Leichtathletik | Sprint Kaffee und Kuchen beim blonden Blitz: Armin Hary wird 85

Stand: 22.03.2022 07:27 Uhr

Am 21. Juni 1960 wird der Bergmannssohn Armin Hary weltberühmt. Als erster Mensch sprintet der 23-Jährige die 100 Meter in 10,0 Sekunden. Am 22. März wird "Hurry Hary" 85 Jahre alt.

Der einst schnellste Sprinter der Welt hat den Schongang eingelegt. "Alt werden ist nichts für Memmen. Ich muss jetzt endlich auch mal an mich denken", sagt Armin Hary.

Gut drei Monate nach seinem Herzinfarkt geht es Hary schon wieder so gut, wie es das Alter eben zulässt: Heute am 22. März wird der Doppel-Olympiasieger von 1960 85 Jahre alt.

"Ich bin ja kein Mensch, der ruhen und rasten kann"

"Es geht wieder besser. Ich bin ja kein Mensch, der ruhen und rasten kann. Ich will so ziemlich alles selbst machen", sagt Armin Hary in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Der Mann ist eben immer noch Sportler. 1960 war das Jahr des Armin Hary, das größte in seiner Karriere als Leistungssportler. Am 21. Juni 1960 sprintet der explosive Schnellstarter die 100 Meter als erster Mensch überhaupt in 10,0 Sekunden: mit 480 Gramm schweren Spikes, auf einer Aschenbahn im Zürcher Letzigrund.

Im zweiten Versuch - beim ersten war er nach Meinung der Kampfrichter zu früh gestartet. Hary darf noch einmal starten, mit zwei Mitläufern - und schafft es wieder in 10,0 Sekunden.

Letzter europäischer Olympiasieger über 100 Meter

Genau 72 Tage später ist der "blonde Blitz" auch Olympiasieger: Gold über 100 Meter - und eine Woche später als glänzende Zugabe der Triumph mit der deutschen Staffel über 4 x 100 Meter. Kein Europäer schnappt sich nach Hary jemals wieder die prestigeträchtigste Bestmarke der Leichtathletik.

Staffel-Startläufer Bernd Cullmann erinnert sich noch sehr gut an jenen 8. September 1960 - und an den ersten Wechsel auf Bahn 5. "Armin ist ab wie eine Rakete! Das war unglaublich! Ich habe nur gedacht: oh Gott", erzählt der 82-Jährige im dpa-Gespräch. "Vor Olympia haben wir zusammen in Frankfurt trainiert", sagt Cullmann. "Und heute telefonieren wir noch einmal in der Woche", berichtet der gelernte Diamantenschleifer.

Armin Harys Vita ist filmreif

Auch Armin Harys Vita ist filmreif. Der Junge aus dem saarländischen Quierschied spielt erst Fußball, dann Handball und Geige, erst spät erwacht seine Liebe zur Leichtathletik. Der gelernte Feinmechaniker ist Sportstudent, Tellerwäscher, Kaufmann, Immobilienmakler und Baustoffgroßhändler. Nicht alles verläuft geradlinig: Für falsche Spesenrechnungen und einen aufmüpfigen Presseartikel wird er gesperrt, wegen dubioser Grundstücksgeschäfte bekommt er Anfang der 1980er Jahre zwei Jahre Haft auf Bewährung wegen Beihilfe zur Untreue.

Erinnerungen an traumatische Erlebnisse in seiner Kindheit kommen derzeit durch die russische Invasion in die Ukraine wieder hoch. Wenn er sehe, wie die Mütter mit ihren Kindern in der Ukraine flüchteten, sehe er sich mit seiner Mutter vor dem Bombenhagel fliehen, erzählte er der "Welt am Sonntag" zutiefst erschüttert.

Hary betonte, dass durch die Erinnerung an die "grauenhafte, furchtbare Nazi-Zeit" Menschen sensibilisiert werden könnten. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe er sich zwischen großer Armut und scheinbarer Ausweglosigkeit befunden und den Sport als einzige Chance gesehen: "Ich war ein hungriges Kind. Hungrig nicht nur im wörtlichen Sinne."

Noch vor dem goldenen Sommer 1960 sprintet Hary 1958 in Stockholm zu zwei EM-Titeln. Nach einem Autounfall im November 1960 ist sein Knie kaputt - Anfang Mai 1961 erklärt er seinen Rücktritt. Seine Karriere ist schon vorbei, ehe sie noch mehr in Fahrt kommt.

Keine große Party zum 85. Geburtstag

Eine große Party zum 85. ist nicht geplant - aber auch nicht gestrichen. "Jeder, der mich mag, ist herzlich willkommen. Ich kann die Leute nicht ausladen, bevor sie da sind. Ein bissel Besuch werde ich schon kriegen. Ich lasse mich überraschen", sagt der Jubilar. "Die uns mögen, die kommen sowieso - und die kriegen dann ganz sicher auch Kaffee und Kuchen."

So sicher, wie er immer noch Autogrammwünsche bekommt - 62 Jahre nach seinen Olympiasiegen. "Ich kriege jeden Tag noch Autogrammbriefe, mal einen, mal zehn", erzählt Hary. "Hauptsächlich aus Deutschland. Aber auch viele aus Amerika, England, Frankreich. Das ist verrückt: Die einen schreiben, sie sind 80, die anderen schreiben, sie sind 18. Die meisten schicken einen Haufen Fotos mit, die signiere ich dann." Alles andere macht dann seine Tina.