Motorsport | Formel 1 Formel 1: Viele Fragezeichen für Teams und Fahrer

Stand: 16.03.2022 22:13 Uhr

Das erste Mal seit mehr als einem Jahrzehnt scheinen die Machtverhältnisse in der Formel 1 nicht klar zu sein. Ein Überblick zu Fahrern und Teams vor der neuen Saison.

Von Marco Schyns

Mit dunkler Sonnenbrille und Kapuze über dem Kopf schlich Lewis Hamilton am ersten Tag der Formel-1-Testfahrten in Barcelona durch die Boxengasse und beäugte jeden einzelnen Boliden. "Als ich all die verschiedenen Autos sah, dachte ich, dass es eine der aufregendsten und interessantesten Saisons ist, die ich je begonnen habe", sagte Hamilton später.

Prognosen über Stärke der Teams kaum möglich

Tatsächlich sind Prognosen über die Stärke einzelner Teams schwer. Die Autos wurden überarbeitet, die Unterschiede zwischen den Teams sollten minimiert werden. Die Testfahrten in Barcelona und zuletzt in Bahrain deuten darauf hin, dass genau das geschieht. Ein Zitat von Hamilton nach dem dritten Testtag in Bahrain lässt aufhorchen: "Im Moment glaube ich nicht, dass wir um Siege kämpfen werden", sagte Hamilton nach eher enttäuschenden Rundenzeiten.

Wie aussagekräftig diese sind, lässt sich meist erst mit den ersten offiziellen Trainings am Rennwochenende feststellen. "Natürlich werden wir eine bessere Leistung zeigen. Aber die Leute werden vielleicht überrascht sein", sagte Hamilton weiter. Ob diese Aussagen Understatement, eine realistische Einschätzung der Lage oder nur ein reiner Bluff sind? Eines steht fest: Top-Teams wie Red Bull und Mercedes werden nicht plötzlich die Rollen tauschen mit Williams und Haas.

Sollte das Feld aber insgesamt zusammenrücken, wäre das aus Sicht der F1-Bosse schon ein Erfolg. Ein Überblick zu allen Teams und Fahrern - und möglichen Chancen in der neuen Saison, die am Sonntag (20.03.2022) in Bahrain startet.

Alle Teams und Fahrer der F1-Saison 2022
Team Fahrer I Fahrer II
Red Bull Max Verstappen (NED) Sergio Perez (MEX)
Mercedes Lewis Hamilton (GBR) George Russell (GBR)
Ferrari Charles Leclerc (MON) Carlos Sainz Jr. (ESP)
McLaren Lando Norris (GBR) Daniel Ricciarco (AUS)
Alpha Tauri Pierre Gasly (FRA) Yuki Tsunoda (JPN)
Aston Martin Sebastian Vettel (GER) Lance Stroll (CAN)
Alpine Fernando Alonso (ESP) Esteban Ocon (FRA)
Alfa Romeo Valtteri Bottas (FIN) Gyanyu Zhou (CHN)
Williams Alex Albon (THA) Nicholas Latifi (CAN)
Haas Mick Schumacher (GER) Kevin Magnussen (DEN)

Die Platzhirsche: Red Bull und Mercedes

Das letzte Saisonrennen 2021 und die Aussagen und Handlungen der Team-Verantwortlichen von Red Bull und Mercedes waren der Höhepunkt einer mit Feindseligkeiten übersäten Saison. Damit soll Schluss sein. Die Teamchefs Christian Horner (Red Bull) und Toto Wolff (Mercedes) zeigten sich zuletzt demonstrativ freundschaftlich. Spätestens, wenn sich Lewis Hamilton und Max Verstappen erstmals auf der Strecke begegnen, könnte es mit dem Burgfrieden vorbei sein.

Red Bull, die erstmals seit 2014 mit einem Weltmeister-Auto in die Saison starten, und Mercedes werden auch in der neuen Saison den Ton angeben. Vieles spricht dafür, dass die Autos nahezu gleich stark sind - und es steht außer Frage, dass es Verstappen und Hamilton sein werden, die vorangehen.

Bei Mercedes gibt es mit George Russell eine große Unbekannte: Der neue Teamkollege von Hamilton gilt als hochtalentiert, könnte also eine Unterstützung sein - allerdings ist es seine erste Saison in einem derart starken Auto. Sergio Perez, Teamkollege von Verstappen, bringt elf Jahre Formel-1-Erfahrung mit. Die letzten Testtage liefen für Red Bull deutlich besser als für Mercedes.

Die Herausforderer: McLaren und Ferrari

Vor allem McLaren konnte in der vergangenen Saison - das Highlight war ein Doppelsieg in Monza - hin und wieder die Vorherrschaft von Red Bull und Mercedes unterbrechen. Lando Norris hat Daniel Ricciardo inzwischen als Fahrer Nummer eins abgelöst und gilt auch 2022 als einer der großen Herausforderer. Ricciardo befand nach den Testfahrten, dass die Sicht durch die größeren 18-Zoll-Reifen deutlich eingeschränkt sei. Insgesamt aber bestätigte McLaren die Form aus dem vergangenen Jahr: Ein Angriff auf die Top-Teams scheint möglich, die Tests waren eher durchschnittlich.

Den Angriff wagen will auch Ferrari. Nach Jahren der Tristesse herrscht Aufbruchsstimmung. Seit 15 Jahren wartet der Traditionsrennstall auf einen WM-Titel. Die Fahrerpaarung Charles Leclerc und Carlos Sainz Jr. gilt als die stärkste im Feld. Beide haben das Zeug für Rennsiege - und wenn das Auto die Eindrücke aus den Tests bestätigt, können die Italiener vorne mitmischen. Red-Bull-Teamchef Christian Horner sieht in Ferrari einen der größten Konkurrenten: "Sie können mithalten auf der Strecke."

Norris und Leclerc sind teamintern sicherlich die Favoriten, Ricciardo und Sainz Jr. sind allerdings für Überraschungen gut.

Die Unbekannten: Alpine und Aston Martin

Mit unveränderten Fahrerpaarungen gehen Alpine (bis 2020 Renault) und Aston Martin (bis 2020 Racing Point) in die Saison. In beiden Fällen heißt das: Ein erfahrener Pilot fährt an der Seite eines deutlich jüngereren Piloten, der trotzdem bereits Erfahrungen mitbringt.

Fernando Alonso und Esteban Ocon konnten im Alpine vergangene Saison oftmals überraschen, Podiumsplätze scheinen auch dieses Jahr möglich. Mehr aber nicht.

Bei Aston Martin wären Sebastian Vettel und Lance Stroll schon glücklich, wenn man regelmäßig den dritten Qualifying-Abschnitt erreicht. Nach dem Abgang von Teamchef Otma Szafnauer stellt sich das britische Team neu auf.

Prognosen für Alpine und Aston Martin sind schwierig bis unmöglich. Die Tests liefen für beide ordentlich. Zwischen Podiumsplätzen und einem Absturz ans Ende des Feldes ist alles drin. Die Testfahrten brachten noch kein Licht ins Dunkel.

Das Mittelfeld: Alpha Tauri und Alfa Romeo

Alpha Tauri, das Farmteam des Red-Bull-Konzerns, hat mit Pierre Gasly einen der talentiertesten Fahrer in seinen Reihen. Spätestens seit seinem Sensationssieg in Monza 2020 wird auch der Franzose genannt, wenn es um die besten Fahrer der Königsklasse geht. Immer wieder stieß er in der vergangenen Saison im vermeintlich unterlegenen Alpha Tauri auf die vorderen Plätze vor. Teamkollege Yuki Tsunoda muss in seinem zweiten Formel-1-Jahr beweisen, dass er sein Cockpit zurecht bekommen hat.

Bei Alfa Romeo beginnt eine neue Zeitrechnung. Das Team machte ein großes Geheimnis aus der neuen Lackierung, trat bei den Tests in Barcelona im schwarz-weißen "Tarn-Look" an - als sogenannter Erlkönig. Als einziges Team gehen sie mit zwei neuen Piloten an den Start. Der Chinese Gyanyu Zhou ist der einzige Rookie in diesem Jahr. Valtteri Bottas kommt von Mercedes und soll das Team anführen. Er soll dem Team den Wunsch erfüllen, sich mit Alpha Tauri, Alpine und Co. zu messen - anstatt mit Haas und Williams.

Die Problemfälle: Williams und Haas

Die neuen Regeln und die veränderten Boliden sorgen vor allem bei zwei Teams für große Hoffnungen: Williams und Haas fuhren in den vergangenen Jahren immer hinterher - meist deutlich. Die Autos waren klar unterlegen, oft zwei bis drei Sekunden langsamer als die Spitze pro Runde. Es spricht einiges dafür, dass diese Lücke kleiner wird. Aber es wird eine Lücke bleiben. Wenn es für Mick Schumacher und sein Haas-Team gut läuft, schaffen sie den Anschluss an das Mittelfeld.

Das gleiche gilt für Williams, die neben dem etablierten Nicholas Latifi auf Ex-Red-Bull-Pilot Alex Albon setzen, der nach einem Jahr Pause in die Formel 1 zurückkehrt und Russell ersetzt. Schumachers Teamkollege im Haas ist nicht länger Nikita Mazepin. Der Russe konnte in seiner Debütsaison nicht überzeugen, der Abgang aber hat vor allem politische Gründe: Mazepins Vater Dimitri soll als russischer Bergbauunternehmer eine große Nähe zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin haben.

Haas hatte vor dem Hintergrund des russischen Angriffkriegs in der Ukraine zunächst die Farben des Hauptsponsors Uralkali vom Auto entfernt - wenige Tage später folge die offizielle Trennung von Mazepin. Er wird ersetzt durch den Ex-Haas-Piloten Kevin Magnussen, der zwar viel Erfahrung mitbringt, aber auch als aggressiver Fahrer gilt. Für Mick Schumacher wird die Messlatte Magnussen eine ganz andere sein als Mazepin in der Vorsaison - spannende Konstellation.

Rennkalender der Formel 1 2022
Datum Austragungsland Austragungsort
20.03.2022 Bahrain Sachir
27.03.2022 Saudi-Arabien Dschidda
10.04.2022 Australien Melbourne
24.04.2022 Emilia-Romagna (Italien) Imola
08.05.2022 Florida (USA) Miami
22.05.2022 Spanien Barcelona
29.05.2022 Monaco Monte Carlo
12.06.2022 Aserbaidschan Baku
19.06.2022 Kanada Montreal
03.07.2022 Großbritannien Silverstone
10.07.2022 Österreich Spielberg
24.07.2022 Frankreich Le Castellet
31.07.2022 Ungarn Budapest
28.08.2022 Belgien Spa-Francorchamps
04.09.2022 Niederlande Zandvoort
11.09.2022 Italien Monza
02.10.2022 Singapur Singapur
09.10.2022 Japan Suzuka
23.10.2022 USA Austin
30.10.2022 Mexiko Mexiko City
13.11.2022 Brasilien Sao Paulo
20.11.2022 Vereinigte Arabische Emirate Abu Dhabi