Max Eberl

BR24 Sport FC Bayern München: Wieso Eberls Transfers direkt sitzen müssen

Stand: 03.04.2024 12:26 Uhr

Während internationale Konkurrenten sich erneuern, vertraut der FC Bayern München in weiten Teilen immer noch den Spielern des Triple-Siegs 2020. Nun soll unter Sportvorstand Max Eberl endlich ein Umbruch erfolgen – erste Ergebnisse dürften dauern.

Von Johannes Kirchmeier

Ein leeres Stadion in Lissabon steht für den größten Erfolg des FC Bayern München in der jüngsten Zeit. Vor unbesetzten Rängen im Estadio da Luz (Stadion des Lichts) feierten die Münchner den Champions-League-Triumph 2020 unter Hansi Flick – mitten in der Corona-Pandemie. Sie vollendeten damit ihre Triple-Saison aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. Nur einmal, im Jahr 2013, waren ihnen das zuvor gelungen.

FC Bayern schied zuletzt jeweils spätestens im CL- und DFB-Pokal-Viertelfinale aus

Joshua Kimmich schlug beseelt vom Sieg auf eine mitgebrachte Trommel ein – und während Leon Goretzka in der Kabine sein Trikot oben ohne durch die Luft schleuderte, feierte Manuel Neuer gediegener, noch im Torwarttrikot des Spiels. Den Henkelpott brachte übrigens David Alaba in die Umkleide.

Seither herrscht allerdings Ernüchterung beim FCB. Weder im Pokal noch in der CL sind die Münchner in den anschließenden drei Spielzeiten übers Viertelfinale hinausgekommen. In diesem Jahr scheiterten sie im Pokal an Saarbrücken in Runde zwei, in Europas Königsklasse fordern sie nun den FC Arsenal in der Runde der letzten Acht. Einen Triumph wie in Lissabon trauen den Münchnern nach dem niederschmetternden 0:2 gegen Borussia Dortmund am vergangenen Wochenende gerade die wenigsten zu. Und ja, in der Fußball-Bundesliga verpassen die Bayern wohl ihre erste Meisterschaft seit 2012, zu weit sind die Leverkusener mittlerweile weg.

Tuchel kennt seine FCB-Stammelf bereits aus dem CL-Finale 2020

Was sich seit 2020 in weiten Teilen nicht verändert hat: Die glücklichen Gesichter von damals sind die enttäuschten von jetzt. Allen voran etwa Goretzka und Kimmich. Der aktuelle FCB-Coach Thomas Tuchel, damals Trainer des Finalgegners Paris St. Germain, hat seinen Kader des Spieljahres 2023/24 also in weiten Teilen schon im August 2020 aus nächster Nähe begutachten dürfen.

Und das ist im Weltfußball nicht immer nur ein Qualitätsmerkmal. Schließlich stehen dort Triumphe auch für Erneuerung. Lähmt die Münchner also ein wenig ihre Kontinuität? Dass mit Ausnahme von Jamal Musiala, Leroy Sané (2020 von ManCity gekommen) und Harry Kane (2023 von Tottenham gekommen) so gar kein neuer absoluter Stammspieler auftaucht, ist bei mehr als 20 teils sündteuren Zugängen schon überraschend. Eine echte neue Führungsachse fehlt.

"Bei den Spielerprofilen muss wieder mehr auf die Persönlichkeit geschaut werden. Es geht um das 'Mia san mia', wie Profis den Verein leben. Dass sie Bayern im Herzen tragen und man nicht das Gefühl hat, sie wollen nur aus finanziellen Gründen für den Verein spielen", kritisiert der Sky-Experte Lothar Matthäus.

Stützen Alaba und Thiago wurden nie adäquat ersetzt

Vor allem, wenn man bedenkt: Der Pokalträger Alaba fehlt dem FC Bayern heute – und auch Thiago Alcântara, zwei echte Stützen der Münchner gerade im Spielaufbau mit Ball und der damit verbundenen Verhinderung von Gegentoren. Der damalige Sportvorstand Hasan Salihamidzic versuchte die beiden entweder mit Bordmitteln oder mit teuren Transfers (Upamecano, de Ligt, Kim) zu ersetzen. Beides misslang. So sehr, dass sich Tuchel im Sommer 2023 sehnlichst eine "Holding Six" wünschte. Doch diesen streng defensiven Mittelfeldspieler bekam auch er nicht - Declan Rice spielt mittlerweile beim FC Arsenal und sorgt dort für die in München vermisste Stabilität.

Alaba zieht das Spiel dagegen mittlerweile bei Real Madrid auf, mit dem er einen weiteren CL-Titel errang. Real erneuerte sich jüngst unter Carlo Ancelotti, gab etwa Mittelfeld-Abräumer Casemiro ab, setzt auf junge Hochkaräter wie Jude Bellingham und Eduardo Camavinga, baute die Innenverteidigung um - und zählt trotzdem zum engsten Favoritenkreis der CL in diesem Jahr. Das Gleiche gilt für dessen Viertelfinalgegner Manchester City: Das trennte sich im vergangenen Sommer direkt nach dem CL-Titel von Riyad Mahrez oder Ilkay Gündogan. Dafür kamen andere Führungsfiguren: Mateo Kovacic, Josko Gvardiol oder Jérémy Doku.

Eberl muss Versäumnisse im Eilverfahren angehen

Ein echter Umbruch beim FC Bayern unter Salihamidzic? Fehlanzeige. Der neue Münchner Sportvorstand Max Eberl muss nun gemeinsam mit seinem Sportdirektor Christoph Freund diese Versäumnisse aus vier Jahren im Eilverfahren bis Ende September angehen, da nun offenbar auch ein verbliebener Führungsspieler wie Kimmich zweifelt, ob er in München bleibt. Allem Anschein nach stehen im Sommer-Transferfenster auch bis auf Kane, dem 2020er-Finaltorschützen Kingsley Coman, Thomas Müller, Musiala und Manuel Neuer so ziemlich alle Spieler auf dem Prüfstand.

Das heißt im Umkehrschluss: Die nächsten Entscheidungen für Zugänge müssen erst recht sitzen und sich mit dem Klub mehr identifizieren als zuletzt etwa Sadio Mané, Benjamin Pavard oder Ryan Gravenberch. Mehr personeller Aderlass im Stile des dann fehlenden "Mia san mia", wie Matthäus sagen würde, würde dem Verein schließlich noch mehr schaden. Stattdessen braucht der Klub wieder echte Stützen à la Alaba oder Thiago. Das bayerische Sieger-Gen in der Bundesliga, samt der so vielen späten Tore und Wendungen, das sie trugen: Das markiert inzwischen vor allem das einstige "Vizekusen" Bayer 04 Leverkusen für sich, mit dem Ex-Münchner Xabi Alonso als Coach - und dem vom FCB ausgeliehenen Josip Stanisic in der Verteidigung.

FC Bayern vertraut dem bewährten Transfer-Experten Max Eberl

Vor dem Sommer-Einkauf herrscht allerdings noch ein gewaltiges Fragezeichen, das erste Entscheidungen verhindert. Während das Ende von Trainer Thomas Tuchel nämlich besiegelt ist, steht dessen Nachfolger noch nicht fest. Die Marschroute gab der Sportvorstand aber schon bei seiner Antritts-PK bekannt: Man müsse "den passenden Trainer für Bayern München finden und dann auch die passenden Spieler". Also erst, wenn der Trainer klar ist, bestenfalls im Laufe des Aprils, kommen auch die Kicker dafür hinzu. Damit eben nicht eine "Holding-Six"-Leerstelle im Kader wie nach dem Weggang von Javi Martínez 2021 entstehen kann.

Vom gebürtigen Niederbayern Eberl erhoffen sich die Vereinsoberen beim FCB gerade dessen in den vergangenen beiden Jahrzehnten erworbene Expertise als Einkäufer und Kadergestalter. "Neue Spieler zu finden ist eine Aufgabe, die ich seit Jahrzehnten mit Freude mache", sagt er selbst. "Natürlich ist der Aufgabenzettel sehr groß, aber es gibt mir eine große Freude. Es macht einfach Spaß, du merkst, dass alle an einem Strang ziehen, um den FC Bayern für eine erfolgreiche Zukunft aufzustellen."

Damit – auch das war ja ganz anders als die Transfers ein Problem des FC Bayern seit 2020 - nicht wieder frühzeitig der Trainer ausgetauscht werden muss. Dort erlebte der FCB in der Tat Erneuerung und Richtungswechsel - anders als bei Pep Guardiolas City oder Real - mit Flick, Julian Nagelsmann und Thomas Tuchel. Doch diese Erneuerung hat dem Verein langfristig eher geschadet.

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Quelle: BR24Sport im Radio 03.04.2024 - 09:55 Uhr