen. "Gesund bleiben, die Zeit nutzen und nicht vor 88 Jahren die Ohren anlegen", nannte er einmal als Ziel.