"Major" Taylor

Radsport "Major" Taylor - der schnellste Mann der Welt  

Stand: 05.07.2022 08:19 Uhr

"Major" Taylor brach als erster Afroamerikaner die "Color Barrier" im US-Sport und war der beste Bahnradfahrer seiner Zeit. Mit seinem WM-Titel von 1899 schrieb er Sportgeschichte. 

Lenker an Lenker sprinteten die Rennfahrer über die Radbahn. 18.000 Zuschauer schauten dem Pulk zu, an dessen Spitze Marshall "Major" Taylor das Tempo verschärfte. Das Rennen ging auf die Zielgerade. Die Geschwister Nat und Tom Butler, zwei der besten Bahnradfahrer dieser Zeit, schoben sich Stück für Stück an den Führenden heran.

Das Fliegerrennen über eine Meile ging in die Entscheidung und der Gejagte startete den finalen Sprint zum Sieg. Die Zuschauer der Bahnrad-Weltmeisterschaften 1899 im kanadischen Montreal jubelten Taylor zu, dem neuen Sprintweltmeister.  

So erinnert sich Taylor in seiner Biografie an diesen historischen Tag. Doch es war nicht die Zielzeit, noch die überlegene Art des Sieges, die heute an den Radrennfahrer erinnert: Mit seinem Sieg in Montreal krönte sich der damals 20-jährige Taylor zum zweiten Schwarzen Weltmeister der Sportgeschichte. 

In der Heimat nicht willkommen

"Ich interessierte mich für Taylor nicht nur, weil er Weltmeister im Radsport wurde, sondern auch, weil er den Sport für den besten Zweck nutzte", sagt Buchautor Michael Kranish gegenüber dem "Peloton Magazin". "Taylor zeigte, was ein Mensch mit vollem Einsatz erreichen kann, und demonstrierte, dass die abscheulichen rassistischen Theorien der damaligen Zeit schlichtweg falsch waren", erklärt Kranish. 

Drei Jahre vor der Weltmeisterschaft in Montreal reiste Taylor, den viele "Major" nannten, in seine Heimatstadt Indianapolis zurück. Dort hatte einst seine Begeisterung für den Radsport begonnen, als der Fahrradhändler Louis Munger den jungen Taylor für ein Straßenrennen anmeldete.

Aus der Protegé-Rolle war er lange rausgewachsen, willkommen war er dennoch nicht. Es war dem starken rassistischen Klima geschuldet, dass Freunde den Schwarzen Radfahrer heimlich auf die dortige Radrennbahn bringen mussten. Nach den offiziellen Rennen stellte Taylor dort schließlich einen neuen Streckenrekord über eine Meile und einen Weltrekord über die Viertelmeile auf. "Danach durfte ich nie wieder auf einer Rennstrecke in Indianapolis antreten", schrieb Taylor in seiner Biografie. 

Karriere trotz Segregation

Taylors Karriere war auch 30 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei geprägt von rassistischer Diskriminierung. Der Grundsatz des "Separate but equal" bestimmte den Umgang mit afroamerikanischen Minderheiten in den USA nach einer Entscheidung des Supreme Courts von 1896. So wurden das alltägliche Leben sowie die Nutzung öffentlicher Bereiche und Dienstleistungen von der Hautfarbe abhängig gemacht. 

"Viele Konkurrenten versuchten, Taylor mit der Begründung zu verbieten, dass ein Schwarzer keine Rennen fahren dürfe", sagt Autor Kranish. Trotz der Anfeindungen gelang es Taylor als erster Afroamerikaner, die "Color Barrier" im US-amerikanischen Sport zu überwinden. Nicht nur das: Er schaffte es an die Spitze des populärsten Sports seiner Zeit. "Es war klar, dass sie ihn eigentlich von der Strecke haben wollten, weil sie wussten, dass er sie schlagen würde", so Kranish.  

Taylor gewann mehr als die Hälfte seiner Rennen und holte nach seinem WM-Titel von 1899 zweimal die US-Meisterschaft im Bahnsprint. Alleine im Jahr 1899 hielt er sieben Weltrekorde über unterschiedliche Distanzen. Sein Weltrekord über eine Meile (1:41 Minuten) aus dem Stehend-Start hielt 28 Jahre. 

Symbol im Kampf gegen Rassismus

"Taylor beschloss, dass der gegen ihn gerichtete Rassismus zu seiner Motivation werden würde, nicht nur für sich selbst, sondern auch für die allgemeine Sache der Gleichberechtigung." Mit diesem Ziel forderte Taylor sein Heimatland in einem sensiblen Bereich heraus.

Seine Wettstreiter verbündeten sich gegen ihn, drängten ihn von den Rennbahnen, ließen ihn stürzen oder versperrten ihm den Weg zum Zielsprint. In seiner Biografie berichtet er von einem Vorfall in Boston, bei dem ihn ein Kontrahent bis zur Bewusstlosigkeit würgte. 

Doch Taylor war zu einer so großen Attraktion geworden, dass sich die Rennveranstalter seinen Ausschluss nicht leisten konnten. Sein Name bedeutete eine profitable Einnahmequelle.

Mit der Zeit fanden auch die Zuschauer ihre Stimme und kritisierten die üblen Taktiken und Beschimpfungen, die Taylor begegneten. Die Leiden Taylors änderten die Wahrnehmung der Leute, woraufhin er zu einem Symbol für den Kampf gegen Rassismus wurde. Der Bahnrad-Weltmeister von 1899 riss Grenzen ein und ebnete damit den Weg für viele Schwarze Sportler, die nach ihm folgten. Vor 90 Jahren verstarb "Major" Taylor am 21. Juni 1933 mittellos - jedoch mit einem reichen Vermächtnis.