İlkay Gündoğan beim Testspiel gegen Frankreich

DFB-Test gegen die Türkei Vom Buhmann zum Anführer: Gündogan vor "besonderem" Spiel

Stand: 13.11.2023 20:00 Uhr

Seine Erfolge sind unbestritten. Doch Kapitän İlkay Gündoğan steht wegen seiner wechselhaften Vergangenheit im DFB-Trikot am Samstag gegen die Türkei vor einer brisanten Partie.

Von Hannes Nebelung

Für seine Teamkollegen und Bundestrainer Julian Nagelsmann ist die Sache klar: İlkay Gündoğan ist einer der besten deutschen Fußballer und eine tragende Säule in der Nationalmannschaft. Das Starensemble Manchester City führte der 33-Jährige in der vergangenen Saison zum historischen Triple-Erfolg, wurde im Anschluss von der Presse zum Spieler des Jahres 2023 gewählt.

Gündogan: Jemand, "der nie rumschreit"

Auch im DFB-Team stieg Gündoğan - inzwischen beim FC Barcelona unter Vertrag - zum Kapitän auf. Erst Hansi Flick und jetzt auch Julian Nagelsmann setzen voll und ganz auf den Mittelfeldstrategen, der 2009 beim 1. FC Nürnberg den Sprung in den Profifußball schaffte. Als jemand, "der nie herumschreit", bezeichnete Nagelsmann den früheren Nürnberger und Dortmunder.

Auch wenn er kein Lautsprecher ist, war Gündoğan in Fußball-Deutschland viel Jahre sehr umstritten - vor allem wegen außersportlicher Ereignisse. Der Foto-Eklat mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdoğan bestimmte lange Zeit die öffentliche Meinung um Gündoğan. Nun steht am Samstag ausgerechnet ein Testspiel gegen die Türkei an (20.45 Uhr, live im Audiostream), zum ersten Mal trifft Gündoğan damit auf das Heimatland seiner Eltern.

Türkei-Spiel im Olympiastadion "besonderes Spiel"

"Er ist ein erfahrener Spieler, er kennt das. In der Champions League bei Borussia Dortmund, Manchester City oder beim FC Barcelona hat er gegen türkische Klubs gespielt", wiegelte DFB-Sportdirektor Rudi Völler im BR24Sport-Exklusivinterview ab. Genau genommen traf Gündoğan lediglich 2014/15 mit dem BVB auf Galatasaray, diese Begegnungen bezeichnete er damals als "sentimental".

Das Duell im Berliner Olympiastadion ist da mutmaßlich eine etwas größere Nummer. "Es ist ein besonderes Spiel für ihn, besonders für seine Familie", sagte Völler: "Das Stadion wird wohl ausverkauft sein, es werden auch viele türkische Freunde im Stadion sein." Der Besuch des türkischen Präsidenten Erdoğan, der sich just am Wochenende in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz trifft, könnte möglicherweise auch auf der Tribüne zuschauen. In politisch aufgeladenen Zeiten ein heikles Szenario.

Erdoğan-Foto als DFB-Tiefpunkt für Gündoğan

Mit eben jenem Erdoğan hatte sich Gündoğan gemeinsam mit Mesut Özil bei einem persönlichen Treffen im Mai 2018 ablichten lassen. Der türkische Machthaber befand sich damals im Wahlkampf, weshalb in Deutschland eine hitzige Debatte um die deutsch-türkischen Nationalspieler entbrannte. Es folgte ein Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der Tiefpunkt in der DFB-Karriere von Gündoğan.

Obwohl sich der damalige City -Spieler (im Gegensatz zu Özil) öffentlich erklärte, wurde er im Juni 2018 bei den Vorbereitungsspielen für die WM in Russland gnadenlos ausgepfiffen. Gündoğan soll dies sehr nahe gegangen sein, zudem wurde die Scheibe seines Autos zerstört. Nach dem Vorrunden-Aus in Russland wurde vor allem Özil zum Buhmann ernannt, auch weil Gündoğan nur 60 Minuten zum Einsatz kam.

Was Gündoğan von Özil unterscheidet

Während Özil im Anschluss seine DFB-Karriere beendete und dem Verband sowie der deutschen Gesellschaft Doppelmoral und Rassismus vorwarf, wurde es um Gündoğan ruhig. Schon im März 2019 war er deutscher Kapitän, als er in der Halbzeit des Länderspiels gegen Serbien die Binde von Manuel Neuer übernahm.

Ein halbes Jahr später dann wieder Aufregung: Gündoğan hatte einen umstrittenen Post seines ehemaligen Mitspielers Cenk Tosun mit einem Like versehen. Auf dem Foto hatten die türkischen Nationalspieler einen umstrittenen Militärgruß gezeigt. Wenig später nahm er das Like "bewusst" zurück. "Glauben Sie mir: Nach dem letzten Jahr ist das Letzte, was ich wollte, ein politisches Statement zu setzen", beteuerte Gündoğan.

Aufstieg zum DFB-Leader für Heim-EM

Sowohl nach dem Achtelfinal-Aus bei der EM 2020 und dem Debakel bei der WM in Katar ließ Gündoğan seine DFB-Zukunft offen, entschied sich dann jedoch, weiter für Deutschland zu spielen. Durch seine Erfolge als Kapitän bei Manchester City schaffte er es auch im deutschen Team zum Anführer. Erst war Gündoğan der Vertreter des verletzten Manuel Neuer, nun machte ihn Nagelsmann zum unumstritten Leader für die Heim-EM im kommenden Sommer.

Dann hat Gündoğan die Chance, sein Bild in der deutschen Öffentlichkeit endgültig ins Positive zu drehen. Eine erfolgreiche Europameisterschaft im eigenen Land würde dem gebürtigen Gelsenkirchener die Anerkennung bescheren, die er im Ausland schon seit Jahren genießt.