DOSB Weikert: "Olympia 2036 in Deutschland ist mein Ziel"

Stand: 10.11.2021 05:30 Uhr

Den Breitensport stärken und "so schnell wie möglich" Olympia nach Deutschland holen: Thomas Weikert will im Falle seiner Wahl zum Präsidenten den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in eine neue Ära führen.

Der 59 Jahre alte Rechtsanwalt aus Limburg an der Lahn und scheidende Präsident des Tischtennis-Weltverbandes gilt vor der Wahl am 4. Dezember in Weimar gegen Claudia Bokel (48), die Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes, und Innenstaatssekretär Stephan Mayer (47) als favorisiert. Vor der wichtigen Vorstellungsrunde im Kreis der DOSB-Verbändegruppen am Sonntag (14.11.2021) in Düsseldorf äußert sich Weikert im ARD-Interview erstmals zu seinen Zielen.

sportschau.de: Herr Weikert, Sie gehen als Favorit in das Rennen um die DOSB-Präsidentschaft, was qualifiziert Sie für das Amt?

Thomas Weikert: Lassen wir mal das mit dem Favoriten. Ich bin einer der Kandidaten und freue mich, dass ich dabei bin. Also: Ich habe internationale Erfahrung als Präsident des Tischtennis-Weltverbandes, der ich seit mehr als sieben Jahren bin. Da lernt man einiges kennen. Und es ist ja auch erforderlich, dass man als DOSB-Präsident international arbeitet. Ich habe aber auch Erfahrung auf nationaler Ebene, als Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes, der ich von 2005 bis 2015 war.

sportschau.de: Nun geht es bei der DOSB-Präsidentschaft aber nicht nur um Spitzensport. Spielt der Breitensport für Sie eine untergeordnete Rolle?

Weikert: Nein, dort bin ich auch aktiv! Ich bin Geschäftsführer eines kleinen Tischtennisvereins und Vorsitzender des Sportkreises Limburg-Weilburg, der die ganze Palette des Breitensports abdeckt. Man sieht mich hier im Kreis öfter auf Sportplätzen oder beim Hockey oder Tennis. Und ich weiß auch, wie es war und ist während der Pandemie: Wie halte ich Kinder im Verein? Wie begeistere ich Kinder und Jugendliche überhaupt? Welche Sorgen haben Trainer und Eltern?

Breitensport eine bessere Stimme geben

sportschau.de: In der Außendarstellung des DOSB hatte man bisher den Eindruck, es gehe immer nur ums Team Deutschland, gerade auch beim scheidenden Präsidenten Alfons Hörmann…

Weikert: Ich denke zunächst mal, dass Alfons Hörmann vor allem im Leistungssport einiges bewirkt hat. Es ist mehr Geld geflossen, das ist sicherlich gut. Auf den Breitensport hat man vielleicht auch insgesamt in der Pandemie zu wenig geachtet. Der Spitzensport ist häufig das, was außen ankommt. Aber wenn ich keinen Breitensport habe, dann habe ich keinen Leistungssport. Es wird eine ganz dringende Aufgabe sein, dem Breitensport eine bessere Stimme im deutschen Sport und in der Gesellschaft zu geben. Allerdings ist da nicht nur der Sport gefragt. Kultur und Gesellschaft müssen mitziehen.

sportschau.de: Seit 2006 geht es im Hinblick auf Medaillen bei Olympischen Spielen und vielen Großereignissen bergab. Was hat der DOSB falsch gemacht?

Weikert: Das ist im Moment schwierig zu sagen. Ich habe nicht den hundertprozentigen Einblick. Ein Thema ist sicherlich die Trainerausbildung. Das heißt nicht, dass unsere Trainer schlecht ausgebildet wären. Aber dazu gehört, dass sie ordentlich bezahlt werden und dass man ihnen vernünftige Verträge anbietet. Ich glaube, da hakt es im deutschen Leistungssport, auch gegenüber der internationalen Konkurrenz.

sportschau.de: Es gibt einen Investitionsstau in Deutschland, was Sportstätten betrifft. Viele sind in einem erbärmlichen Zustand …  

Weikert: Der Goldene Plan aus den 70er Jahren liegt in der Tat lange zurück. Viele Hallen sind veraltet, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Das fängt in den Hallen an und hört bei den Umkleidekabinen auf. Und wenn ich daran denke, dass selbst Hallen, die nach 2010 gebaut worden sind, für Rollstuhlfahrer, die duschen wollen, problematisch sind, dann weiß ich, dass wir alle zusammen zu wenig darauf geachtet haben. Dass die Sportstätten erneuert werden, ist entscheidend. Dafür würden mein Team und ich Klinken putzen gehen.

sportschau.de: Wird es dafür im Vorstand auch wieder einen Posten für den Breitensport, oder wie es im DOSB heißt, für Sportentwicklung geben?

Weikert: Ja, auf jeden Fall. Die Frage ist sicherlich auch, ob man eine weitere Stelle schafft, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, einem weiteren wichtigen Thema.

Sonst überholt uns die Politik

sportschau.de: Brauchen wir ein Sportministerium in Deutschland?

Weikert: Gute Frage. Der Spitzensport ist im Moment dem Innenministerium zugeordnet, zu dem auch schon das Bauministerium gehört. Und wenn wir zum Beispiel einen Terrorakt haben, oder der Innenminister muss sich mit anderen wichtigen Dingen befassen, dann liegt der Sport brach. Ich glaube, der Sport muss abgekoppelt werden von Dingen wie der inneren Sicherheit. Ein Sport-Staatsminister wäre eine Idee, über die man diskutieren könnte.

sportschau.de: Hat der DOSB beim Thema sexualisierte Gewalt viel zu lange weggeschaut?

Weikert: Das ist auch eines der Themen, das man schnell voranbringen muss. Der Verein Athleten Deutschland hat das Thema Safe Sport zuletzt immer wieder erwähnt. Nun muss das Problem organisiert angegangen werden vom Dachverband. Ob der DOSB dann intern damit umgeht oder ob man die Thematik auslagert, wie Athleten Deutschland es vorgeschlagen hat - das muss man diskutieren. Aber klar ist, dass das sofort angepackt werden muss, sonst überholt uns die Politik. So ist es seinerzeit beim Thema Doping passiert, was für den Sport sehr negativ war.

Ich will mit Athleten Deutschland zusammenarbeiten

sportschau.de: Das Verhältnis zwischen Athleten Deutschland und DOSB ist gelinde gesagt angespannt. Wie wird Ihre Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Verein sein?

Weikert: Das Ziel ist, ein gutes Verhältnis zu haben. Ich habe in den vergangenen Tagen schon viel mit Athletinnen und Athleten gesprochen. Wenn ich gewählt werde, dann würden wir das fortsetzen. Ich will mit Athleten Deutschland zusammenarbeiten. Ich habe das im Tischtennis-Weltverband eigentlich noch nie erlebt, dass Athletinnen und Athleten in irgendeiner Form nicht ernst genommen wurden. Das kenne ich nicht. Von daher hoffe ich, dass das innerhalb des DOSB auch so werden wird.

sportschau.de: Stephan Mayer, Staatssekretär im Innenministerium, der auch für den Sport zuständig war, und Claudia Bokel, die Präsidentin des Deutschen Fechter-Bundes, kandidieren ebenfalls als DOSB-Präsident beziehungsweise Präsidentin. Bokel und ihr Verband hatten bereits angekündigt, Sie zu unterstützen. Wie ist es zu erklären, dass sie jetzt selbst kandidiert?

Weikert: Das müssen Sie Claudia Bokel fragen. Wir leben in einer Demokratie, und wenn sie zu dem Schluss gekommen ist zu kandidieren, dann soll sie das tun.

sportschau.de: Was werden Sie tun, um den Frauenanteil an der Spitze und in der Breite des Sports zu stärken?

Weikert: Fakt ist, dass die Mitwirkung der Frauen in den hohen Gremien auf jeden Fall gestärkt werden muss. Ich weiß, dass das überall in den Fachverbänden, auch international, ein Problem darstellt. Dort gibt es erheblich weniger Frauen als Männer, das ist kein gutes Zeichen für den Sport. Was wir dort machen können, müssen wir intensiv diskutieren.

Natürlich steht der Vorstand zur Disposition

sportschau.de: Es gibt ja einen Vorstand mit Veronika Rücker an der Spitze. Muss der komplett gehen für einen Neuanfang?

Weikert: Es wird ja immer davon gesprochen, dass es einen Neuanfang im DOSB geben muss. Deshalb gibt es eine Neuwahl, zunächst für ein Jahr, aber dann letztlich für vier weitere Jahre. Das bedeutet, dass man natürlich auch die Position Vorstand und Vorstandsvorsitzende in den Fokus rücken muss. Ich kann jetzt von außen nicht genau beurteilen, was der Vorstand richtig und was falsch gemacht hat. Fakt ist: Er steht sehr in der Kritik. Das weiß ich natürlich, aber ich möchte mir im Fall meiner Wahl erst mal ein eigenes Bild machen. Aber natürlich steht der Vorstand zur Disposition.

sportschau.de: Zum Beispiel Frau Rücker?

Weikert: Zum Beispiel Frau Rücker.

sportschau.de: Es ist ja gute Sitte im Sport, dass ein scheidender Präsident zum Ehrenpräsidenten wird. Können Sie sich das im Fall Alfons Hörmann vorstellen?

Weikert: Das ist eine schwierige Frage. Alfons Hörmann steht sehr in der Kritik. Ein Ehrenpräsident braucht eigentlich ein hundertprozentiges Votum. Ich denke, Alfons Hörmann hat viel für den Sport geleistet. Er hat sicherlich auch einige Fehler gemacht. Ich weiß nicht, ob für das Thema Ehrenpräsidentschaft momentan der richtige Zeitpunkt ist. Das müssen die Verbände am Ende selbst beurteilen.

Da hilft auch kein Gutachten

sportschau.de: Das Image des Deutschen Olympischen Sportbundes ist verbesserungswürdig. Es fehlt immer wieder, so hat man den Eindruck, an Vertrauen bei Sportfunktionären, bei Verbandspräsidenten, beim IOC inzwischen auch. Man hat das Gefühl, dass auch in der Berliner Politik manche lieber einen Bogen machen um Herrn Hörmann. Auch mit Journalisten legt er sich immer wieder an, da gibt es Anwaltsschreiben und Klagen und den Vorwurf aus der DOSB-Belegschaft, Hörmann sei für ein Klima der Angst verantwortlich. Wie wollen Sie Vertrauen zurückgewinnen?

Weikert: Vertrauen kann man nur dann schaffen, wenn man mit den Leuten redet. Gespräche sind das allerbeste und vielleicht sogar einzige Mittel. Übrigens gilt das auch im Falle des IOC: Da wird man sicherlich mit Herrn Bach sprechen müssen, auch im Hinblick auf zukünftige Olympiabewerbungen. Und dann wird man natürlich auch mit den DOSB-Mitarbeitern sprechen müssen, egal, wie sehr das Verhältnis jetzt tatsächlich beschädigt ist, worüber ja gerade gerätselt wird. Fakt ist: Die Ethik-Kommission hat ausführlich geprüft und verschiedene Dinge festgestellt, die nicht in Ordnung sind. Und daran muss man arbeiten. Da hilft aus meiner Sicht auch kein Gutachten.

sportschau.de: Der DOSB hat zuletzt zwei teure Gutachten in Auftrag gegeben, die einige als Versuch der Reinwaschung gedeutet haben …

Weikert: Ich weiß nicht, ob Reinwaschung das richtige Wort ist. Aber vielleicht wäre es vernünftiger gewesen, die Sache auf sich beruhen zu lassen und es dem nächsten Präsidium zu überlassen, damit umzugehen, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen und zu versuchen, die Sache zu befrieden.

Wir müssen uns so schnell wie möglich bewerben

sportschau.de: Eine deutsche Olympia-Bewerbung steht immer wieder im Raum. Alfons Hörmann und Thomas Bach sind an dem Ziel gescheitert, Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland zu holen. Versuchen Sie es im Falle Ihrer Wahl erneut?

Weikert: Klare Antwort, wir müssen uns so schnell wie möglich bewerben, und zwar auch für 2036. Ich weiß, dass es Diskussionen darüber gibt, ob man sich für 2036 bewerben soll vor dem Hintergrund von Berlin 1936. Aber ich bin der Meinung: ja! Das Bild der Deutschen muss man gut darstellen und genau daran arbeiten, dass wir uns gut darstellen im Ausland. Also klare Antwort: Paralympische Spiele, Olympische Spiele sollen möglichst bald nach Deutschland kommen.

sportschau.de: Nach Berlin?

Weikert: Das ist eine andere Frage, es gibt vielleicht auch noch andere Städte. Das ist sicherlich ein Thema, das man dann im Team besprechen muss.